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OSTTIROLER
NUMMER 6/2005
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HEIMATBLÄTTER
partien und vergängliche Überreste einer
sich verändernden Umwelt zählten bereits
in diesem künstlerischen Entwicklungs-
stadium zu Eders bevorzugter Motivaus-
einandersetzung. Man findet in seinen
Arbeiten heute parallele Ansätze in der Be-
deutungsbewertung von an sich unauffäl-
ligen, der Wahrnehmung beinahe unter-
schwellig entgehenden Motivobjekten. Im
Laufe der Jahre hat sich sein Blick, sein
persönlicher Schwerpunkt beinahe akri-
bisch auf das Herausarbeiten der Details
eingelassen, die vom Format unabhängig,
Schicht für Schicht aufgedeckt, moduliert
und in manchen Fällen neu arrangiert wer-
den. Blätter, Leinwände, Kartons, Holzvor-
lagen, Fundstücke, Objekte werden vom
feintarierten Zeichner Eder nur anfänglich
mit homogenen Materialien vorbereitet,
um zeichnerisch, malerisch, mit den Mit-
teln der Collage, der Fotografie oder druck-
technisch einem intellektuell ausgereiften
und trotzdem nicht entgültigen Entste-
hungsprozess zu unterstehen. Dokumen-
tiertes Nachbearbeiten wird für ihn inso-
fern eine Notwendigkeit, als besagter Pro-
zess die Bildfindung nicht abschließt. Auch
der französische Maler und Bildhauer Jean
Dubuffet (1901 – 1985) beschreibt 1946
seine spezielle Ansicht, wie ein Bild ent-
steht: „Ein Bild wird nicht gebaut wie ein
Haus, nach vorgegebenen architektoni-
schen Maßangaben, sondern: man arbeitet
mit dem Rücken zum Ergebnis – tastend,
rückwärts geht es voran!“
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„Sozusagen als Einstieg siebe ich Asche
und beginne fast immer mit Grau als erste
Schicht, wobei der Endzustand meiner
Arbeit in meiner Vorstellung bereits ausge-
reift ist und mit der ersten Schicht nichts
mehr zu tun hat. Außerdem bin ich faszi-
niert von der leicht glänzenden, weichtoni-
gen Eitempera-Malerei, mit der ich in den
letzten Jahren fast ausschließlich arbeite.“
Dem Prinzip des Schichtenaufbaus, den
wir seit langem in Eders Werken erkennen
können, begegnete er selbst auf seinen
Reisen zu den antiken Stätten Südameri-
kas, aber vor allem in das antike Rom –
jeder Ebene ihre Zeit.
Das Kolorit und das Zeichnerische
als Stimmungsträger
In diesem Zusammenhang stellt sich
bald die Frage nach der Bedeutung der
Farbigkeit als Transporteurin von Zustän-
2000: Ohne
Titel, 31 x 25,4 cm,
Pigmente und
Kohle auf Holz.
Foto: Pargger
Als kleiner Teil
der Gemein-
schaftsausstellung
„We agreed on
green“ mit Maria
Bußmann 2005 in
der Kunstwerkstatt
Lienz: Salon-rot,
eine Farbstift-
zeichnung auf
Papier, von 2003.
Aus der Samm-
lung Hermann
Pargger: Die
Arbeit mit
mehrfach über-
druckten und
bearbeiteten
Holzschnitten,
die im Kontrast
zur insistierend
monochromen
Partie stehen,
entstand 1999
in der Kar-
tause Ittingen.
Ohne Titel,
Mischtechnik
auf Karton und
Holz, 79,5 x
109,5 cm.
den, Emotionen, als Trägerin des gegen-
wartsgültigen Befindens. 1980 unternahm
Othmar Eder noch während der Akade-
miezeit mit seinem Bruder Herbert für ein
halbes Jahr eine ausgedehnte Reise nach
Südamerika, um das erste Mal mit der
durch Sonne, Licht und auch Mentalität
selbstverständlichen Farbintensität be-
kannt zu werden. Eine weitere Reise mit
seiner Frau Rita nach Mexiko, Guatemala,
Ecuador und Peru bestätigen Eder erneut,
eine weniger vertraute Kultur nicht nur in
ihrer sozialen Umwelt zu erfahren, son-
dern auch in ihrer Farbigkeit zu entdecken.
„Ich bin fasziniert von den intensiven
Farben, die wild und bunt sind, jede
Erdigkeit ist farbig und man will bei ihrem
Anblick hineingleiten …“
In dem Sinn eine Umkehr der Gefühle,
mit der Eder beinahe jede Kolorierung zu-
rückgenommen hat, um still und ruhig die
Oberfläche zu kontrastieren und das Zeich-
nerische hervorzuheben, brachte die Ge-
burt seiner zwei Kinder, 1991 und 1996,
mit sich, die in beiden Fällen für Mutter
und Kind sehr schwierig war. In einer Aus-
stellung in Zürich mit dem Titel „Stillzeit“
thematisiert der Kunstschaffende zum
ersten Mal jene dramatischen Erfahrungen.
Seit nun neun Jahren arbeitet Othmar Eder
an einer Sammlung von ursprünglich 106
„Kästen“, die beginnend mit der dramati-
schen Geburt der Tochter, in einen konzep-
tuell weiterfolgenden Entwicklungsverlauf
eingebunden werden. Nach deren ersten
Bearbeitungsprozess wurde ein Teil 1998
im Museum der Stadt Lienz, Schloss
Bruck, mit dem Titel „Spielwiese“ in ob-
jektähnlicher Anordnung gezeigt. Im Rah-
men eines 2004 auf der Silvretta mit weite-
ren, zum Teil der Land Art verpflichteten,
neun Künstlern abgehaltenen Kunstprojek-
tes, das „SilvrettAtelier“ auf der Bieler-
höhe, begann Eder in voller Faszination
von der Farbigkeit des Eises und der türkis-
grundigen Gletscherstauseen unter ande-
rem eine zweiteilige rundformatige Arbeit.
Blau, Malachitgrün, Grüne Erde, Gelbtöne
wurden ein Jahr lang Schicht für Schicht,
mit Leinöl verarbeitet und einem lang-
samen Trocknungsprozess unterzogen, bis
vom Maler jenes vereinnahmende Kolorit
erreicht wurde. Entstandene Strukturen er-
innern an Landschaften, an den Gletscher.
Das Ergebnis dieser Zusammenkunft am
Gletscher und der anschließenden Arbeits-
phase gelangt im Frühling 2005 in Feld-
kirch im Palais Liechtenstein, im An-
schluss im Kunstverein Baden und schließ-
lich 2006 in Finnland zur Präsentation.
Monochrome Bildfelder korrespondie-
ren mit grafisch bearbeiteten Passagen und
zeugen von der stoischen Geduld des
Kunstschaffenden, Punkt für Punkt einer
Kontur zu folgen, sie nachzustechen, oder
in beinahe ritueller Rhythmik bildnerische
Arbeiten vorzubereiten, sie reifen zu las-
sen und doch eine endgültige Fertigstel-