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Hintner im Jahre 1881
48
. Seine auf Archiv-
studien beruhenden Ausführungen über die
ehemalige und noch vorhandene Ausstat-
tung und den Besitz der Kirche sowie
seine (auch auf Autopsie) beruhenden bau-
geschichtlichen Untersuchungen etwa zum
Turm (S. 106) sind bis heute als grund-
legend anzusehen. Dass Unterkircher sich
besonders für entlegene Kunstwerke inter-
essierte, zeigt die Beschreibung seiner
„Entdeckung“ der Allerheiligenkapelle in
Göriach ob Virgen:
„Das erstemal habe
ich das Allerheiligenkirchlein gesehen, als
ich auf dem Rückwege vom Venediger aus
der Klamm heraus gegen Obermauern
kam. Da fiel mir die schöne Lage auf: ein
steiler Bühel voll sonniger Lärchen und
zwischendurch das Mauerwerk der Ka-
pelle. Damals hatte ich noch keine Ah-
nung, was das für eine Kapelle sei und
dachte nicht daran, daß man sich den Zu-
gang auf die Höhe mit viel Geschnauf und
Geschwitz erkaufen muß.“
Wie in Kals un-
terlässt es Unterkircher auch hier nicht,
jeden auch noch so nebensächlich erschei-
nenden Gegenstand zu erwähnen, was
seine Beschreibungen über 70 Jahre nach
deren Entstehen umso wertvoller macht.
Mehrmals verweist Unterkircher auf die
enge Zusammenarbeit mit dem Osttiroler
Heimatforscher Karl Maister
49
. Zusammen
mit letzterem gab Unterkircher im Jahre
1940 einen Führer zur „Stadtpfarrkirche
z. hl. Andreas in Lienz“ heraus, der 1956
eine zweite Auflage erlebte. Einer der be-
merkenswertesten Artikel, die Unter-
kirchers akribische Arbeitsweise zeigen,
ist jener über die „Ausgewanderte[n] Ost-
tiroler Kunst-Werke“. Über 30 Kunst-
werke, die sich im Jahr 1929 im Diözesan-
museum Brixen bzw. – zum geringeren
Teil – im Landesmuseum Ferdinandeum
befanden, werden hier erwähnt und haben
zumindest in einem Fall zu einer „Wieder-
entdeckung“ geführt
50
. Es wäre wohl eine
lohnende Aufgabe, auch die anderen
Kunstwerke aufzuspüren.
Nach dem Zweiten Weltkrieg befasste
sich Unterkircher nur noch zweimal mit
kunstgeschichtlichen Fragen: 1948 veröf-
fentlichte er eine Studie über die Darstel-
lung des Heiligen Alexius und des „Fons
vitae“ in der Kapelle von Schloss Bruck
(„Zu den Bildern in der Kapelle von
Schloß Bruck“), 1979 erschien eine Be-
schreibung eines alten Missale aus Lavant
im Brixner Priesterseminar. Im Jahre 1986,
genau 57 Jahre nach Erscheinen seines
ersten Artikels, hält Unterkircher Rück-
schau über die Geschichte der Osttiroler
Heimatblätter, zu denen er selbst nicht
wenig beigetragen hat.
Franz Unterkircher und
das Defereggental
Kehren wir abschließend in Unter-
kirchers Heimat zurück: 1930 erschien –
allerdings anonym – seine Festschrift an-
lässlich des 100-jährigen Bestandes der
Pfarrkirche St. Jakob i. D. Wenngleich
manches davon heute aufgrund neuerer
Forschungen als überholt gelten darf
51
,
stellt sie noch immer eine wertvolle Quelle
und ein interessantes Dokument aus der
Zwischenkriegszeit dar. Unterkircher
äußerte darin den Wunsch, dass die Kirche
recht bald eine Innenausmalung bekom-
men möge. Fünf Jahre später war es so
weit, und Unterkircher konnte vermelden,
dass die einst „zu den trostlosesten Kir-
chen von Tirol“ gehörende Jakobskirche
durch den akademischen Maler Johannes
Oberkofler aus Brixen eine malerische
Ausstattung erhalten hat. Hier zeigt sich,
dass Unterkircher der zeitgenössischen
Kunst gegenüber durchaus aufgeschlossen
war, wenn er zusammenfassend schreibt:
„Mehr als alle Kunstkritik mit ihren theo-
OSTTIROLER
NUMMER 1-2/2005
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HEIMATBLÄTTER
Die
Pfarrkirche
Kals a. G.
im Jahre
1902, wie sie
auch Unter-
kircher
gesehen und
beschrieben
hat (ÖNB
Bild-
archiv, Nr.
131.786).
Grundriss-
skizze der
alten Pfarr-
kirche von
Anras, ange-
fertigt von
Franz
Unterkircher
(aus seiner
Dissertation
über Ostti-
roler Kunst)
(Repro:
ÖNB).