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O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
68. Jahrgang –– Nummer 1
Uns interessiert speziell, was ist noch an
Erschließung möglich, wie vertragen sich
Kraftwerksbau und Nationalpark?“
zum
Ausdruck.
Auf der Titelseite der nächsten Nummer
(22. März 1973) brachte der „Osttiroler
Bote“ einen ausführlichen Beitrag von
Prof. Dr. Wolfgang Retter unter dem Titel
„Osttirol – Energiesklave oder Erholungs-
land?“.
In der gleichen Nummer des „Osttiroler
Bote wurde auch eine Gewerkschafts-
resolution für den Kraftwerksbau „Hohe
Tauern“ mit dem Schlusssatz: „
Der Be-
zirksausschuß des ÖGB in Lienz ersucht
daher neuerlich alle maßgeblichen Stellen,
alles zu unternehmen, um den Bau der
Kraftwerksgruppe ,Hohe Tauern‘ (Daber-
klamm-Kraftwerk) zu ermöglichen“
, ab-
gedruckt.
So begann eine sehr intensive Diskus-
sion. Kritisch und sehr engagiert wurde
unter anderem die Jungbauernschaft (Ob-
mann Franz Idl, Geschäftsführer Ing.
Rudolf Diemling) tätig, die z. B. im August
1973 eine groß angelegte Pressefahrt nach
Prägraten ins Umbaltal organisierte. Ge-
meinsam mit Prof. Dr. Wolfgang Retter
wurde eine Pressemappe vorbereitet, die
mit der Einladung insgesamt an 17 aus-
und inländische Medien versandt wurde.
Am 6. September 1973 erfolgte dann in
Anwesenheit der gesamten politischen
Prominenz des Bezirkes und gleichsam
unter der Patronanz des höchsten politi-
schen Vertreters NR-Abg. Hubert Huber
und der Aufsicht des langjährigen Rech-
nungsprüfers Notar Dr. Herbert Rohracher
die Gründung des Vereins zum Schutz der
Erholungslandschaft Osttirol.
Schon vorher hatte der Verein Plakate
affichiert, Flugblätter verteilt und Unter-
schriftenlisten aufgelegt und an alle mög-
lichen Stellen versandt. Der Besuch des
Tiroler Landtages im September 1973
wurde vom neu gegründeten Verein zum
Anlass genommen, um den Tiroler Politi-
kern eine Petition zu überreichen, in der
auf die Wichtigkeit der Erhaltung der
Wandertäler für den Erholungstourismus
hingewiesen und ökologische Gutachten
über die Auswirkungen eines so umfas-
senden Kraftwerksbaues verlangt wurden.
Bevor die weitere Tätigkeit geschildert
wird, sei noch ein Blick auf die
Kraftwerksgeschichte vor 1973
geworfen.
1948 war die Osttiroler Studiengesell-
schaft gegründet worden. Sie arbeitete das
oben genannte Kraftwerksprojekt STO
1949/50, eine geringfügig abgeänderte
Variante des AEW-Projektes 1939/40 aus.
Mit den sieben Speichern – Ladstatt/St. Ja-
kob, St. Veit, Hinterbichl/Prägraten,
Bobojach/Prägraten und Dorfertal/Kals –
war dieses Projekt sowohl im Bezug auf
den Gesamtspeicherinhalt (518 hm
3
) der
Ausleitungswassermenge (1.600 hm
3
)
und der Jahresenergieerzeugung (1.919
GWh) das größte aller der vielen Kraft-
werksprojekte in den Hohen Tauern in
Osttirol (siehe Bild 2).
Die Studiengesellschaft Osttirol begann
1949 auch konkret mit der Verwirklichung
des Teiles Dorfertal-Huben aus diesem
Gesamtprojekt.
Schon im April 1949 war Landeshaupt-
mann-Stellvertreter Dr. Hans Gamper (in
der Tiroler Landesregierung für Energie-
fragen zuständig) mit Vertretern der
TIWAG nach Kals gekommen, wo sie zu
den Bedenken und Ängsten der Kalser, die
wichtige Dorferalpe zu verlieren, erklärten,
dass es noch viele Jahre bis zum Kraft-
werksbau dauern werde. Doch schon in
den folgenden Wochen kamen „Ingenieure
– die einen lösten die anderen ab“, so
schrieben die Kalser im nachstehend
zitierten Brief, die Vermessungs- und Boh-
rungsarbeiten durchführten. Die Kalser
richteten also am 10. Juli 1949 einen ge-
harnischten Brief an die Tiroler Landes-
regierung. Es heißt dort unter anderem:
„Die Landesregierung hat uns doch
durch Dr. Gamper versprochen, daß all
diesen Vorarbeiten eine Begehung bzw.
Kommissionierung vorausgehen wird, wo
wir unsere Bedenken und Bedingungen
anbringen könnten. Wir warten jetzt drei
Monate vergeblich auf diese Kommission
– begreiflich, daß sich eine unhaltbare
Mißstimmung unter den Alpinteressenten
breitgemacht hat, zu deren Behebung die
Landesregierung Sorge tragen soll.
Wenn ein hies. Bauer eine Holzhütte auf
seinem Grund und Boden ohne vorherige
Bauverhandlung und Genehmigung er-
stellt, kommt die Gendarmerie, und es
werden Geld- und Kerkerstrafen diktiert.
Wenn aber die hohe Oberbehörde dererlei
Unzukömmlichkeiten selbst in die Wege
leitet, die Rechte der Steuerträger nicht
beachtet, ist es dann noch verwunderlich,
wenn Unzufriedenheit und Ärger unter den
Interessenten Platz greit?“
Die Kalser verweisen dann mit einem
eindrucksvollen Beispiel, wie wichtig die
Dorferalm für die Kalser Bauern ist und
schließen den Brief auf der Seite 5 mit
dem Absatz:
„Die verehrliche Landesregierung er-
sieht aus dem Gesagten deutlich, daß alle
Unterfertigten einmütig willens und bereit
sind, ihren Heimatboden und ihre Existenz
mit aller Kraft zu verteidigen und sich zur
Vernichtung so wertvollen Alm- und Hei-
matbodens nie und unter keiner Bedingung
bereitfinden werden, weshalb wir die ver-
ehrliche Landesregierung bitten, alles auf-
zuwenden, damit von der Durchführung
vorgenannten Projektes Abstand genom-
men wird.“
Der Brief ist von Bürgermei-
ster Unterberger und 16 weiteren Vertre-
tern der Gemeinde und von 26 Interessen-
ten unterschrieben.
Offenbar als Reaktion darauf kamen am
23. August 1949 Landeshauptmann-
Stellvertreter Prof. Dr. Gamper, Landesrat
Josef Muigg (auch Präsident der Landes-
landwirtschaftskammer), NR Franz Krane-
bitter und Jakob Blassnig als Obmann der
Bezirkslandwirtschaftskammer, Bezirks-
hauptmann Otto Hosp und eine Reihe
leitender Landesbeamter sowie Dir. Dr.
Koch und Ing. Dr. Laufer von der Studien-
gesellschaft Osttirol zu einer Besprechung
nach Kals, mit dem Ergebnis, dass
als landwirtschaftlicher Sachverständiger
Prof. Karl Friedrich von Weizsäcker (l.)
mit Prof. Dr. Wolfgang Retter.
Foto: Hans Waschgler
STÖ-Projekt 1949/50.