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Die Grafen von Görz gründeten gegen
1200 in der Talebene im Mündungsdreieck
zwischen Isel und Drau eine ritterständische
Ansiedlung, die als Burgum bezeichnet
wird.
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Vor dem im Westen gelegenen Mit-
tertor entwickelte sich eine bürgerliche An-
siedlung, der heutige Johannesplatz, nach
der endgültig 1815 abgebrochenen Kirche
benannt. Von diesem Platz zweigten einige
Wege ab, die zu beiden Seiten mit Häuser-
zeilen bebaut wurden. Alle mittelalterlichen
Straßenverläufe bestehen heute noch. Die
wichtigsten Gassen zogen sich nach Westen
hin, zur Pfarrbrücke als Übergang zur Pfarr-
kirche St. Andrä und – weiter südlich – in
Richtung Pustertal. Zum Schutz des städti-
schen Zentrums mit dem heutigen Haupt-
platz und dem Johannesplatz ist zu Beginn
des 14. Jahrhunderts im Westen zwar noch
nicht eine Mauer errichtet worden, aber
immerhin ein Graben, wohl mit einem
Palisadenzaun geschützt. Dieser Graben
nahm beim Turm des Geschlechtes der Am-
lacher in der Nähe der Drauwiere seinen
Anfang und führte nordwärts zur Isel. Erst
in den Jahrzehnten um 1500 errichtete man
eine massive Mauer als Befestigungsanlage.
Ab dem Graben entwickelten die beiden ge-
nannten Gassen einen eigenen Charakter,
was sich schon darin ausdrückt, dass sie –
neben dem Rindermarkt (Beda Weber-
Gasse) – als Vorstädte bezeichnet wurden.
Die Meraner- bzw. Messinggasse
im Mittelalter
Die Bewohner dieser beiden Gassen,
schon längst als Schweizer- und Messing-
gasse bezeichnet, sind erstmals schriftlich
erfasst im Jahr 1387 und zwar im Verzeich-
nis der abzuliefernden St. Georgen-Steuer.
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Es scheint, dass die beiden Gassen zu die-
sem Zeitpunkt noch gar keine Bezeichnung
trugen, denn im Verzeichnis ist die eine
Gasse überschrieben mit „Gen vrawnchlo-
ster die gazze“, also die Gasse gegen das
Frauen- bzw. Dominikanerinnenkloster, und
die zweite mit „Die and(er) gazz vor d(er)
stat“. Auch die Görzer Musterliste von 1410
kennt noch nicht die beiden Gassennamen.
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Erst imVerlauf des 15. Jahrhunderts dürften
sich die Bezeichnungen Schweizergasse und
Meranergasse gebildet haben. Der Name
dieser Gasse kommt wohl davon, dass in
ihrer natürlichen Fortsetzung der Weg in
Richtung Pustertal zur Bischofsstadt Brixen
und weiter in die alte Hauptstadt der Graf-
schaft Tirol, nach Meran, führte. Erst im 19.
Jahrhundert wurde die Bezeichnung „Mes-
singgasse“ offiziell.
Sind auch die zur Abgabe der Georgen-
steuer Verpflichteten einzeln angeführt, so
handelt es sich um diese Zeit noch nicht um
Familiennamen im heutigen Sinn, vielmehr
scheint meistens der Vorname und eine Be-
rufsbezeichnung auf oder eine Bezeich-
nung, die auf die Herkunft verweist. Es ist
nicht möglich, diese Namen den jeweiligen
Häusern, die sie bewohnten, zuzuordnen. –
1387 scheinen folgende Bezeichnungen
auf, buchstabengetreu transkribiert:
stristel amg(er)lin
[? als Nachtrag]
– die
Daneydinn – des Zahers hoffstat – Nikleins
füdr(er)s haws – d(er) Gaystleich von zwain
hews(er)n – Jörg Fleischh(acker) – Hensel
öbsler – Hensel Mawr(er) – Chrewz(er) im
Chranist – der Rewt(er) – di alt Chranestinn
– der Göler – d(er) Haibach(er) – Swäbel
Schust(er) – Hanns achtsen…
[? Als Nach-
trag]
– Messrerinn – Hensel pint(er)inn sun
– Chranest – di Villach(er)nn – d(er)
Zach(er) – d(er) Polaninn Haws – die
NUMMER 3/2012
80. JAHRGANG
OSTTIROLER
HEIMATBLÄTTER
H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “
Meinrad Pizzinini
Die Lienzer Messinggasse
Das ehemalige Messingwerk – Der moderne Lienzer Stadtmarkt
Die Lienzer Meraner- bzw. Messinggasse, Ausschnitt aus der ältesten erhaltenen Ansicht von Lienz, 1606/1608, als Beilage zum Ge-
schichtswerk „Der Tiroler Adler“ von Mathias Burgklechner. Links ist der Amlacherturm an der SW-Ecke des erweiterten Mauerrings
zu sehen. Rechts, am Ende der Gasse, sind die Gebäude des Messingwerks zu erkennen, die Gusshütte, die Hammerwerke, das Schab-
haus (Beizkuchl) und das massive Verwaltungsgebäude. Dahinter zieht sich als blauer Streifen die Drauwiere hin.
(Wien, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Kartensammlung)
Foto: Fotoarchiv Meinrad Pizzinini