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O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
71. Jahrgang – Nummer 12
17-jährige Hedwig bereits vor seiner
Studentenzeit den produktiven Kontakt
mit Professoren und Assistenten und
stellte sich vor dem Einreichen der Prü-
fungsmappe einem spannenden Diskurs.
„Anton Lehmden erkannte in meiner
eingereichten Mappe, dass ich reflektieren
kann und Bezüge aus vorangegangenen
Kunstgesprächen trotz der Eigenständig-
keit herzustellen vermag.“
1974 erreichte er schließlich als einer
der jüngsten Akademiestudenten die
Aufnahme in die Meisterschule bei
Anton Lehmden und verbrachte dort bis
zur Erlangung des Diploms 1980 ange-
regte Jahre der Modellierung zur eigen-
ständigen Künstlerpersönlichkeit, die
sich in der sogenannten „Selbstfindungs-
phase“ nicht verirrte und der Resignation
nachgab, sondern den Reifungsprozess als
Herausforderung akzeptierte.
„Die Studienzeit war geprägt von
dunklen, spärlich beleuchteten Akademie-
gängen, Vorlesungen am anatomischen
Institut bei Professor Giesl, der in seiner
Jugend für Albin Egger-Lienz Farben an-
reiben durfte.“
Die Ausbildung an der Akademie, 1979
und 1980 erhielt Hedwig den Meister-
schulpreis, basierte vorwiegend auf dem
freien Zugang zur Bildfindung und Motiv-
wahl. Anton Lehmden setzte die Diskus-
sion voran, dessen Strukturen aber wurden
von dem jungen Künstler erst später re-
flektiert. Mit 28 Jahren erhielt Hedwig an
der Akademie seine ersten Lehraufträge
und ist dort seit 1995 als Universitätsas-
sistent im Bereich der Druckgraphik ver-
pflichtet.
„Meine Lehrtätigkeit sehe ich in der
Rolle eines Vermittlers – weniger was
Kunst zu sein hat, als viel mehr in der
technischen Auseinandersetzung mit dem
Medium Druckgraphik. Wesentlich ist
auch, dass der Lehrer den Kunststudenten
bestärken und unterstützen soll, er selber
zu sein.“
Dem Außenstehenden offeriert sich
hier die interessante Laufbahn eines
Künstlers, der an sich in seinem gesell-
schaftlich konventionellen Rahmen mehr
als nur die Zeit zur Einkehr findet und in
seiner Kunst mehr sieht als Bekanntes und
Transportiertes. Auch der Betrachter
seiner Arbeiten kann sich nicht dem kon-
templativen Gedanken entziehen, der un-
weigerlich von Hedwig miteingebracht
wird.
Natürlich stellt sich auch die Frage nach
der Vorbildwirkung diverser anderer
Kunstschaffender aus der Vergangenheit
oder auch der Gegenwart auf Michael
Hedwigs Stilentwicklung, auf seine per-
sönliche Kunstempfindung.
Die „Handschrift“ eines Kunstschaffen-
den manifestiert sich nicht nur durch den
Anblick eines besonders gefälligen Wer-
kes mit Identifikationscharakter, viel
mehr bedarf es eines Kompendiums an
Eindrücken, Werten und Geisteserfahrun-
gen, das interdisziplinär zum Ziel führt –
als Künstler Authentizität zu erlangen.
Die alten Kulturen der Ägypter, Sumerer
und des antiken Griechenlandes, Texte
von Franz Kafka oder Arthur Rimbaud, in
Wien Franz Ringel, der Norweger Frans
1991: „Gärtner“, Öl auf Leinwand, 90 x 140 cm.
1994: „Gärten“, Öl auf Leinwand, 120 x 160 cm.
Widerberg oder auch Max Ernst, die Pop
Art, waren für Hedwig gerade während
seiner Ausbildung markante Orientie-
rungshilfen.
Ulrich Gansert beschreibt unter anderem
Hedwigs Ausdrucksformeln, denen er sich
heute verpflichtet fühlt, mit dem „Trans-
port von mittelmeerischen und europäi-
schen Ambitionen der Wandmalerei, um
damit eine Vision von gegenwärtiger
Malerei zu entfalten.“
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Die Beteiligung an Symposien im stei-
rischen Stift St. Lambrecht, von Josef Fink
organisierte „Klausuren“ auf Schloss
Poppendorf, ebenfalls in der Steiermark,
und schließlich 1993 die Reise nach Sinai
mit dem Besuch des Katharinenklosters
und die folgenden Erfahrungen in der
Wüste hinterließen bei Michael Hedwig
starke Eindrücke der Selbsterfahrung.
Um Nuancen angereicherte Werte der
inneren Erkenntnis in Verbindung mit ra-
tionaler Erlebnisverarbeitung evozieren
bei dem Künstler jene Bildmotive, die an
sich als meditative Formeln verstanden
werden können.
„Die Wahrnehmung des eigenen Be-
reichs im Verhältnis zum eigenen Selbst
und der eigenen Möglichkeiten bedeutet
für mich auch, meine Grenzen zu erkennen
und mich vernünftig zu beschränken.“
Der Körper im Resonanzraum
Hedwigs Sinnentfaltung kumuliert sich
geistreich in der Darstellung des mensch-
lichen Körpers. In seinen Arbeiten wird
man keine Abbreviaturen der uns so ver-
trauten Formen finden, viel mehr erwarten
den Betrachter Körperschemata, die in
einem expressiven Duktus umrissen wer-
den. Die menschlichen, feintarierten Pro-
portionen verlieren zugunsten von kraft-
voll ausgeprägten Körperkonstrukten an
Bedeutung. Michael Hedwig begnügt
sich nicht mit angedeuteten, sublimen
Paraphrasierungen, die den menschlichen
Körper wahrhaft in seiner gegebenen Exis-
tenz aufzuzeigen versuchen.
Tatsächlich liegt die Intention des
Künstlers darin, einen Bereich seiner inne-
ren Welt, der sich aus der Summe von Er-
fahrungen, Denkprozessen und Zwischen-