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O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
70. Jahrgang – Nummer 7-8
beliebt und bekannt. Seit 1876 war er Mit-
glied des Alpenvereins, Sektion Bozen. Er
erwarb sich dort eine geachtete Ausnah-
mestellung, und dank seiner Anregungen
entstanden viele Wege und Hütten. Er war
ein hervorragender Felsenkletterer, liebte
das Alleingehen und machte vor allem in
den Dolomiten viele Erstbesteigungen.
Am 2. Juli 1880 bezwang er im Allein-
gang den großen bis dahin unbesiegten
Schlernzacken, welcher seither als Sant-
nerspitze seinen Namen trägt. Über 400
mal, zuletzt 1911, war er auf dieser Spitze.
Santners anerkanntes Verdienst war es,
dass Bozen um diese Zeit zum Bergstei-
ger-Stützpunkt für viele junge Alpinisten
vom ganzen Alpenraum wurde. Somit war
er der Pionier für den nun aufstrebenden
alpinen Fremdenverkehr der westlichen
Dolomiten.
Nach wenigen Krankheitstagen verstarb
der markante Altmeister Johann Santner
am 21. Mai 1912 in Bozen und liegt dort
begraben.
Zu seinem diesjährigen 90sten Todestag
würde es dem Bergpionier zustehen,
wenn das geplante Zentrum der Alpen-
konvention in Bozen zu seinen Ehren an-
gesiedelt würde.
Der zweite Bergsteiger war sein Cousin
Thomas Oberwalder (geb. 5. Mai
1858)
als siebtes von zehn Kindern des
Chrisant Oberwalder (geb. 1817) und der
Marianna Stemberger in der Oberleiten 8
in St. Jakob i. D. Sein Vater Chrisant er-
warb 1860 das Gut Außerhirbe von Peter
Stemberger (geb. 1803), dem Bruder sei-
ner Frau, wo Thomas Oberwalder auf-
wuchs. Sein jüngster Bruder Johann (geb.
1865) übernahm später den Bauernhof
Außerhirbe. Peter Stemberger zog mit sei-
ner Familie nach Innsbruck und war dort
Hutfabrikant.
Da sein Vater von Rauth in St. Veit i. D.
abstammte und viele St. Veiter Huthändler
oder Hutfabrikanten waren, so auch die
Oberwalder, war sein Berufsweg schon
vorgegeben.
Aus kleinen Anfängen emporstrebend,
brachte es Thomas zu einem der größten
Wiener Stroh- und Filzhutfabrikanten. Er
war verheiratet, die Ehe blieb aber kinder-
los.
Sein Neffe war der bekannte Dr. Oskar
Oberwalder, Kunsthistoriker im Bundes-
denkmalamt.
Als Mitglied der alpinen Sektion Austria
des DÖAV war er ein bekannter Hoch-
tourist mit viel Erfahrung. Auch er war ein
Einzelgänger mit vielen Erstbesteigungen,
unter anderem in den Lienzer Dolomiten.
Den Montblanc, das Matterhorn und die
Jungfrau hat er allein bestiegen, ohne Füh-
rer und Begleiter. Weiters war er ein Welt-
reisender und immer voller Tatendrang
nach den Berggipfeln dieser Länder.
Er zog sich schon frühzeitig von seinen
Geschäften zurück, um sich als Privatier
nur noch seinen geliebten Bergen und Rei-
sen zu widmen, so wie es sich tüchtige
Defregger zum Ausgang des 19. Jahrhun-
derts leisten konnten, da sie ihre Jugend
und besten Mannesjahre intensiv für die
Geschäftsentwicklung genutzt hatten.
So kam Oberwalder am 2. März 1906
nach Heiligenblut, nachdem er vorher im
Gebiet des Großvenedigers mehrere Ski-
touren allein unternommen hatte. Er brach
am gleichen Tag allein bei mäßiger Witte-
rung zu einer Skitour auf, obwohl ihm
davor wegen des Wetters abgeraten wurde.
Er hatte aber wieder eine größere Reise von
Wien aus vor, und wollte somit nicht länger
zuwarten. Er nächtigte zum 3. März auf der
Hofmannshütte, das Wetter war schlecht, so
trat der leidenschaftliche Hochtourist bei
ungünstiger Witterung seinen Rückweg
nach Heiligenblut an. Eine Staublawine
wurde ihm auf der Franz-Josefs-Höhe zum
tödlichen Verhängnis. Die Suchmann-
schaft fand Thomas Oberwalder am 5. März
1906 auf dem Pasterzengletscher unter einer
ein Meter dicken Neuschneeschicht. Sie
transportierten ihn nach Heiligenblut, von
wo aus er nach Wien überführt und dort am
Zentralfriedhof im eigenen Familiengrab
beigesetzt wurde.
Mit einem von Thomas Oberwalder der
AV-Sektion Austria hinterlassenen Legat
wurde später die nach ihm benannte Ober-
walderhütte in der Glocknergruppe in den
Jahren 1908 bis 1910 erbaut und am 15.
August desselben Jahres eingeweiht.
Besondere Informationen über
die beiden Bergsteiger Johann Santner
und Thomas Oberwalder:
St. Jakober Familien, die als Uhrenhänd-
ler zu Santners Zeiten tätig waren bzw.
noch sind, heißen Ladstätter, Leitner,
Erlsbacher, Gasser, Kröll und Unterkircher.
St. Veiter waren hingegen meist im Hu-
thandel tätig. Deren bekannte Namen
waren auch Ladstätter (von St. Jakob zu-
gezogen), Stemberger, Mellitzer, Ober-
walder, Veider, Tegischer, Kurzthaler
Großlercher und Kleinlercher.
Maria Stemberger (geb. 1805) und Mari-
anna Stemberger (geb. 1819) waren
Schwestern. Ihr Vater Peter (geb. 1763), ver-
heiratet mit Ursula Kröll, wurde Eidem und
Bauer auf der Eggen in St. Jakob, stammte
aber aus St. Veit. Sein ältester Sohn Johann
(geb. 1800), verheiratet mit Katherina Sant-
ner, nahm den Hausnamen wieder mit nach
Bruggen in St. Veit, wo der Bauer fortan bis
heute Stemberger vulgo „Eggen“ heißt.
Der Sohn Franz (geb. 1809) war Tisch-
lermeister, er entwarf und fertigte die
heute noch bewundernswerten Kirchen-
bänke in der Pfarrkirche in St. Jakob i. D.
Einzigartig ist sicher auch, dass beide
Bauernhäuser, wo die Bergsteiger Santner
und Oberwalder ihre Kindheit verbrachten,
nach 150 Jahren durch glückliche Um-
stände völlig unverändert bestehen und
von Nachfahren im Besitz sind.
Beim Santner wurde der Schreibname
der heutigen Besitzer durch Eidems Ein-
heirat auf Ladstätter vulgo „Gourler“ ver-
ändert und von dessen Nachfahren be-
wirtschaftet.
Beim Oberwalder ist der Großneffe des
Thomas Oberwalder – Paul Oberwalder –
Besitzer. Dieser kümmert sich liebevoll
um die althergebrachte Erhaltung und ist
um eine Bereicherung der Kulturland-
schaft bemüht.
Familiengrab Oberwalder in Wien/
Zentralfriedhof.
Thomas Oberwalder (1858 – 1906).
Johann Santner (1841 – 1912).