Seite 3 - H_2006_05

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Den organischen Materialien lässt sich
auch eine tonnenförmige Perle aus Bern-
stein zuordnen (Abb. 4/3). Sie gehört zu
einer seit der Urgeschichte weit verbreiteten
Form, wie sie beispielsweise im Fundmate-
rial des Urnenfeldes von Volders
17
vertreten
ist. Im Mittelalter wurden solche Perlen bei
der Paternosterproduktion verwendet
18
.
Metall
Unter den Metallfunden sind Objekte
aus Eisen mengenmäßig am stärksten ver-
treten. Es handelt sich dabei vor allem um
stark korrodierte, nicht mehr bestimmbare
Fragmente. Mehrere Bomben- oder Grana-
tensplitter sind wohl auf Bombenangriffe
„hinter Heinfels“ im Jahr 1945 zurückzu-
führen, im Laufe derer an der Burg Mauer-
sprünge entstanden
19
. Wie diese Splitter in
das Innere des Bergfrieds gelangten,
bleibt offen. Die ältesten metallischen
Funde aus Heinfels sind aus Buntmetall,
so etwa ein kleines Bronzeblech mit Niet
(Abb. 5/1). Die stärksten Übereinstimmun-
gen in Form und Größe bestehen zu Befes-
tigungen für Henkelattaschen an eisenzeit-
lichen Bronzeblechgefäßen
20
, es ist jedoch
auch eine römische Zeitstellung möglich.
Eindeutig römerzeitlich ist das Nadel-
fragment einer Hakenscharnierfibel (Abb.
5/2). Es dürfte aufgrund seiner Größe eher
in die mittlere bis spätere Kaiserzeit einzu-
ordnen sein.
Ein besonderes Fundstück stellt ein drei-
eckiger Bronzeanhänger dar (Abb. 5/5),
ein im Keller des Westtraktes getätigter
Metalldetektorfund, der aufgrund seiner
Seltenheit hier vorgestellt werden soll. Die
Grobheit der Ausfertigung, die Größe der
Öse, und die Tatsache, dass die Schauseite
vergoldet ist, legen eine Deutung als Pfer-
degeschirranhänger nahe. Solche Anhän-
ger sind durch literarische und archäologi-
sche Quellen gut belegt
21
. Die ältesten stra-
tigrafisch datierbaren Anhänger stammen
aus dem 11. Jahrhundert n. Chr., von
Miniaturen des 9. Jahrhundert wissen wir
jedoch, dass sie schon früher üblich
waren
22
. Ein dem Heinfelser Stück sehr
ähnliches Exemplar wurde bei Ausgrabun-
gen am Waltherplatz in Bozen gefunden,
in einer Brandschicht, die in das späte
12./frühe 13. Jahrhundert n. Chr. datiert
23
.
Zu den häufiger vorkommenden Fund-
objekten zählt hingegen ein mittelalter-
licher bzw. frühneuzeitlicher Armbrust-
bolzen mit rautenförmigem Querschnitt
und geschlitzter Tülle (Abb. 5/4), der sich
beim heutigen Forschungsstand nur gene-
rell der Zeitspanne vom 12. bis zum 16.
Jahrhundert zuweisen lässt
24
.
In die moderne Zeit zu datieren ist ein
ovaler Votivanhänger aus Aluminium, eine
sogenannte „Wundertätige Medaille“, ge-
fertigt nach dem Vorbild der Visionen der
Catherine Labourè aus dem Jahr 1830
(Abb. 5/3). Auf dieses Datum bezieht sich
auch die auf die Medaille geprägte Jahres-
zahl. Dieser Medaillentyp erfuhr seit sei-
ner ersten Prägung im Jahr 1832 eine
rasche Verbreitung in alle Welt, ab dem 20.
Jahrhundert überwiegen stark die Alumi-
niumprägungen
25
. Noch heute werden
diese Medaillen in kaum veränderter Form
massenhaft hergestellt.
Glas
Die wenigen Glasfragmente zeugen von
einer gehobenen Lebensweise auf der
Burg. Vor allem bei einem emailbemalten
Fragment aus blauem Glas (Abb. 6/5) han-
delt es sich um ein außergewöhnliches
Fundstück. Es weist auf der Außenseite
drei unterschiedlich breite, konzentrische,
gelblich-weiße Kreissegmente auf, in
dessen Inneren sich eine länglich-ovale
Punktrosette befindet. Am oberen Rand
des Fragments lässt sich noch schwach
eine horizontale Linie erkennen. Das blau
gefärbte Glas und die Verzierung aus Krei-
sen und Punktrosetten sind für die so
genannten „byzantinischen Goldemail-
flaschen“ charakteristisch. Diese blauen
oder violetten Gefäße sind oft mit Medail-
lons bemalt, die mit Tauben, Greifen, und
Rankendekoren gefüllt sind. Die Blätter
der Ranken sind dabei als Emailpunkte
ausgeführt, in der Form einer längsovalen
Rosette. Gute Vergleichsmöglichkeiten
zum Glasfragment aus Heinfels bieten ein
Gefäß aus Korinth, dessen Datierung vage
in den Zeitraum vom 12. bis zum 14. Jahr-
hundert fällt, ein Fragment aus Schleswig,
das aus einer in die Zeit um 1200 datierten
Schicht stammt, ein Fragment aus Vene-
dig, das in das 13. Jahrhundert datiert wird,
und eines aus Tarquinia, stratigrafisch
nicht datierbar
26
. Das Heinfelser Fragment
lässt sich problemlos in das Gefäß aus Tar-
quinia einpassen. Geht man davon aus,
dass es sich bei dem Exemplar aus Hein-
fels um eine venezianische Kopie einer
byzantinischen Emailflasche handelt, eine
These, die durch archäologische Funde
und urkundliche Belege
27
einer solchen
Produktion erhärtet wird, dann bietet sich
eine Datierung des Stückes in die erste
Hälfte des 13. Jahrhundert n. Chr. an.
Zwei kleine Bruchstücke mit jeweils
zwei abgeflachten Rippen, die sich zu
einer einzigen Rippe vereinen, scheinen
ebenfalls Fremdstücke zu sein (Abb. 6/2,
6/4). Es handelt sich um Fragmente von
Gläsern mit optisch geblasenem, netz-
artigem Rautendekor, in der Literatur als
Kreuzrippenbecher bezeichnet, eine nord-
alpine Gefäßgattung
28
. Die einzigen aus
Tirol bekannten Exemplare stammen aus
Seefeld
29
. Ein umfangreicher Glasfund aus
Heidelberg beinhaltet eine große Zahl
optisch geblasener Kreuzrippenbecher aus
dem 15. Jahrhundert
30
, in Österreich gibt es
Vergleichsfunde aus Wien und Salzburg,
die in das 15. bis 16. Jahrhundert n. Chr.
datiert wurden
31
.
Aus wohl lokaler Produktion stammt
hingegen das zu einem Nuppenbecher
gehörige kleine, hell-blaugrüne Glasfrag-
ment mit rund überschmolzener Nuppe
(Abb. 6/1). Aus dem näheren alpinen Um-
feld bieten sich die Glasfunde aus Flasch-
berg, Serfaus und Erpfenstein
32
als Ver-
gleich an, Farbe, Größe und Form hier ge-
fundener Nuppen stimmen mit denen des
Heinfelser Fragments überein. Die weitaus
besten Vergleiche stammen aus Flasch-
berg, aus datierten Schichten des 12./13.
Jahrhunderts, einer Zeitstellung, die auch
für das Heinfelser Fragment die zutref-
fendste sein dürfte.
Außer Hohlglasfragmenten konnten im
Laufe der Grabungsarbeiten auch zwei
Glasperlen geborgen werden. Eine der
beiden war stark verschmolzen, ihre
ursprüngliche Form lässt sich nicht
rekonstruieren. Die zweite Perle (Abb. 6/3)
ist eine einfache Ringperle, eine Form, die
sich seit der Eisenzeit nicht verändert hat.
Es könnte sich um eine urgeschichtliche
OSTTIROLER
NUMMER 5/2006
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HEIMATBLÄTTER
Abb. 5: Metallfunde von der Eisenzeit bis ins 20. Jahrundert, neolithische
Silexpfeilspitze.
(Zeichnung: Michael Schick, Andreas Blaickner)
Abb. 4: Knochen-, Holz- und Bernsteinfunde.
(Zeichnung: Patrick Cassitti)