Seite 3 - H_2002_07-08

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Nummer 7-8 – 70. Jahrgang
O s t t i r o l e r H e i m a t b l ä t t e r
Zecken sind nur eine von vielen Grup-
pen der Milben, also Spinnentieren mit 8
Beinen, meist unter 2 mm, wenig Körper-
gliederung, Bestimmung nur mit Spezial-
literatur und durch Spezialisten; weltweit
etwa 40.000 Arten, in Mitteleuropa noch
mehrere 1.000. Wichtige Bodenzersetzer,
Vorratsschädlinge, auch parasitisch an
Pflanze, Tier und Mensch.
Viele Monate lang kann der Holzbock
(= Schildzecke) an Gräsern und Zweigen
warten, er registriert Temperaturänderun-
gen von Hundertstel Grad, wittert den
Schweißgeruch des Menschen und wird
vom ahnungslosen Spaziergänger im
warmen Frühling abgestreift und schon ist
er am Körper. Das kann auch ein Tier sein:
Mäuse, Hirsche, Igel, Pferde, Hasen, auch
Haustiere und sogar Eidechsen.
Gestochen wird erst nach genauer Platz-
wahl an einer dünnen Hautschicht. Das
Weibchen schneidet eine kleine Wunde
und senkt dann den mit Widerhaken be-
wehrten Stechapparat, das Hypostom, in
die Haut. Er sticht keine Blutgefäße an,
sondern schlürft in einer kleinen Höhlung
die zusammenrinnenden Säfte der Haut,
eine kleine Blutlache (Poolsauger). Der
Vorgang dauert drei bis zwölf Tage, dabei
nimmt das Tier um das 100 bis 200fache
zu und erreicht bis zu 12 mm. Der Zeck
pumpt zugleich mit seinem Speichel eine
betäubende Substanz in die Haut, sodass
das Opfer nicht merkt, was da passiert.
Das Problem ist dabei, dass mit dem Spei-
chel mehr als 50 Viren und Bakterien in
den Körper des Opfers gelangen. In unse-
ren Gegenden meist das Bakterium Borre-
lia burgdorferi (Borreliose) und das
FSME-Virus (Zeckenencephalitis, Früh-
sommer-Hirnhaut-Entzündung).
Während des Saugens wird das Weib-
chen vom Männchen befruchtet, dann lässt
es sich zu Boden fallen, legt in der oberen
Erdschicht mehrere Tausend Eier und
stirbt dann.
Wanderer, vor allem Kinder, sollten da-
heim am ganzen Körper abgesucht werden,
wobei auf die Verbreitung der Zecken im
Wandergebiet zu achten wäre. Die Verseu-
chung der Milben mit Borreliose-Bakterien
beträgt nur 20 bis 30 %. Im Jahre 1975 im
Städtchen Lyme (USA) als Arthritis kon-
statiert, erst sieben Jahre später als Lyme-
Borreliose genauer beschrieben. Die an
der Stichstelle auftretende Wanderröte
(Erythema chronicum migrans) ist ein
wichtiges Symtom, fehlt aber manchmal.
Die Erkrankung ist mit Antibiotika gut heil-
bar, allerdings am besten im Anfangssta-
dium. Einen Impfstoff gibt es noch nicht.
Der Krankheitsverlauf ist sehr vielfältig:
Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen (dann
vom Laien irrtümlich als Sommergrippe ein-
gestuft), viel später können Herz, Leber,
Augen, Nervensystem mit vielen verschie-
denen Folgen befallen werden.
Nur etwa 0,1 bis 1 % der Zecken über-
tragen das FSME-Virus, in Österreich vor-
wiegend im Osten und Südosten, aber auch
in Tirol. Die Inkubationszeit ist lang: 7 bis
14, maximal 28 Tage, dann treten Fieber,
Abgeschlagenheit, Kopfweh (wieder als
Sommergrippe fehldiagnostiziert), Magen-
und Darm-Beschwerden über drei bis vier
Tage. Nach acht Tagen leiden 10 % der Ge-
stochenen an Entzündungen der Hirnhaut
und des Gehirns mit bleibenden Schäden, 1
% der Patienten stirbt. Vorbeugend bei
Waldarbeitern, allen Wanderern, älteren
Menschen usw. und in verseuchten Gebie-
ten ist eine Impfung zu empfehlen.
Werden Milben am Körper entdeckt, so
ist unbedingt zu beachten: das Heraus-
drehen ist eine „Legende“, die Wider-
haken sind ja nicht spiralig angeordnet,
und das Tier soll man auf keinen Fall am
ganzen Körper fassen, weil dann die Spei-
chelmasse erst recht in vollem Umfang in
die Stichstelle gelangt. Das beste ist ein
Erfassen vorne an der Haut hinter dem Ze-
ckenkopf mit einer spitzen Pinzette oder
langen Fingernägeln, notfalls durch einen
Arzt. Alte Ratschläge sind zu vergessen:
Öl, Nagellack, Vaseline, Alkohol usw.;
dabei wird dem Holzbock ganz übel und er
speit alle Sekrete samt Bakterien und
Viren wieder in die Wunde.
In Österreich erkrankten 1991 nach Zei-
tungsberichten 50 Personen an FSME. In
Tirol acht, Steiermark 16, Oberösterreich
18, Niederösterreich acht. In allen Fällen
von Verdacht auf die angegebenen
Krankheiten ist der Arzt aufzusuchen. Die
Angaben in dieser kurzen Form erheben
keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Der Holzbock in Osttirol:
Die Aufsammlungen erfolgten nicht sys-
tematisch, wohl aber im Laufe von ca. 20
Jahren. Viele Mitteilungen und eigene
Funde am Menschen, aber auch Haushund
und Hauskatze; höchste Vorkommen sind:
Lesachtal: Niedermoor Schwalen bei Lei-
ten/Obertilliach 1.430 m; Schobergruppe:
Raner Alm 1.850 m; Lienzer Dolomiten:
Kreithof 1.050 m; Thurn bei Lienz:
Tschule Alm 1.420 m; die obere Verbrei-
tungsgrenze ist damit aber nur angedeutet,
also von Tallagen bis zur Waldgrenze. –
Verteilung nach Tälern: Lesachtal: Schwa-
len/Obertilliach; Drautal: Mittewald,
Burgfrieden; Iseltal: Ainet, Schlaiten,
Gwabl, Kienburg, Brühl, Glanz, Matrei;
Lienzer Talboden allgemein verbreitet von
Leisach bis Nörsach, Lavant bis Iselsberg
und Plon, von Kreithof und Raner Alm.
Vorkommen nach Monaten: März bis Sep-
tember (Weibchenzahl/Männchenzahl):
März (1/0), April (1/2), Mai (41/27),
Juni (22/22), Juli (13/11), August (3/3),
September (1/1). – Starkes Auftreten vor
allem in den Monaten Mai, Juni, Juli,
überwiegend Weibchen! Mehrere weitere
Arten aus dieser parasitischen Milben-
gruppe werden hier nicht angegeben, und
viel ist auch noch nicht bekannt.
Alois Kofler – Naturkundliche Raritäten aus Osttirol
Der Holzbock (Ixodes ricinus),
keine gewöhnliche Zecke
Weibchen, vollgesogen.
Männchen.
Weibchen.