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PUSTERTALER VOLLTREFFER
MAI/JUNI 2012
23
Es hat Jahre gedauert bis
Benjamin Zanon aus Leisach
im Pustertal genau wusste,
wohin er im Leben gehört. Im
Oktober 2001 verließ er seine
Heimat, um in Wien Architek-
tur zu studieren. „Ich dachte,
ich brauche einen guten Brot-
beruf, um zu überleben.“ Nach
sechs Semestern war allerdings
Schluss mit Architektur, dann
folgten drei Semester Philo-
sophie und anschließend Jobs,
die keine geistige Anstrengung
mehr einforderten. Eine Zeit,
die er offenbar brauchte, um
Mut zu fassen, einen Schritt zu
setzen, den er schon immer set-
zen wollte, aber sich nie traute.
Den Schritt in die freie Kunst.
„Irgendwann wusste ich, dass
ich ihn wagen muss.“ 2008 be-
suchte er in Folge die Kunst-
akademie Düsseldorf und ging
nicht mehr fort von dort. Bald
wird er sie abschließen, und er
weiß: „Die freie Kunst ist mein
Leben. Natürlich geht man ins
Blaue, weiß nicht, wo man da-
durch hinkommt“, so Zanon,
der sich vor allem auf Zeich-
nung, Druckgrafik und Drei-
dimensionales spezialisiert hat.
Bedeutung
Freie Kunst bedeutet für
Zanon: „Man kann an Punkten
forschen, an denen es für viele
zeitlich nicht möglich ist zu for-
schen. Doch in der freien Kunst
muss man extrem selbstdiszipli-
niert sein. Das Leichteste wäre
es, aufzustehen, und den ganzen
Tag nichts zu tun“, so der 30-
Jährige. Spannend an eigenen
Ausstellungen findet Zanon vor
allem die unterschiedlichen
Assoziationen der Betrachter.
„Natürlich, manchmal kommt
es auch vor, dass jemand etwas
sagt, dass einen ärgert. Aber das
gehört dazu“, so Zanon, der
viele Meinungen ohnehin ge-
wohnt ist. Denn er kommt aus
der großen Zanon-Familie.
Zanon aus dem Trentino
Sein Urgroßvater Caspar
Zanon aus dem Trentino sorgte
einst für viel Nachwuchs, als er
ins Pustertal siedelte. „Er hatte
sehr viele Kinder über einen
Zeitraum von rund 40 Jahren mit
zwei verschiedenen Frauen“,
schmunzelt der Urenkel. Eines
der Kinder war der Tiroler Alt-
landesrat Fridolin Zanon (bereits
verstorben) und gleichsam der
Großvater von Benjamin Zanon.
„Er war eine absolute Respekts-
person. Man wusste, dass man
sich nicht alles mit ihm erlauben
konnte. Aber Schimpfen war nie
sein Fall. Umso mehr war er ein
Arbeitstier, um den Kindern eine
gute Ausbildung zu ermöglichen.
Er war sehr sorgsam zur Fami-
lie, sprach allerdings nie viel mit
den Kindern und Enkelkindern,
war sehr still“, erinnert sich der
Enkel.
Sein Vater
Elisabeth Zanon (erste Lan-
deshauptmann-Stellvertreterin
von Tirol, heute wieder Ärztin)
ist eines der acht Kinder von
Fridolin Zanon. Auch Christoph
Zanon (ehemaliger Autor und
Gymnasiallehrer) gehörte zur
Geschwisterreihe und war der
Vater von Benjamin. Er starb im
Alter von nur 47 Jahren. „Auch
er war sehr ruhig, kümmerte
sich extrem um die Familie, war
sehr kinderfreundlich. Wir hat-
36, Geologe in Innsbruck) und
ich. Wir suchten die eigenar-
tigsten Orte in unserer Heimat
auf, nahmen die verrücktesten
Wege in den Bergen, wurden
hinaufgeschleift und haben ge-
flucht – während der Vater vor
sich hinschmunzelte, dass wir
derart hinterher hinken. Als wir
dann alle am Ziel waren, ge-
nossen wir es gemeinsam. Das
verband uns sehr miteinander.“
Auch in den Bergen schrieb
sein Vater. „Er hatte immer
Notizblock und Kugelschreiber
mit. Es gibt ja tonnenweise
Papier, das von ihm beschrie-
ben wurde. Das liegt mittler-
weile alles im Brenner-Archiv
in Innsbruck.“ Den Großteil hat
Sohn Benjamin nie gelesen.
„Es war schwierig nach seinem
Tod etwas von ihm zu lesen.
Das dauerte sehr lange, bis ich
mich überhaupt über die Bücher
traute“, so der 30-Jährige, der
neben Bruder Stefan auch noch
zwei Schwestern hat: Nora
(28, studierte Russisch und
Englisch auf Dolmetsch und
arbeitet in Wien) sowie Kathi
(22, besucht die Modeschule
Hetzendorf).
Mutter Olga (59) ist Haupt-
schullehrerin. Martina Holzer
ten immer extremen Spaß mit
ihm, wenn er nicht gerade total
grantig war. Aber er dachte
auch viel und war sehr viel
unterwegs. Wir freuten uns
dann immer total, wenn der
Vater dann wieder einmal da
war.“ Er habe seine Familie
sehr gebraucht. „Wenn er durch
die Familie nicht ans Pustertal
gebunden gewesen wäre, wäre
er sicher weggegangen. Es war
keine leichte Welt für ihn
hier.“
Verrückte Touren
Sohn und Vater
waren viel in den
Bergen unterwegs.
„Wir machten ja
hier unzählige
Touren
mit
ihm – mein
Bruder Ste-
fan (heute
Ein Leben in der freien Kunst zu führen ist
Luxus. Aber man braucht Disziplin.
Benjamin Zanon (30), Sohn des verstorbenen
Pustertaler Autors Christoph Zanon, führt
nun ein solches Leben und sagt: „Ich bin
endlich angekommen.“
Benjamin Zanon hat
seine Welt gefunden
– in der freien
Kunst.
Foto: Martina
Holzer
Ausschnitt seines Werkes „Mogle Gap“, Radierung.
„Ich habe mein Leben gefunden“
CHRONIK