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O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
70. Jahrgang – Nummer 12
ßerung der Kirche im 14. Jahrhundert
widerlegt ist. Urkundlich wird St. Georg
erstmals im Zusammenhang mit einer Kir-
chenweihe im Jahr 1366 erwähnt
5
: Bischof
Heinrich von Lavant bestätigt, mit Erlaub-
nis des Erzbischofs Pilgrim von Salzburg
am Fest der hl. Cäcilia (22. November)
1366 die Filialkirche St. Georg in „Chals“
mit einem Altar eingeweiht zu haben.
Der langrechteckige Raum mit leicht
eingezogenem halbrunden Chor wurde
1872 in so ferne verändert als im Langhaus
ein Tonnengewölbe eingebaut worden ist
und der Chor neben einer Erhöhung eben-
falls eine Einwölbung erfahren hat. Vorher
war der Blick in den Dachstuhl offen.
In den Jahren 1964 und 1994/1995 wur-
den in St. Georg archäologische Grabungen
durchgeführt. 1964 wurden nach außen
weisendes Mauerwerk und in einer Brand-
schicht unter dem romanischen Mörtelfuß-
boden frühgeschichtliche Tonscherben
sowie eine eindeutig datierbare Scherbe mit
eingestempeltem Rädchenmuster des 7.
Jahrhunderts n. Chr. gefunden
6
. – Die
Untersuchungen von 1994/1995
7
erbrach-
ten ebenfalls interessante Erkenntnisse. Im
Fundamentbereich der Kirche entdeckte
man Marmorspolien, die aus einem Rui-
nenfeld stammen dürften. Kleinfunde,
hauptsächlich Keramik, weisen auf eine
Siedlungstätigkeit von der frühen römi-
schen Kaiserzeit bis in die Spätantike bzw.
das Frühmittelalter hin. Ein unmittelbarer
Vorgängerbau als Sakralraum konnte je-
doch nicht aufgefunden werden.
Die legendenhafte Vita des hl. Georg
Aus dem Leben des hl. Georg ist ledig-
lich bekannt
8
, dass er aus Kappadokien in
Kleinasien stammte, im römischen Militär
diente und unter Kaiser Diokletian (284
bis 305) zu hohen Ehren gelangte. Als
Christ verfolgt, musste er im Jahr 303 in
Nikomedien oder zu Lydda verschiedene
Martern erdulden, bis sein Leben durch
Enthauptung ein jähes Ende fand.
Von den griechischen Christen wurde
Georg gleich schon als „Erzmärtyter“ ver-
ehrt, während sein Kult im Westen, in Rom,
ab 683 nachzuweisen ist. Das große Interesse
an diesem Heiligen bewirkte, dass man über
ihn mehr wissen wollte, was wiederum die
Ausschmückung seiner Vita mit Legenden
und Sagen bewirkte, getragen von blühender
Phantasie. Es gehören sowohl der helden-
hafte Drachenkampf als auch die einfallsrei-
chen und grausamen Schilderungen seines
Martyriums nicht der historischen Wirklich-
keit an. Diesem Umstand Rechnung tragend,
wurde St. Georg im Zusammenhang mit
dem II. Vatikanischen Konzil (1962 bis
1965) aus dem Kanon der Heiligen gestri-
chen, was aber nicht bedeutet, dass an seiner
Existenz grundsätzlich gezweifelt würde.
Der Georgskult, vom Orient ausgehend,
erfasste bald auch das ganze Abendland, ja,
St. Georg wurde zu einem der beliebtesten
und am meisten verehrten Heiligen. Als
kriegerischen Heiligen sah man ihn in Ver-
bindung mit dem christlichen Heldentum.
Er wurde zum Idol des christlichen Ritters,
doch feierten ihn alle Stände geradezu en-
thusiastisch. Das Volk sah in ihm mehr den
einflussreichen Fürbitter in allen Nöten.
Mehrere Berufsgruppen erwählten ihn zu
ihrem Patron. Es ist bezeichnend, dass sein
Namensfest am 23. April, in vielen Diöze-
sen am 24. April gefeiert, besonders in frü-
herer Zeit z. B. als wichtiger Lostag für län-
gerfristige Wettervorhersage galt. Georgi
bezeichnete auch einen wichtigen Merktag
u.a. für den Abschluss oder die Einlösung
von Verträgen. Besonders im bäuerlichen
Bereich waren mit diesem Tag mehrere
Bräuche verbunden. Bedingt durch seine
große Popularität, wurde St. Georg unter
die Vierzehn Nothelfer aufgenommen,
deren Kult im 15. Jahrhundert aufblühte.
St. Georg wurde zum Patron mehrerer
Länder erkoren. Auch in Tirol wurde er als
Landespatron verehrt, bis er im 18. Jahr-
hundert vom hl. Josef abgelöst worden ist.
Die Landhauskapelle zu Innsbruck be-
wahrt allerdings immer noch das St.
Georg-Patrozinium.
Unter den Kirchenpatrozinien Tirols fin-
det sich St. Georg zwar häufig
9
, allerdings
nur dreimal im Zusammenhang mit
Pfarrkirchen, was auf eine noch geringe
Verbreitung dieses Patroziniums im
Frühmittelalter weist, da Kirchenpatrozi-
nien üblicherweise nicht geändert wurden.
Hingegen scheint St. Georg achtmal als
Patron von Burgkapellen und 36-mal von
Filialkirchen auf, wie eben auch in Kals.
Die Darstellung des hl. Georg
in der Kunst
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Entsprechend der späten Hinzufügung
der Legende vom Drachenkampf, kommen
solche Darstellungen im deutschen
Sprachraum erst im 13. Jahrhundert vor.
Vorher ist die Darstellungsart lange Zeit
von der byzantinischen Kunst beeinflusst.
Zunächst waren ausschließlich das Bildnis
in Friedenstracht, meistens mit Märtyrer-
palme, und als jugendlicher Ritter mit
Lanze üblich. – Beide Sujets findet man
z. B. in der von Kals nicht allzu weit ent-
fernten romanischen Kirche St. Nikolaus in
Matrei i. O.,
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in der oberen Kapelle des
Chorturms (St. Georgs-Kapelle) aus dem
dritten Viertel des 13. Jahrhunderts und auf
der westlichen Außenseite im Rahmen des
Die Filialkirche St. Georg in Kals a. Gr.
Foto: Meinrad Pizzinini
Rekonstruktion des spätgotischen St. Georg-Altars von Kals a. Gr. Die Berechnungen der Schreinmaße waren an Hand der Maße des
erhaltenen Flügels leicht festzustellen; Anfertigung der Zeichnung durch Peter Sölder (†), Lienz.