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Nummer 6-7 – 72. Jahrgang
O s t t i r o l e r H e i m a t b l ä t t e r
maligen Galerie „Kristein“ zu ziehen, die
1972 von den Kunsterziehern Helmut
Krieg und Hans Steininger als private In-
stitution eröffnet wurde. Nun, die Verlags-
anstalt verwarf ihre Erweiterungspläne und
stellte erneut das erste Obergeschoß zur
Verfügung. Die Ausstellungsbetreiber
gingen dem Angebot nach und eröffneten
bereits im Frühjahr 1978 die Galeriesaison.
Gerade die Standortfrage verlangte nach
mehr Unabhängigkeit, vor allem auch in
finanzieller Hinsicht. Aus dieser Motiva-
tion heraus entdeckte man den Rathaus-
Innenhof am Johannesplatz 10. Nach den
umfangreichen Umbauarbeiten entstand
ein idyllischer präsentierbarer Innenhof,
über den man zu den vier in Enfilade kon-
zipierten Ausstellungsräumen kommt,
von denen der erste, nach einemWindfang,
als Entree gedacht ist. Jedenfalls war das
Kulturreferat in der glücklichen Lage, die
Städtische Galerie am 2. Oktober 1981 mit
Temperabildern und Grafiken Max Weilers
als Eigentümerin einer korrelierenden
Einrichtung zu eröffnen.
Zurück in die 60er-Jahre
Leopold Ganzer als Mitbegründer der
Städtischen Galerie übernahm bis Ende der
1960er-Jahre die künstlerische Betreuung
derselben. Mit der Änderung seiner Inter-
essensschwerpunkte, in denen er sich wie-
der vertieft seiner eigenen künstlerischen
Arbeit zuwandte und denen folgend 1971
nach Wien übersiedelte, erfolgte auch der
Rückzug aus dem Galeriewesen. 1977
wurde er zum Präsidenten des Berufsver-
bandes der bildenden Künstler Österreichs
gewählt und gelangte in dieser Funktion zu
kulturpolitisch respektablem Einfluss.
Gerhard Wassnig – 40 Jahre
Kulturvermittlung
„Eigentlich wollte ich Grafiker werden
und setzte alles daran, dem Ziel näher zu
kommen. Der Weg ist dann doch ein ande-
rer geworden…“
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Gerhard Wassnig
wurde am 28. Oktober 1942 in Lienz ge-
boren. Seine Positionierung als Kultur-
mensch liegt ihm faktisch im Blut, bzw. es
fordert sein Gemüt, sich mit Kunst und
Kultur auseinander zu setzen, auch wenn
speziell für ihn der Weg zum Ziel einem
alpinen Relief ähnelte. Interessant sind
dabei nicht nur die flachen Wiesen, son-
dern auch die steinigen Wege, die zur ei-
gentlichen Aussicht führen. Der vorberei-
tende Besuch von Zeichen- und Malkur-
sen, unter anderem Landschaftsmalerei und
Perspektive bei Josef Manfreda, überzeug-
ten ihn und seine Lehrer, sein Talent aus-
reifen zu lassen. Nach der Pflichtschulaus-
bildung setzte sich der 14-Jährige das Ziel,
an die Hochschule für grafische Versuche
in Graz zur Aufnahme zu gelangen, wo er
aber zum Leidwesen trotz bestandener Prü-
fung keinen Ausbildungsplatz erhielt.
Sein Wunsch, die renommierte Grafische
Lehranstalt in München zu absolvieren,
scheiterte an der Nichtanerkennung des
Fachs in Österreich. Immerhin war er noch
ein Jugendlicher, als er schließlich als
Metallbildhauer und Kunstschlosser in
einem Lienzer Betrieb seine Lehrausbil-
dung begann. Eine schwere Lungener-
krankung zwang ihn dazu, die Lehre nach
zweieinhalb Jahren zu unterbrechen, und er
Das Aus-
stellungs-
programm
der Städti-
schen
Galerie
überzeugt in
seiner Viel-
schichtigkeit
ein moti-
viertes Pu-
blikum. Der
Galerielei-
ter zeigt hier
auf eine
Entwurfs-
grafik des
Verpa-
ckungs-
künstlers
Christo.
gelangte schließlich in der Handelsschule,
wo die ersten Kontakte zum Theater statt-
fanden, zu seinem Abschluss. Eine be-
sonders spannende und durchaus auch prä-
gende Zeit erlebte Gerhard Wassnig nun
im Zusammenhang mit seinem in Salzburg
abzuleistenden Grundwehrdienst. Die
Kulturstadt forderte sofort seine Neigung
zum Schauspiel, zum Theater und auch
zum relevanten Blick hinter die Kulissen.
Mit 20 Jahren bekam er für ein Jahr eine
vielbegehrte Statisten- und Schauspieler-
rolle am Salzburger Landestheater und bei
den Festspielen, wo er unter anderem bei
48 Proben Herbert von Karajans anwesend
war und an Otto Schenks Inszenierung der
„Zauberflöte“ teilnahm. Insbesondere die
Teilnahme an Oskar Kokoschkas „Schule
des Sehens“ und die beeindruckenden
Arbeiten des Bühnenbildners Günther
Schneider-Siemssen markierten einen
weiteren Entscheidungspunkt in Gerhard
Wassnigs Leben. In Wien sollte der Be-
such der Schauspielschule und die Ausbil-
dung zum Bühnenbildner nur ein Traum
bleiben, denn die Folgen eines schweren
Unfalls bedeuteten für ihn monatelange
Rekonvaleszenz.
Lois Ebner schreibt in einer 2002 er-
schienenen Lebensbeschreibung Wassnigs
treffend über dessen weiteren Werdegang.
„Mit dem Eintritt in den städtischen Ver-
waltungsdienst am 22. April 1964, der
zweifellos große Bereitschaft zur Ein- und
Unterordnung in ein erprobtes Betriebs-
system brachte, begann für Gerhard
Wassnig ein völlig neuer Lebensab-
schnitt in Lienz.“
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Nun ja, die eben ge-
gründete Städtische Galerie wurde seine
zweite Heimat. Bereits Ende der 1960er-
Jahre übernahm er nach Leo Ganzers
Rückzug aus den Galerieagenden dessen
leitende Funktion und bestimmte ab 1984
als Kulturamtsleiter wesentlich das
kunst- und kulturorientierte Geschehen in
Lienz mit.
„Eine Analyse besagt, dass wir hier im
Kulturamt nur 9 % mit dem Galeriewesen
beschäftigt sind. Der Rest, also beinahe
die ganze Arbeit, fällt auf die Organisation
von Konzerten, Theatervorstellungen,
Aufführungen, Veranstaltungen wie die
‚Internationalen Gitarren- und Musik-
wochen‘ und dergleichen …“
Zwei Leidenschaften zählen zu seinem
favorisierten Beschäftigungskreis. Die
Malerei bzw. die Grafik und das Schau-
spiel. In den Jahren 1964 bis 1971 wurden
auf Initiative von Norbert Hölzl und Alois
Vergeiner das spätmittelalterliche und
barocke Schauspiel in adaptierter Form
als Freilichtaufführungen im Hof von
Schloss Bruck inszeniert. Die „Tiroler
Mysterienspiele Schloß Bruck“ waren ge-
gründet. 1964 startete man mit der von
Hölzl geschriebenen Neufassung des
‚Virgener Rosenkranzspieles‘ unter dem
Titel „Der Teufel als Diener“, 1966 setzte
man fort mit „Totentanz“, 1967 „Tiroler
Faustus“ und der Erneuerung zweier Ster-
zinger Fasnachtsspiele „Quacksalber“
und „Ehegericht.“
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Es folgten kontrast-
reiche Vorstellungen in Osttirol und Inns-
bruck. Die Laientheatergruppe, zu der
neben Gerhard Wassnig weitere Schau-
spieler der Kolpingbühne Lienz zählten,
reüssierten bis 1981 in sechs von Norbert
Hölzl bearbeiteten Fernsehproduktionen.
Ab 1977 übernahm nun Wassnig die Spiel-
leitung der Kolpingbühne Lienz und
überzeugte in seiner Rolle als Organisator,
Bühnenbildner, als Schauspieler und als
späterer Spielleiter der „Tiroler Myste-
rienspiele Schloß Bruck.“
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Darbietungen
von Stücken wie „Kurbetrieb beim Kräu-
ter-Blas“ von Franz Schauer, „Besuchs-
zeit“ von Felix Mitterer, „Zwölfe-Läuten“
von Carl Unger oder „Föhn“ von Julius
Pohl erfordern den Willen zur reflektie-
renden Bühnenarbeit.
Auch der bildende Künstler Gerhard
Wassnig kann auf eine ausgesprochen rege
Ausstellungspräsenz zurückblicken, die
1964 im Iselturm und in der Handelskam-
mer in Lienz begann und entsprechend
weiterentwickelt fortgesetzt wurde. Unter
anderem zählen der Tiroler Kunstpavillon,
die Innsbrucker Stadtturmgalerie, das
Klagenfurter Künstlerhaus, das Künstler-
haus in Graz, die Galerie Prisma in Bozen,
das Museum Schloss Bruck und schließ-
lich auch die Städtische Galerie zu den
Orten seiner Ausstellungspräsenz, in
denen er die Eigenwilligkeit seiner Arbei-
ten mit technischer bzw. koloristischer
Vehemenz darstellt. Die Themenseg-
mente seiner Arbeiten, die mischtechnisch
von der Farbmonotypie, der aquarellierten