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OSTTIROLER
NUMMER 5/2006
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HEIMATBLÄTTER
lehmigem und mit einzelnen größeren
Steinen durchsetztem Material. Die Mauer-
züge des Bergfrieds ruhen direkt auf dem
Felsen, und sind in der Südostecke, wo
dieser steiler abfällt, zusätzlich durch ein
Vorfundament verstärkt.
Das gesamte Schichtpaket erweckte den
Eindruck, als sei es in rezenter Zeit voll-
ständig umgegraben worden. Zusammen-
passende Keramikfragmente lagen in ver-
schiedenen Sektoren, Aushüben und
Schichten, und selbst in den tieferen Be-
reichen von Schicht I wurden Reste eines
Postbus-Fahrplans aus dem Jahr 1937 ge-
funden. Nicht eindeutig bestimmen lässt
sich das Verhältnis zwischen dem Zeit-
punkt des Mauerdurchbruchs in der West-
wand und der Umschichtung der Sedi-
mente im Bergfried. Es ist jedoch anzu-
nehmen, dass der Durchbruch erst nach
dem Einsturz des Wohnturms im Jahr 1932
erfolgte, da ab diesem Zeitpunkt das Innere
des Bergfrieds nicht mehr erreichbar war.
Es ist nicht selten, dass freistehende
Türme, deren Hocheinstieg nicht mehr
erreichbar ist, durch solche Mauerdurch-
brüche zugänglich gemacht wurden
8
.
Da keine brauchbare Stratigrafie zu be-
obachten war, musste die Einordnung der
Funde auf typologischer Basis erfolgen.
Bemerkenswert ist das breite chronologi-
sche Spektrum: Von der Jungsteinzeit bis
in die Neuzeit ist jedes Zeitalter im Fund-
gut vertreten. Im Folgenden sollen ausge-
wählte, repräsentative Fundstücke genauer
vorgestellt werden.
Keramik
Der Großteil der Keramik ist urge-
schichtlicher Herkunft. Alle Objekte sind
sehr stark fragmentiert, und nur wenige
Stücke haben relevante Merkmale. Insge-
samt finden sich im keramischen Material
24 Rand- und zehn Bodenfragmente. An-
hand der Randfragmente wurde eine Min-
destanzahl von 19 Gefäßen ermittelt, unter
Zuhilfenahme markanter Wandfragmente
ließ sich diese Zahl auf 29 erhöhen.
Unter den Funden befinden sich mehrere
charakteristische Fragmente von Gefäßen
der spätbronzezeitlichen Laugen-Melaun-
Kultur, darunter die Randscherbe eines
Früh-Laugener Gefäßes mit ausbiegendem
Rand und schräg zueinandergestellten
Stempelkerben an der aufgelegten Hals-
leiste (Abb. 2/1), und das Bodenstück eines
Laugen-Melauner Kruges (Abb. 2/2), das
den charakteristisch ausgebildeten Standfuß
mit der deutlichen Kehlung amWandansatz
aufweist. Wegen des fehlenden Dekors ist
bei diesem Fragment nur eine grobe Einord-
nung nach Laugen-Melaun A bis C möglich.
Es ist wahrscheinlich, dass auch viele der
nicht näher zuzuordnenden urgeschicht-
lichen Randstücke dieser Zeitstellung ange-
hören. Dafür spricht ihre Ähnlichkeit zu
obengenanntem Bodenstück in Magerung,
Brand und Oberflächenbeschaffenheit.
Zu einer eisenzeitlichen Fritzens-San-
zeno-Schale mit S-förmigem Profil gehört
ein mit Kammstempel- und Riefenzier
dekoriertes Bodenstück (Abb. 2/3). Obwohl
die Profilform auch auf einen Trichter-
randbecher zutreffen könnte, scheint das
Gefäß für diese Zuweisung doch etwas zu
groß. Die erhaltene Verzierung besteht aus
einer senkrechten Doppelreihe schräger
Rhombenstempel und aus zwei parallel
dazu verlaufenden seichten Riefen. Das
Fragment lässt sich in die Früh- bis Mittel-
laténezeit datieren.
Aus römischer Zeit stammt das Wand-
stück einer kleinen Schale mit drei parallel
verlaufenden horizontalen Rippen (Abb.
2/5). Die Keramik ist dünnwandig, redu-
zierend gebrannt, und wirkt durch die aus-
gewaschene Kalkmagerung porös, mögli-
cherweise handelt es sich um das Fragment
einer römerzeitlichen Schale, für die es aus
Aguntum gute Vergleiche gibt
9
. Typische
Merkmale „norischer“ oder „grauer, rauer
Ware“ trägt ein Fragment mit nach außen
gebogenem, kantig verdicktem Rand (Abb.
2/4). Es entspricht der von Fasold anhand
des Gräberfeldes von Seebruck definierten
Randform T 14, die dieser in die fortge-
schrittene mittlere Kaiserzeit datiert
10
.
Das Mittelalter ist nur durch wenige
Bruchstücke vertreten. Das Fragment
eines umgeschlagenen, unterschnittenen
Leistenrandes mit Innenkehlung (Abb.
2/6) lässt sich sehr gut mit Formen aus
Flaschberg vergleichen, die in das 12./13.
Jh. datieren
11
. Mittelalterlich bis neuzeit-
lich ist wohl auch das Randstück eines
schalenförmigen Objektes, bei dem es sich
um das Fragment einer Lichtschale han-
deln könnte (Abb. 3). Am Objekt ist der
Ansatz eines abgesetzten Standbodens
oder eines Fußes erkennbar. Einfache
Lichtschalen mit oder ohne abgesetztem
Standboden sind im Fundgut mittelalter-
licher Grabungen regelhaft vertreten
12
,
Lichtschalen mit hohem Fuß, auch als
Pokallampen bezeichnet, sind hingegen
selten, aus Tirol ist noch kein solches Stück
bekannt. Die Datierung der Pokallampen
ist unsicher und variiert regional stark.
Exemplare aus dem sächsischen Raum
werden in das 14. und 15. Jahrhundert
datiert, während solche aus dem Mühl-
viertel der Romanik zugeordnet werden
13
.
Knochen
Bei der Grabung im Bergfried von Hein-
fels wurden ca. 2,4 kg Knochen geborgen.
Es handelt sich um Knochen der geläu-
figsten Haustiere: Rind, Schwein, Schaf/
Ziege, sowohl von jungen als auch von
ausgewachsenen Exemplaren, in geringe-
rer Anzahl waren auch Hasen- und Hüh-
nerknochen vertreten. Die meisten Kno-
chen weisen Hack- und Schnittspuren auf,
es sind also zum Großteil Speiseabfälle.
Unter den verarbeiteten Knochen finden
sich acht kleine Knochenperlen (Abb. 4/1)
mit einem relativ einheitlichen Außen- und
Innendurchmesser. Die Perlen aus Heinfels
sind in Größe und Form solchen aus
Flaschberg
14
sehr ähnlich, eine Datierung
gestaltet sich trotz mittelalterlicher und
neuzeitlicher Vergleiche jedoch schwierig,
da einfache Ringperlen aus Knochen seit
der Urgeschichte in Gebrauch sind, wie
Funde beispielsweise aus dem hallstattzeit-
lichen Gräberfeld von Künzing zeigen
15
.
Eindeutig mittelalterlich ist hingegen ein
kleiner Knochenwürfel (Abb. 4/2), der sich
mit seiner durchschnittlichen Seitenlänge
von 7 mm gut in die Gruppe mittelalter-
licher Spielwürfel einfügt. Solche Würfel
kamen in Tirol und Oberkärnten bei
Grabungen auf Flaschberg, Erpfenstein,
Herrenhauswand und in Lienz zutage
16
.
Holz und Bernstein
In den Auffüllschichten des Bergfrieds
fand sich eine ganze Anzahl an Hölzern
verschiedenster Größe und Form. Eine
Funktionsbestimmung gestaltet sich bei
den meisten Objekten schwierig, es könnte
sich sowohl um Bauholz als auch um Holz
für Geräte gehandelt haben. Alle gefunde-
nen Holzgegenstände weisen mehr oder
weniger bearbeitete, glatte Oberflächen
auf, Spalthölzer kommen nicht vor. Einige
sind leicht angekohlt.
Bei einem gewölbten flachen Holz han-
delt es sich um die Daube eines kleinen
Fässchens mit einer ursprünglichen Höhe
von ca. 20 cm (Abb. 4/5). Die Holzdaube
ist leicht trapezförmig, das Daubengefäß
zu dem es gehörte, hatte eine konische
Wandung. Der untere Innendurchmesser
kann auf ca. 30 cm geschätzt werden, der
obere auf ca. 24 cm. Eine Holzzunge
(Abb. 4/4) gehörte wohl zum Gebinde des
Fässchens.
Abb. 2: Eine repräsentative Auswahl der
Keramik. (Zeichnung: Andreas Blaickner)
Abb. 3: Mögliche Rekonstruktion der Pokal-
lampe.
(Zeichnung: Andreas Blaickner)