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Nummer 12 – 71. Jahrgang
O s t t i r o l e r H e i m a t b l ä t t e r
menschlichkeit ergibt, nach außen zu tragen
und eigentlich auch für den Betrachter zu
formulieren. Die bevorzugte motivische
Auseinandersetzung mit dem Thema Kör-
per beginnt für Michael Hedwig bereits
Mitte der 80er-Jahre und erfährt bis heute
als das aussagestärkste Sujet seine Ab-
handlung.
In den früheren Arbeiten betonte Hed-
wig in anscheinend solitär arrangierten
Handlungsszenen den reflektierten Blick
auf die Gleichzeitigkeit von Geschehnis-
sen, die für den Menschen selbst nur im
Gedankenspiel erlebt werden können.
„Ich betrachte die menschliche Form
als Resonanzkörper, die mit allem und
jedem in wechselhafter Wirkung steht.
Jede Schwingung tradiert sich in einem
Raummuster und hinterlässt in der be-
wussten Wahrnehmung ihre Spuren…“
Menschen, seriell oder als Einzelwesen
im Dickicht der Pinselstriche dargestellt,
sollen die Verbindung zwischen Realität,
visionärer Gegenwart und meditativen
Konzepten herstellen.
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Der Farbraum, in dem sich die Körper
heute zum Teil wiederfinden, manifestierte
sich allmählich aus einem wachsenden
Bedürfnis des Kunstschaffenden heraus,
sich der Dualität seiner Bildinhalte zu
stellen.
Die Farbe als Geistausdruck
Die anfänglich im dunklen Grundton ge-
haltenen Ölbilder akzeptierten nur zöger-
liche Farbreflexe. Erst am Beginn der
90er-Jahre findet bei Michael Hedwig
jener Prozess statt, der ihn den bereits er-
wähnten Dualismus, die Interaktions-
möglichkeit zwischen Form und Farbe er-
kennen lässt. Die Bereitschaft zur Ausein-
andersetzung mit der Energiewertigkeit
der Farbe und auch mit ihrer Assozia-
tionsabhängigkeit bietet dem Künstler die
Option, Einfluss auf die Aussagekraft
linearer Vorlagen zu nehmen.
„Der Körper verleugnet nicht den Geist,
sondern verkörpert ihn. Und die Farbe
durchdringt ihn als Geistausdruck.“
Damit stellt sich auch nicht mehr die
Frage, warum die Farben vom Künstler
ganz bewusst in „künstlichen“ Tönen ge-
halten werden und er seine Figurenstaffa-
gen gerade von dieser Farbigkeit um-
schließen lässt.
Tatsächlich zeigt uns Hedwig mit dem
Medium Farbe seinen ganz persönlichen
Zugang zur visuell erfahrbaren Gedan-
kenwelt.
Im Jahr 2000 erhielt Michael Hedwig für
das Projekt „Über Körper“ den Theodor
Körner-Preis. Radierungen, Lithogra-
phien und überarbeitete Druckgraphiken
aus dieser Serie wurden 2002 in acht inter-
nationalen Ausstellungsstätten in der Tür-
kei präsentiert. Im Katalog, der in diesem
Zusammenhang erschien, nimmt Günther
Dankl zu Hedwigs Farbaffinität Stellung.
„Michael Hedwigs Arbeiten sind von
Linie und Farbe im gleichen Maße ge-
prägt. Das Individuelle und das Existen-
zielle, das Gefühlvolle und das Emotio-
nelle finden in seinen Bildern gleichwerti-
gen Ausdruck.“
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Die ausgesprochen subtile Vermittlung
von Bildinhalten resultiert unter anderem
2000: „Über Körper 8“ aus dem Projekt
„Über Körper“, zwölf Radierungen, die
mit dem Theodor Körner-Preis aus-
gezeichnet wurden. Zwei Kupferplatten,
33 x 26,5 cm, mit der Auflage 30 + 3 + 3.
2003: „Körper“, Aquarell, 25 x 17,5 cm.
auch aus der Vielfalt der eingesetzten tech-
nischen Umsetzungsvarianten.
Neben dem Malen in Öl bzw. in Acryl,
dem Aquarell bis hin zur Collage und der
Zeichnung als konzeptueller Ausgangs-
punkt einer Arbeit, stellt die Auseinander-
setzung mit der technisch hochversierten
Druckgraphik eine besondere Herausfor-
derung dar.
Die Varianzbreite der Methoden und die
konträre Konsistenz der Materialien eröff-
net für Michael Hedwig die Möglichkeit,
neben dem Hintereinander von Arbeits-
schritten bzw. dem einhergehenden Mate-
rialwechsel, auch deren Gleichzeitigkeit in
seinen Arbeiten zuzulassen. Bereits 1986
wurde Hedwig beim 20. Österreichischen
Graphikwettbewerb mit dem ersten Preis
des Bundesministeriums für Unterricht
und Kunst ausgezeichnet.
In Zusammenarbeit mit der Lithogra-
phiewerkstatt Galerie Schloss Neuhaus in
Salzburg entwickelt Hedwig seit 1997 in
reger Kooperation mit den Lithographen
Klaus Wilfert und Steffen Tschesno eine
Reihe von Bildzyklen, die in ihrer anfäng-
lichen Monochromie mit farbigen Kom-
positionen bereichert werden.
Dazu zählen unter anderem 1997 die
Serie „Körper“, oder 1998 die bereits in
vier Farben und vier Steinen lithogra-
phierten „Leiter-Körper“. In diesem Jahr
konzipierte Hedwig auch die Vorlagen für
den Zyklus „Zelte“, in denen er mit noch
höheren Farbnuancen Präzision forciert,
die sich nicht nur im künstlerischen, son-
dern auch im kunsttechnischen Sinn her-
vorhebt. Auf diesem Niveau entstehen im
eigenen Atelier auch die Platten für eine
Reihe von Radierungen, die in ihrer Aus-
führung technische Prägnanz und inhalt-
liche Subtilität vereinen.
„Durch die Lithographie eröffnet sich
für mich ein anderer Zugang beim
Malen. Sie fördert nicht nur das analyti-
sche Denken, sondern sie lässt mich auch
die Farben transformierend wahrnehmen.
Die Geistesübung besteht darin, Schwarz
zu malen und Gelb zu denken.“
In Michael Hedwigs Bildern findet man
Menschen, die dicht aneinander gereiht
eine Form von Zeitlichkeit vermitteln. Die
Körper in ihrer Neutralität und nicht Zu-
ordenbarkeit zeigen uns den Moment einer
aktiven Abhandlung eines Geschehens,
eines Gedankenganges oder einfach nur
eines Zustandes, der explizit zwischen An-
fang und Ende steht. Licht und Schatten,
Linien und Flächen, formieren sich zu
einem Raumerlebnis, mit dem Ziel, die
Fluktuationsprozesse des menschlichen
Daseins erfahrbar zu machen. Die schein-
bar männlichen Körper, die doch eher als
asexuelle Wesen dominieren, bewegen
sich nicht auf grazilen Ebenen, sondern be-
tonen in beinahe archaischer Gestik Erd-
und Kosmosverbundenheit.
Jene Erdverbundenheit nahm der
Künstler 1993 in Anlehnung an eine Foto-
dokumentation über den berühmten russi-
schen Tänzer Vaclav Nijinskij (1890 bis
1950) in eine Serie von zwölf collagierten
und mit Graphit und Terpentin lavierte
Bleistiftzeichnungen auf.
Nijinskij suchte im Ausdruckstanz den
Weg zur Ursprünglichkeit und zur besag-
ten Erdverbundenheit, und Michael Hed-
wig interpretiert jene Choreographie des
genialen Tänzers mit Bewegungsmotiven,
in denen die Simultanität von Aktion und
Reaktion als Prinzip erfahrbar wird. Zu
diesem Thema folgen weitere Arbeiten in
Öl, in denen das Aussagemotiv mit sche-
menhaften Braun-, Rot- und Ockertönun-
gen im dazu verzögert kontrastierten Tanz-
akt assoziiert wird. Auch hier erscheint der
bereits von Nijinskij geforderte lineare
Bühnencharakter, der an sich als Antiken-
rezeption aufzufassen ist.
Kürzel und Wörter als Vermittler
zwischen den Ebenen
Immer wieder findet man in den Arbei-
ten von Michael Hedwig offensichtliche
„Botschaftsvermittler“, wie Pfeile, Wörter,
geflügelte Herzen, astrologiebezogene
Symbole und ähnliches.