Seite 5 - H_2000_01

Basic HTML-Version

Nummer 1 –– 68. Jahrgang
O s t t i r o l e r H e i m a t b l ä t t e r
tionschef Dr. Frank als durch-
aus ernstzunehmend aner-
kannt, der auch feststellt: „
Ein
ökologisches Gutachten muß
unbedingt allen Maßnahmen
vorangehen.“
Diese Gutachten
werden schließlich unter der
Leitung der Österreichischen
Akademie der Wissenschaften
von insgesamt zwölf Univer-
sitätsprofessoren bzw. Instituten
erstellt.
Im Sommer 1974 verschickt
der Verein ein umfassendes
Memorandum an verschiedene
Ministerien. Interessant ist die
Antwort des zuständigen Han-
delsministers Dr. Josef Stari-
bacher, der feststellt, dass ein
Gutachten alle Auswirkungen
auf die Umwelt und die Lebens-
bedingungen der Bevölkerung
aufzeigen solle. Zeitdruck für die
Lösung des Problems sei nicht
gegeben.
„Da die Errichtung des
Kraftwerksprojektes Osttirol im
Kraftwerksprogramm der Elek-
trizitätswirtschaft bis zum Jahre
1983 nicht enthalten ist, kann es
frühestens in der zweiten Hälfte
der 80er-Jahre aktuell werden.“
Diese Antwort ist insofern
interessant, weil sie sich doch
sehr von der Argumentation auf
Tiroler Ebene unterscheidet,
die nämlich den Baubeginn für
die nächsten Jahren suggeriert.
Die warnende Stimme des
Vereins und vieler Verbündeter,
transportiert über die Medien,
wirkt sich aber offensichtlich doch schon
auf die politische Diktion aus. In dem im
Herbst 1974 präsentierten „Osttirol-Plan
der ÖVP“ für die Landtagswahl 1975 heißt
es in Pt. 3 Moderner Energieplan: „
Das
Projekt über den stufenweisen Ausbau der
Kraftwerksgruppe Osttirol muß auf die
Raumplanung des Gebiets abgestimmt
werden und hat die Belange des Natur-
und Umweltschutzes, des Fremdenverkeh-
res, der Landeskultur und insbesondere
der Landwirtschaft zu berücksichtigen. Bei
dessen Verwirklichung müssen direkte und
indirekte Leistungen erbracht werden.“
Landesrat Dr. Luis Bassetti meinte zu
diesem Energieplan:
„Hier wird man mit
aller gebotenen Vorsicht im gegenseitigen
Einvernehmen vorgehen müssen. Es ist
aber auch noch gar nicht so lange her, daß
jeder Landespolitiker in Osttirol einen Eid
ablegen mußte, daß er für den Bau des
Daberklammwerkes eintritt.“
Der Verein hatte in der Zwischenzeit
eine Stellungnahme zum Nationalpark-
konzept der Nationalparkkommission ab-
gegeben und auf dem österreichischen
Naturschutztag in Wels die Verabschie-
dung einer Resolution zum Kraftwerks-
projekt erwirkt.
Auf der Vollversammlung des Vereins im
Herbst 1974 halten die Universitätsprofes-
soren Dr. Hans Klecatzky und Prof. Dr.
Norbert Wimmer Referate zum Umwelt-
recht. Am 31. Jänner 1975 fasst der Ge-
meinderat von Prägraten den einstimmigen
Beschluss, das Kraftwerksprojekt in der bis-
herigen Form mit aller Entschiedenheit ab-
zulehnen, und er spricht sich für die Vari-
ante von Prof. Dipl.-Ing. Herbert Zierl aus,
in der die Fassung der Isel unterhalb von
Prägraten mit einem kleinen Tagesspeicher
vorgesehen ist. Im Beschluss heißt es dazu:
„Für Prägraten ist diese Variante die ein-
zige, allenfalls zumutbare Alternative, da
der Ableitung der Bäche aus den herrlichen
Wandertälern keinesfalls, und zwar auch im
gesamtwirtschaftlichen Interesse zuge-
stimmt werden kann.“
Antrag und Be-
schluss stützten sich übrigens ausdrücklich
auf eine Aussprache mit Vertretern der
Studiengesellschaft und dem Landes-
hauptmann von Tirol, ÖR Eduard Wall-
nöfer, am 23. Jänner 1974 in Prägraten.
An der Pressekonferenz, bei der dieser
einstimmige Gemeinderatsbeschluss vor-
gestellt wird, nimmt auch der Verein zum
Schutz der Erholungslandschaft teil.
Vor der Landtagswahl 1975 wurden
alle Kandidaten der Parteien befragt und
die Antworten als Postwurf an alle Ostti-
roler Haushalte versandt. Bei der Wahl
gab es dann außerordentlich viele weiße
ungültige Stimmzettel.
Im August 1975 hielt sich Energie- und
Handelsminister Josef Staribacher drei
Tage im Bezirk auf. Der Verein nahm dies
zum Anlass, an markanten Stellen, z. B. bei
vorgesehenen Bachableitungen Hinweis-
tafeln aufzustellen und führte mit dem
Energieminister und den Vertretern der
Energiewirtschaft am Abend des 7. August
in der Johannishütte eine heftige Diskussion.
Als Resümee stellte Minister
Staribacher fest, von dem
10-Mrd-S-Vorhaben sei eine
wesentliche
wirtschaftliche
Belebung in dieser Region zu
erwarten. Zwölf Professoren
seien inzwischen beauftragt
worden, ein ökologisches Gut-
achten auszuarbeiten, um
dem Umweltschutz möglichst
Rechnung zu tragen.
1975 nahm der Verein auch
am Österreichischen Natur-
schutztag in Salzburg teil und
beantragte mit anderen die
Verabschiedung einer Resolu-
tion durch die Generalver-
sammlung, die sich auch mit
dem Kraftwerksbau befasste. In
intensiver Öffentlichkeitsarbeit
wurden laufend viele in- und
ausländische Medien betreut.
Zur Hauptversammlung im
Herbst 1975 wurde der
Schweizer Agrarwirtschaftler,
Univ.-Doz. Dr. Hans Popp aus
Bern, zum Thema „Das öffent-
liche Interesse an der Erhaltung
der Berggebiete als Lebens- und
Erholungsraum“ eingeladen.
In den letzten Monaten des
Jahres 1975 wurden verschie-
dene Gremien und Organisatio-
nen über den neuesten Varian-
tenvorschlag 1974/3, der die
Ableitung aller wesentlichen
Gletscherbäche vorsah, infor-
miert, und es fassten der öster-
reichische Naturschutzbund,
der ÖAV, die Naturfreunde, die
österreichische Gesellschaft für Natur- und
Umweltschutz und die Nationalparkkom-
mission Beschlüsse gegen diese umfang-
reichen Bachableitungen.
Die breite Suche nach Verbündeten
gehörte wesentlich zur Strategie des Ver-
eins zum Schutz der Erholungslandschaft
Osttirol.
Ein Beispiel hiefür ist das im Bild 8 do-
kumentierte Treffen am Fuße des Schla-
tenkeeses in Innergschlöß mit den Profes-
soren Dr. Klecatzky und Dr. Wimmer,
dem ÖAV-Vorsitzenden Prof. Ober-
walder und dem Präsidenten der Natur-
freunde, Dr. Heinz Fischer mit Frau
Fischer und Frau Retter.
Auch in einer Vorsprache bei Landes-
hauptmann ÖR Eduard Wallnöfer wurden
die Bedenken des Vereins vorgebracht,
ebenso bei zwei ORF-Fernsehsendungen
„In eigener Sache“, an denen eine Ver-
einsabordnung teilnahm.
Das Jahr 1976 war vor allem von der Er-
richtung des Wasserschaupfades „Umbal-
fälle“ geprägt, der am 14. August unter der
Patronanz des Europarates mit großem
Medienecho eröffnet wurde. Der Herr
Bundespräsident Dr. Kirchschläger, der
Bundeskanzler, viele Minister und Lan-
deshauptleute schickten Glückwunsch-
schreiben
Die intensive Öffentlichkeitsarbeit
wird fortgesetzt. Diesem Zweck dient auch
eine Klebeplakette „Umbalfälle auch
künftig noch“, die in großer Stückzahl auf-
gelegt wird. Auch die Referate bei den
Das Kalser Dorfertal ungefähr vom Standpunkt der westseitigen
Mauerkrone gegen Norden.
Foto: W. Retter