Seite 6 - H_2004_06-07

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O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
72. Jahrgang – Nummer 6-7
Mit einem repräsentativen Querschnitt
durch
„50 Jahre Malerei in Osttirol“
wurde am 24. Juni 1964 die Städtische Ga-
lerie Lienz unter Beisein von Vertretern
der Tiroler Kulturwelt und der Politik er-
öffnet. Die Tiroler Kulturberichte zitieren
aus der Eröffnungsrede des Kulturreferen-
ten: „Wie Stadtkulturreferent Prof. Paul
Unterweger erklärte, hofft man, dass sich
im Weg über eine gut geführte moderne
Galerie, in der auch laufend Kunstpublika-
tionen, Kataloge, Zeitschriften usw. auf-
liegen, ein festes Kunstpublikum gewinnen
und damit die Basis für ein selbständiges
aufgeschlossenes Kulturleben vergrößern
lassen werde.“
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Eine Auswahl von Werken
elf heimischer Künstler wurde in den zwei
Räumlichkeiten vorgestellt, wobei der erste
Raum die Kunst des 19. bis das beginnende
20. Jahrhundert umschloss. Gezeigt wur-
den die Arbeiten von Franz von Defregger,
Albin Egger-Lienz, Hugo Engl, Karl Hof-
mann und Karl Untergasser. Der zweite
Raum war der zeitgenössischen Kunst vor-
behalten, mit den Exponaten von Oswald
Kollreider, Franziska Mikl-Wibmer, Hed-
wig Wagner, Leo Ganzer, Hermann Pedit
und Franz Walchegger.
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Im Vorfeld der Ausstellungsvorberei-
tung zeichnete sich bei der Auswahl der
Bilder ein kleiner Disput mit dem Kustos
vom Museum Schloss Bruck, Dr. Franz
Kollreider, ab, der das Bild „Die Familie“
(Der Bauer) von Albin Egger-Lienz, ein
Spätwerk des Meisters, nicht für die Re-
trospektive, aus Sorge um den Erhalt, zur
Verfügung stellen wollte.
„Wir waren
davon überzeugt, dass dieses Bild das
Richtige sei – Egger sollte als Maler des
Menschen gezeigt werden!“
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Jedenfalls wurde die neue Galerie und
die Werkschau auch von der Presse durch-
wegs freundlich aufgenommen, 14 Tage
nach der Eröffnung konnte man schon über
500 Besucher verzeichnen. Eher negative
Kritik erhielten einige Vertreter der jünge-
ren Generation von Franz Hölbing in den
‚Tiroler Nachrichten’, die aus seiner Sicht
„mangelnden Anschluss an die lokale Ver-
gangenheit wie an die internationale Zu-
kunft suchen und finden würden.“
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Bereits am 24. Juli wurde nach der
Eröffnungsausstellung die nächste Schau
mit grafischen Arbeiten Paul Floras vor-
gestellt. Interessant dabei ist die Tatsache,
dass Paul Flora vorher in der Eröffnungs-
ausstellung der neuen Galerie im Inns-
brucker Taxispalais mit seiner aktuellen
Werkauswahl und Mappen, die zum Ver-
kauf auflagen, reüssieren konnte.
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De-
mentsprechend wurde per Zeitung das
Lienzer Publikum angehalten, dem Inns-
brucker Besucherrekord von 7.000 Inter-
essierten, etwas näher zu kommen. „Wer
Freude an der eigenwilligen Zeichenkunst
Floras gewinnt, hat Gelegenheit, Blätter
käuflich zu erwerben, … Zeichnungen im
Preise von 800 bis 3.000 S liegen auf, die
man an Ort und Stelle kaufen kann … “
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Im September 1964 gelangte nun die
erste Personale an Franz Walchegger
(1913 bis 1965), der in den 1930er-Jahren
vorerst die Innsbrucker Malschule bei
Toni Kirchmayr besuchte und in der Zeit
von 1935 bis 1939 an der Akademie für
bildende Künste in Wien bei Wilhelm
Dachauer und von 1943 bis 1944 in der
Meisterklasse bei Ferdinand Andri stu-
dierte. Lois Salcher schreibt im Vorwort
des zur Gedächtnisausstellung zum 70.
Geburtstag Walcheggers (1983) erschie-
nenen Katalogs über dessen Tendenz, sich
von der Gegenständlichkeit zu entfernen
und in der Abstraktion seinen Anfang zu
finden. „Der Stil hat sich geändert, die
Handschrift, nicht das geistige Format,
somit hat er den Durchbruch zur abstrak-
ten Malerei endgültig vollzogen. Er ist
damit zum Pionier dieser Malerei in Ostti-
rol geworden...“
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Den Verantwortlichen war es ein beson-
deres Anliegen, die Bevölkerung Anteil am
Kulturschaffen der Stadt nehmen zu lassen.
Dieser „Gedankenaustausch“ wurde inso-
fern erreicht, als die Kunsterzieher mit
ihren Schulklassen die Ausstellungen be-
suchten, über das Gebotene diskutierten
und dadurch im Grunde genommen bereits
bei den Schülern eine abwägende Grund-
haltung bezüglich eines Kunstempfindens
entwickelt wurde. Man war bemüht, der
enigmatischen Anonymität bzw. der Un-
zugänglichkeit diverser Bildsujets dem
Interessierten bereits im Galerieraum eine
Auflösung anzubieten.
Einige Eckdaten der 40-jährigen
Galeriearbeit
Neben den heimischen Kunstschaffen-
den gelangte im Laufe der Jahrzehnte eine
außerordentlich hohe Zahl an international
renommierten Vertretern aller Kunstgat-
tungen in die Lienzer Galerie.
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Zwischen
1964 und 2004 wurden von den Veran-
staltern bzw. den Galeristen an die 360
Präsentationen betreut, die ohne Sommer-
pausen jährlich im Durchschnitt acht bis
zehn Termine inkludierten. 1965 und 1974
war mit 14 Ausstellungen im Jahr der Hö-
hepunkt der Bespielbarkeit erreicht.
Artur Nikodem, der Architekt Lois Wel-
zenbacher, der 1965 mit Großbildprojek-
tionen, Fotos, Handzeichnungen und Plä-
nen für Aufsehen sorgte, die Arbeiten aus
der Wiener Galerie nächst St. Stephan mit
deren Vertretern Göschl, Hollegha, Mikl,
Oberhuber, Prachensky, Rainer u. a., 1967
Hans Pontiller, 1968 Gerhild Diesner,
Hilde Goldschmidt. Mehrfach wurde ein
Querschnitt der Österreichischen Kunst
des 20. Jahrhunderts geboten, eine auf
hohem Niveau getroffene Auswahl aus
den Sammelbeständen des Rupertinums in
Salzburg oder der Klagenfurter Galerie
Carinthia, betonen den Qualitätsanspruch
der Städtischen Galerie. Zum Thema
Malerei der Zwischenkriegszeit folgte
2002 in Kooperation mit der Innsbrucker
Galerie Maier eine spannende Retrospek-
tive, und 2003 wurden unter Vermittlung
der Galerie Magnet aus Völkermarkt Ar-
beiten des Nötscher-Kreises vorgestellt.
Ein besonderer Höhepunkt war die 1987
vom Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum
kuratierte Landesausstellung „Franz von
Defregger und sein Kreis“, in der die Städ-
tische Galerie als Dependance zum Mu-
seum Schloss Bruck miteinbezogen
wurde. Auch aus der Zusammenarbeit mit
überregionalen Kulturinstitutionen, wie
z. B. die EUR-ART, eine Austauschaus-
stellung mit der Partnerstadt Görz,
Schwerpunktthemen ungarischer Kunst,
oder 1998 fünfzig Jahre COBRA mit
Karel Appel, Corneille und Lucebert, er-
gibt sich nach 40-jähriger Arbeit in der
Kunstvermittlung ein besonders ab-
wechslungsreiches Programm, das neben
der originären Zeichnung, dem Aquarell,
dem Ölbild und der Plastik, auch die Aus-
drucksformen der neuen Medien zulässt.
Die digitalisierte Handschrift der Kunst-
schaffenden, Videoinstallationen oder
designorientierte Formeln sollen dem Pu-
blikum einen Ausschnitt aktueller Kunst-
umsetzung zeigen. Einen beinahe panop-
tischen Überblick der künstlerischen
Vielschichtigkeit 23 Osttiroler Künstler er-
hielten die Galeriebesucher 1997 in der
Ausstellung „Hin und Retour“. Ab 1980
wurden die ausgewählten Arbeiten des
„Österreichischen Grafikwettbewerbes“
gezeigt, der hier im Frühling 2004 zum
zwölften Mal Station machte.
In diesem Kontext zeigt auch die Aus-
wahl bei den Objektankäufen, die sich auf
insgesamt 258 belaufen
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und mit einem
Blumenstillleben von Gerhild Diesner von
1965 begonnen wurden, ein differenziertes
Spektrum, in der die Entscheidung für die
bereits in der Szene arrivierte Kunst ge-
nauso aufscheint, wie die der motiviert
Jungen.
Die Standortfrage
Auch in der Standortfrage der Galerie
unterzog man sich einer wechselreichen
Geschichte. Geplante Ausbauvorhaben
der Tyrolia-Buchhandlung als Vermieterin,
veranlassten 1976 das Kulturreferat in die
bereits adaptierten Räumlichkeiten der ehe-
1984 anlässlich der 20-Jahr-Feier der Galerie: Steininger, Linder, Prof. Fuetsch, Baum-
gartner, Ganzer, Nenning-Bodner, Wassnig und HR Dir. Unterweger.