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1673 wurden dem Bildhauer Johannes
Vierli 15 fl. 16 kr. „wegen der Engel bei St.
Anthoni“ bezahlt, 1705 fand man bei einer
Visitation der Kirche ein Bild des Heiligen,
das „in der Mitte der Kirche aufgestellt,
schon seit vielen Jahren verehrt wird.“
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1699 erhielt die Kirche einen barocken
Giebelreiter (Datierung an der Stirnseite),
1704 kam es zu einer „Ergrößerung“ der
Sakristei. Der Raum im Obergeschoß
derselben soll der Volksüberlieferung zu-
folge dem Fiechter Prälaten Cölestin
Böhm als Eremitage gedient haben, der
1709 nach finanziellen Unregelmäßigkeiten
aus seinem Kloster verschwand und 1731
im Widum von Anras verstarb
7
. 1721
wurde an der Nordseite eine einjochige,
dreiseitig geschlossene Kapelle angebaut,
deren Altar am 14. August 1723 durch den
Brixner Fürstbischof Kaspar Ignaz Graf
Künigl zu Ehren „des allerheiligsten Lei-
dens Christi und seiner schmerzhaften Mut-
ter“ konsekriert wurde
8
. Die Kosten des
„neuen Kapellengepeus“ wurden von ver-
schiedenen Wohltätern getragen, die
Pfarrkirche musste nur einen Restbetrag von
31 fl. 39 kr. aufbringen. Die Auszierung der
Kapelle besorgte ein Brunecker Maler und
Bildhauer, die „Puschenkriege“ (= Zierva-
sen) schuf 1724 der einheimische Bild-
schnitzer Peter Contriner
9
. 1825 wurde das
Innere der Kirche erneuert, 1838 das Glo-
ckentürmchen neu gedeckt.
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Anlässlich der
Regotisierung der Kirche um 1874
11
(Da-
tierung am Rundfenster der Westfassade)
wurden die Glasmalereifenster eingesetzt,
eine Empore eingebaut und ein neugoti-
scher Hochaltar sowie neue Betbänke und
Chorstühle für das Kirchenschiff angefer-
tigt. 1917 wurde das Dach der Seitenka-
pelle durch Schneemassen eingedrückt,
Kirche und Kreuzweg befanden sich in
einem desolaten Zustand. 1928 erfolgte
eine Behebung der Putzschäden, Neufär-
belung, Erneuerung der eingestürzten Ein-
friedungsmauer und Sanierung des Kalva-
rienberges.
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1993 bis 1998 wurde die bis-
lang letzte Gesamtrestaurierung der
Kirche durchgeführt (Erneuerung der
Schindeldeckung, Trockenlegung des Mau-
erwerks und Behebung der Putzschäden,
Einbringung einer Rollierung und Verlegung
neuer Bodenplatten in der Marienkapelle,
Neufärbelung der Fassade, Freilegung und
Retuschierung des Christophorusfreskos
und der Renaissancemalereien, Restaurie-
rung des künstlerischen Inventars)
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:
Charakterisierung des Objektes
Die parallel zur Talachse über einem
rechteckigem Grundriss errichtete Kirche
weist einen nicht abgesetzten, dreiseitig ge-
schlossenen Chor auf und wird von einem
steilen, schindelgedeckten Satteldach mit
gemauertem Dachreiter gedeckt. Bergseitig
befinden sich die sekundär angefügte,
ebenfalls polygonal geschlossene Seiten-
kapelle und die daran anschließende,
zweigeschoßige Sakristei, die beide einen
senkrecht verbretterten Kniestock aufwei-
sen und von einem Pultdach gedeckt wer-
den. Der mit welscher Haube über
Dreiecksgiebelverdachungen abgeschlos-
sene und von einem Spitzhelmaufsatz be-
krönte Dachreiter zeigt geputzte Faschen
und Gesimse und weist rundbogig ge-
schlossene Schallöffnungen auf. In den
vierpassförmig gerahmten Feldern des
durch ein Fasche vom Glockengeschoß ab-
gesetzten Turmansatzes findet sich ein ge-
maltes Wappen des Pflegers Christoph An-
dreas Hofstetter (1681 bis 1703)
14
: ein
längs geteilter Schild, der in der rechten
Hälfte einen Flügel, in der linken einen
aufsteigenden Schrägbalken zeigt. Das
Spitzbogenportal an der Westfassade
wird von einem doppelt gekehltem Tuff-
steingewände gerahmt, das neugotische
Türblatt ist maßwerkartig aufgedoppelt. An
der Südfassade befindet sich ein den hl.
Christophorus darstellendes Fresko, eine
kraftvolle, in den Proportionen etwas derb
wirkende, farbenkräftigte Komposition
mit bewegtem Umriß aus der ersten Hälfte
des 18. Jahrhunderts. An derselben Stelle
dürfte sich bereits eine gotische Christo-
phorusdarstellung befunden haben, die je-
doch 1705 so schadhaft war, dass die Visi-
tationskommission entschied: „aut renove-
tur aut deleatur“ (= entweder muss es
renoviert oder entfernt bzw. übertüncht
werden)
15
. Die Sakristei weist ebenfalls ein
Spitzbogenportal an der Ostseite auf, das
sekundär aufgeführte Obergeschoß wird
durch Rechteckportal mit gemauerter
Freitreppe erschlossen. Die Gliederung der
in gebrochemWeiß gefärbelten Fassade er-
folgt durch ockerfarbene Eckquadern, die
die Mauerkanten akzentuieren. Ursprüng-
lich wies die Kirche eine putzsichtige Fas-
sade mit braungelben Eckquadern auf, das
heutige Erscheinungsbild mit weißer
Nullfläche und ockerfarbener Architektur-
gliederung verdankt sie der Wiederherstel-
lung der barocken Interpretation anlässlich
der letzten Restaurierung
16
:
Der den Gestaltungsprinzipien der
Spätgotik verpflichtete schmale, hohe
Innenraum der Kirche zeigt ein zweijo-
chiges Langhaus mit Sternrippengewölbe
über konsolartigem Anlauf, an das der
durch einen spitzbogigen Triumphbogen
getrennte, nicht abgesetzte, ebenfalls mit
einem Sternrippengewölbe versehene
einjochige Chor anschließt. Die recht-
winklig angefügte und zum Langhaus
rundbogig geöffnete, dreiseitig geschlos-
sene einjochige Seitenkapelle ist mit
einem einfachen Kreuzgratgewölbe verse-
hen, das auf profilierten Gesimsstücken
aufliegt und stukkierte Rosetten in den Bo-
genzwickeln der Apsis zeigt. Den Zugang
zur neugotischen hölzernen Empore er-
schließt ein gewendelter, gemauerter
Treppenaufgang, die dreiteilige Maß-
werkbrüstung ist mit einem lanzettförmi-
gen Vierpassmotiv versehen.
Künstlerische Ausstattung
Ihre kunsthistorische Bedeutung ver-
dankt die Kirche der reichen, in Secco-
technik ausgeführten Renaissanceaus-
malung, die um 1620 entstand und als sin-
guläre Erscheinung zu werten ist, da die
Renaissance als Hofkunst im Lande
keine Breitenwirkung fand. Obwohl be-
reits 1917 entdeckt, konnten die Malereien
erst 1996/97 im Zuge der Innenrestaurie-
rung der Kapelle freigelegt und im Fehl-
stellenbereich zur Erhöhung der Lesbar-
keit retuschiert werden. Die Malereien be-
stechen durch die kräftige, vorwiegend in
den Tönen Ocker, Blau und Grün gehal-
tene Polychromie und sind wohl von
einem heimischen Maler nach dem Vor-
bild zeitgenössischer Stichvorlagen ge-
schaffen worden. Sämtliche Rippen sind
mit schräg gesetzten, farblich alternieren-
den Schraffuren versehen, die einzelnen
Gewölbefelder zieren Arabeskenmotive,
die einen symmetrisch angelegten Aufbau
zeigen und drei verschiedenen Dekora-
tionssystemen zugeordnet werden können.
Im Presbyterium und beiderseits der
Mittelachse des Langhauses finden sich
rautenförmige Gewölbefelder, die in den
Zwickeln Tulpensträuße, Blütenbou-
quetts, von volutenförmig angelegten
Akanthusschnörkeln umrahmte Frucht-
bouquetts (mit Äpfeln und Birnen), darauf
wieder ein Füllhorn mit Fruchtbouquett
(diesmal mit Trauben, Äpfeln und Rosen-
blüten), das von zwei sitzenden Putten ge-
halten und von zwei c-förmig angelegten
Akanthusranken überfangen wird, zeigen.
O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
68. Jahrgang –– Nummer 3
Teilansicht des spätgotischen Gewölbes mit den Renaissancemalereien aus der Zeit um
1620, für die es in Tirol kein Vergleichsbeispiel gibt.