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OBERKÄRNTNER
VOLLTREFFER
11. JUNI 2012
CHRONIK
Rund 500.000
Österreicher leiden derzeit
unter dem sogenannten
Burnout-Syndrom.
Kennst du Personen,
die unter einem Burnout-
Syndrom leiden?
Wie kann man vorsorgen?
Sven Unter-
guggenberger
(18), Kleblach/
Lind:
Ich selber ken-
ne einige Leu-
te,
die
an
Burnout oder
Vorstufen die-
ser Krankheit
leiden. Meiner Meinung nach ist
Sport ein gesunder Ausgleich zur
Arbeit. Wichtig für Menschen, die
beispielsweise keinen Sport be-
treiben, ist es, einfach ein geeig-
netes Hobby zu finden, um den
Kopf von der Arbeit frei zu be-
kommen. Außerdem sollte man
sich kurze Momente der Pause
gönnen und auf seinen Körper
hören.
Julia
Philippitsch
(21),
Greifenburg:
Da ich noch
nie
Kontakt
mit einer be-
troffenen Per-
son hatte, fällt
es mir etwas
schwer, das Ganze einzustufen.
Die heutige Zeit ist schnelllebig,
die Arbeitsschritte sind schneller,
die Entspannung wird weniger.
Für mich persönlich ist Burnout
eine reine Kopfsache. In diesem
Falle brauchen wir Menschen, die
hinter uns stehen und uns durch
das Leid führen. So auch der
Arbeitgeber, der die Verantwor-
tung seinen Mitarbeitern gegen-
über hat. Geht es einem schlecht,
fühlt er sich „überladen“ an
Arbeit oder zeigt erste Warnsi-
gnale auf, muss reagiert werden.
Damit es gar nicht so weit kommt,
ist somit eine interne Kommuni-
kation untereinander notwendig
oder Incentives sollten angebo-
ten werden, um neue Motivation
zu schaffen. Man muss auch mal
abschalten dürfen und die Welt
für einen kurzen Moment anhal-
ten. Es bedarf nicht an großen Ta-
ten – manchmal sind es die klei-
nen Dinge, die uns vor solchen
„Krankheiten“ schützen.
Energielos und erschöpft:
Depression oder Burnout?
Wenn psychische Erregung,
Stress und Kon ikte zum Dau-
erzustand und nicht mehr verar-
beitet werden, reagiert der Kör-
per darauf mit einem Gefühl
des „Ausgelaugtseins“. Burn-
out ist in den letzten Jahren zu
einer „etablierten“ Krankheit ge-
worden – obwohl von der WHO
nicht als of zielle Krankheit an-
erkannt. Worin besteht der Unter-
schied zur bekannten Depressi-
on? Während die Depression sich
von Beginn an in allen Lebens-
bereichen zeigt, ist das Burnout-
Syndrom zu Beginn meist „situ-
ationsbezogen“ und greift erst in
einem späteren Stadium auf wei-
tere Lebensbereiche über. Men-
schen mit einem Burnout-Syn-
drom haben über einen längeren
Zeitraum versucht, die Situation
zu bewältigen, bevor sie aufge-
geben haben. Depressionen hin-
gegen sind in der Regel einfach
da und ohne ärztliche Hilfe nicht
in den Griff zu bekommen. De-
pressive Menschen haben auch
keinen Antrieb zu kämpfen, sie
können sich zu nichts mehr auf-
raffen und fühlen sich oft wert-
los. Es gibt Depressionen, die
wie aus heiterem Himmel plötz-
lich auftreten – ohne erkennbaren
psychischen Hintergrund. Wäh-
rend die Depression also einen
Zustand beschreibt, von dem die
Ursache unbekannt ist, kommt
es zu einem Burnout-Syndrom,
wenn der Energieverbrauch auf
Dauer höher ist als die vorhan-
dene Energie.
Grenzen sind fließend
Beim Burnout-Syndrom zeigt
sich in der Regel – zumindest in
den Anfangsphasen – oft auch
eine depressive Verstimmung.
Dies äußert sich beispielsweise
durch einen Widerwillen ge-
gen die Arbeitssituation, durch
Schwierigkeiten im sozialen
Umfeld sowie dem Gefühl etwas
tun zu müssen, das man über-
haupt nicht mehr tun möchte. In
späteren Burnout-Phasen lassen
sich jedoch das Burnout-Syn-
drom und die Depression immer
schwieriger voneinander tren-
nen. Der Grund dafür ist, dass
im fortgeschrittenen Zustand des
Burnouts jene Schwierigkeiten,
die zu Beginn nur auf den Leis-
tungsbereich zutrafen, nun auch
auf andere Lebensbereiche über-
greifen. War es am Anfang noch
möglich, wenigstens ab und zu
Ruhe und Entspannung zu n-
den, wird mit zunehmender Dau-
er alles zum Stress und zur Über-
forderung. Somit ist zu Beginn
eine Differenzierung zwischen
den beiden Krankheiten erkenn-
bar, in voller Ausprägung besteht
jedoch kein Unterschied mehr
zwischen einem Burnout und ei-
ner typisch depressiven Episode.
Burnout – was nun?
Für Menschen, die glauben,
von einem Burnout betroffen
zu sein, ist die psychotherapeu-
tische Hilfe unabdingbar. Als
Präventionstipps rät die Ärzte-
kammer unter anderem, sich
Pausen zu gönnen, Prioritäten
zu setzen, auf die Life-Work-
Balance zu achten, sich ge-
nügend zu bewegen und ausge-
wogene Ernährung zu sich zu
nehmen sowie Schmerzen als
Warnsignale zu verstehen.
DIE KLINISCHEN BURNOUT-STUFEN
Um herauszufinden, ob man selbst
vom Burnout betroffen ist, können
die folgenden zwölf Phasen im Ver-
lauf des Burnout-Syndroms hilfreich
sein, die von Herbert Freudenber-
ger identifiziert worden sind. Die
Stadien sind in der Praxis allerdings
nicht klar voneinander abgrenzbar
und vermischen oder überlagern
sich häufig.
1. Der Zwang sich zu beweisen
Der Wunsch, erfolgreich zu sein, ist
im Grunde positiv. Wird die Verbis-
senheit jedoch zu stark, wird der
Wunsch zum Zwang.
2. Verstärkter Einsatz
Sorgfalt, Perfektionismus und Enga-
gement werden zwanghaft. Eben-
falls typisch für diese Phase ist die
Unfähigkeit zu delegieren.
3. Subtile Vernachlässigung
eigener Bedürfnisse
Die Arbeit bzw. ihre Aufgabe haben
den Betroffenen voll im Griff. Pausen
werden überflüssig, die Ernährung
als nebensächlich angesehen oder
der Körper vernachlässigt.
4. Verdrängung von Konflikten und
Bedürfnissen
Der Betroffene merkt zwar, dass
etwas ganz und gar nicht mehr
stimmt und die Vernunft sagt, dass er
zurückfahren muss. Jedoch werden
die eigenen Bedürfnisse immer wie-
der hinter den Anforderungen an das
„Große Ziel“ gestellt. Heimlichkeiten
und das Zurückziehen beginnen.
5. Umdeutung von Werten
Die Belastung und der Druck sind
so hoch, dass Vergangenheit und
Zukunft ausgeblendet werden und
nur die Gegenwart zählt. Dadurch
geht die Relativität der Ereignisse
verloren, Wichtiges ist von Unwich-
tigem nicht mehr zu trennen.
6. Verstärkte Verleugnung
auftretender Probleme
Die Verleugnung, ein Schutzmecha-
nismus, verschleiert den Burnout-
Prozess. Die Vernachlässigungen der
persönlichen Bedürfnisse verstärken
sich, wie auch der Zynismus.
7. Rückzug
Die Gefühle von Hoffnungslosigkeit
und Orientierungslosigkeit nehmen
überhand. Desillusionierung und
emotionale Verflachung sind vor-
herrschend, der Betroffene zieht
sich zurück.
8. Beobachtbare Verhaltens-
änderung
Der Rückzug verstärkt sich noch
weiter, man fühlt sich von jeder
Zuwendung angegriffen. Die Unter-
scheidungsfähigkeit ist weitgehend
gestört, was Unterstützung, Auf-
merksamkeit und Nähe angeht.
9. Depersonalisation
Das Gefühl für die eigene Persön-
lichkeit geht verloren, eigene Be-
dürfnisse werden nicht mehr wahr-
genommen. Daraus folgt eine tiefe
Selbstverneinung.
10. Innere Leere
Das Gefühl der inneren Leere ist
kaum zu ertragen. Die Betroffenen
fühlen sich nutzlos, ausgezehrt, er-
ledigt – kurz, einfach fertig. Phobien
und Panikattacken entstehen
11. Depression
Die einzigen wahrnehmbaren
Gefühle sind Verzweiflung und Er-
schöpfung. Initiative und Moti-
vation sind am Nullpunkt angekom-
men. Ein starkes Symptom ist hier
der Wunsch nach Dauerschlaf –
erste Suizidgedanken tauchen auf.
12. Völlige Burnout-Erschöpfung
Die geistige, emotionale und kör-
perliche Erschöpfung wird lebens-
gefährlich. Es gibt kein „Ich“ mehr,
die ursprünglichen Zwänge haben
sich aufgelöst und damit der Sinn
weiterzuleben. Häufig bricht auch
das Immunsystem zusammen. Die-
ses Stadium ist eine ernsthafte Krise.