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OSTTIROLER
NUMMER 3/2012
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HEIMATBLÄTTER
Tychaninn – d(er) Fliehenham(er) – di Laz-
zerini – d(er) Lang Rüpel – Pertel – Dyemel
am g(ra)ben von zwain Hewse(rn).
Die Abgaben waren der Höhe nach gestuft
und können natürlich nicht in die heutige
Währung umgerechnet werden. Interessant
ist, dass sich nicht wenige Frauen unter den
Hauseigentümern befunden haben, wobei
leider nicht festzustellen ist, ob diese Wit-
wen oder unverheiratete „Singles“ waren.
Bei einemVergleich mit der Schweizer-
gasse zeigt sich, dass diese fast doppelt so
lang war. Während in der Meraner-Mes-
singgasse 29 Häuser nachzuweisen sind,
listet das Verzeichnis für die Schweizer-
gasse 53 Häuser auf.
In der „Mustrung ob Luncz“ von 1410, sind
die „Messinggassler“ nicht fassbar. Die Gasse
selbst ist nicht ausgewiesen und Namen, wie
sie bei der Georgensteuer 1387 aufgelistet
waren, kommen hier nicht vor. Immerhin
waren inzwischen 23 Jahre vergangen.
Wie bekannt, ist der letzte Lienzer Stadt-
herr und Landesfürst aus dem Haus Görz im
Jahr 1500 gestorben. Der „Universalerbe“
nach Graf Leonhard war der Römische
König Maximilian I., der spätere Kaiser und
seit 1490 bereits Tiroler Landesfürst. Er ver-
einigte das Pustertal mit Lienz mit der Ge-
fürsteten Grafschaft Tirol. Durch die Errich-
tung der erweiterten Stadtmauer, die erst in
den Jahren nach 1500 fertig gestellt worden
ist, wurden die beiden Vorstädte Schweizer-
gasse und Meranergasse noch mehr als bis-
her von der inneren Stadt abgeschottet.
Aus dem 16. Jahrhundert besitzt man kein
durchgehendes Häuser- oder Einwohner-
verzeichnis, die Meranergasse betreffend.
Eine wertvolle historische Quelle ist die Pu-
stertaler Beschreibung von 1545, ein Ver-
zeichnis aller Steuern, Zinse und Zehente,
also aller Abgaben, die an Geistlichkeit,
Adel, Institutionen und verschiedene Per-
sonen abgeliefert werden mussten.
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Zu den
meisten städtischen Häusern gehörte auch
eine Landwirtschaft, wobei die zugehörigen
Felder sich oft weit abseits des eng verbau-
ten Bereiches befanden. Nur in wenigen
Fällen lassen sich die angeführten Personen
der Meranergasse zuordnen:
Jörg Stubenvoll gibt an, dass er einen
Acker, eineinhalb Arl groß imAichholz be-
sitze, davon zinst er der St. Andreas Pfarr-
kirche; der Zehent gehöre zur Hälfte dem
Pfarrer von Tristach, zur anderen Hälfte
dem Lienzer Stadtspital.
Stefan Schneider zinst „von ain Heussl“
nur der Herrschaft Lienz.
Augustin Rainer, Kürschner, hat zwei
Tagmahd „am Ghreutten“ (Kreithhof?) ge-
legen, davon zinst er dem Prior des Karme-
litenklosters 2 Gulden, der Zehent hingegen
war dem Lienzer Stadtspital zu entrichten.
Hinsichtlich der sozialen Struktur der Be-
wohner der Meraner Gasse lässt sich nach
den erhaltenen Häuserlisten und Steuerre-
gistern, die an Zahl im 17. Jahrhundert stark
zunehmen, sagen, dass hier immer Bürger,
Inwohner und Taglöhner nebeneinander ge-
wohnt haben. Heute kennt man eine solche
Unterscheidung nicht mehr, in früherer Zeit
war sie schon deshalb wichtig, da die Be-
zeichnungen einen jeweils verschiedenen
sozialen Status ausdrückten und damit wie-
der mit verschieden gearteten Rechten und
Pflichten in Zusammenhang standen.
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Zu den Voraussetzungen, das Lienzer Bür-
gerrecht zu erhalten, gehörten u. a. der Nach-
weis der ehelichen Geburt und einer gediege-
nen Berufsausbildung sowie der Besitz eines
sog. Burglehens, eines weit zurückreichenden
Hauses, ursprünglich ziemlich sicher in lan-
desfürstlichem Besitz. Überdies musste eine
beträchtliche Geldsumme bezahlt werden.
Mit der Bezahlung der Einschreibgebühr,
dem geleisteten Bürgereid und der Eintragung
ins „Bürgerbuch“ war man „Vollbürger“. Die
Bürger besaßen das aktive und passive Wahl-
recht. Sie wählten aus ihrer Mitte den Stadt-
richter bzw. den Bürgermeister. Jeder Bürger
konnte in dieses Amt gewählt oder zum „Bür-
ger des Rats“ bestellt werden, vergleichbar
mit dem heutigen Gemeinde- und Stadtrat.
Das Bürgerrecht war erblich, es ging vom
Vater auf die ehelichen Söhne über. Der Weg,
zum Bürgerrecht zu kommen, war verein-
facht, wenn man eine Bürgerstochter oder die
Witwe eines Bürgers heiratete.
Die Bürgerhäuser, die einen erheblichen
Teil der städtischen Behausungen aus-
machten, beschränkten sich nicht nur auf
die Altstadt innerhalb der Stadtmauern,
sondern waren auch über die beiden Vor-
städte Schweizer- und Meranergasse ver-
teilt, weniger über den Rindermarkt und
kaum über die Rotten Kalkgrube (Defer-
eggerstraße) und Forchach (Schlossgasse).
Die „Inwohner“ hatten zwar dieselben
Pflichten wie die Bürger und genossen
ebenfalls den Schutz des städtischen Ge-
meinwesens, sie besaßen aber weder das
aktive noch das passive Wahlrecht für die
städtischen Ämter, weshalb nur die Bürger
die Politik der Stadt bestimmten. Die In-
wohneraufnahme war einfacher als bei den
Bürgern und weniger kostspielig. Neben
einer Gebühr musste nur ein lederner Was-
sereimer als Feuerlöschrequisit abgeliefert
werden. Die Inwohner entrichteten auch
eine jährliche Abgabe an die Stadt. Man-
chem Lienzer gelang es, über den Umweg
der Inwohnerschaft doch zum Vollbürger
aufzusteigen.
Eine erhebliche soziale Gruppe waren
die Taglöhner, die keinerlei politisches
Mitbestimmungsrecht besaßen. Sie wohn-
ten hauptsächlich in den kleinen sog. Söll-
häusern, einfachen, durchwegs nur eben-
erdigen Häusern, ohne jeden Komfort.
Die Gründung eines Messingwerks
Ein wesentlicher Wandel für die Meraner-
gasse bahnte sich nach der Mitte des 16. Jahr-
Seite 11 aus der Steuerbeschreibung der
Stadt Lienz aus dem Jahr 1387, auf der das
Verzeichnis der Steuerpflichtigen in der
Meranergasse beginnt, die hier nur als
„Die and(er) gazz vor d(er) stat“ bezeich-
net wird. (Innsbruck, Tiroler Landesarchiv)
Rep.: Tiroler Landesarchiv
Produktionsstufen der Messingherstellung auf einem Ölgemälde eines unbekannten
Künstlers, 84 x 111 cm, 1763. Es bezieht sich zwar auf das Messingwerk Reichraming
im Ennstal, doch hat sich dieser Ablauf in jedem Messingwerk, so auch in Lienz, in glei-
cher Weise abgespielt. (Benediktinerstift Seitenstätten, NÖ)
Foto: M. Pizzinini