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Perle wie jene aus dem eisenzeitlichen
Gräberfeld von Niederrasen
33
handeln,
aber auch um eine neuzeitliche Perle aus
dem 17. Jh., wie sie gern in Rosenkränzen
Verwendung fand
34
.
Stein
Eine Silexpfeilspitze mit leicht einge-
zogener Basis stellt einen der ältesten
Siedlungsnachweise im Osttiroler Puster-
tal dar (Abb. 5/6)
35
. Die Pfeilspitze ist
flächig retuschiert und zeigt eine um-
laufende Randretusche. Die Schneiden
sind leicht konvex gekrümmt, die Basis
symmetrisch gebildet. Es handelt sich um
eine im alpinen und nordalpinen Raum
häufige Form. Silexpfeilspitzen lassen sich
chronologisch und kulturell nur schwer
einordnen, die Heinfelser Pfeilspitze kann
daher nur ungefähr in den Zeitraum vom
Mittel- bis zum Endneolithikum datiert
werden. Es handelt sich bei dieser Form
um einen hauptsächlich nordalpinen
Typus, der auch in Norditalien verbreitet
ist, wo jedoch lorbeerblattförmige und
gestielte Pfeilspitzen vorherrschen
36
. Die
besten Parallelen ergeben sich zu Funden
aus dem Südtiroler Raum
37
.
Zusammenfassung
Kaum ein anderer Fundort in Osttirol
weist eine Platzkontinuität, wenn auch mit
möglichen Unterbrechungen, für fast alle
antiquarischen Stufen vom Neolithikum
bis in die Neuzeit auf. Dabei muss jedoch
berücksichtigt werden, dass aufgrund der
Befundsituation und der geringen Fund-
menge die Unterscheidung zwischen
Nutzungsphasen und Phasen sporadischer
Begehung nicht möglich ist. Daher muss
auch offen bleiben, mit welcher Art von
Nutzung wir es auf dem Heinfelser Burg-
hügel in der Urgeschichte zu tun haben.
Denkbar wäre sowohl die Existenz einer
Siedlung, als auch die eines Opferplatzes,
wobei sich die zwei Möglichkeiten nicht
gegenseitig ausschließen. Das breite chro-
nologische Spektrum des Fundmaterials
findet in den bisher erforschten urge-
schichtlichen Siedlungen des Osttiroler
Raums (Breitegg, Lavanter Kirchbichl,
„Burg“ bei Obermauern
38
) gute Parallelen,
daher scheint eine Deutung als Siedlungs-
platz nicht unwahrscheinlich.
Das Fragment eines Bronzeblechgefäßes
kann als ein Hinweis auf einen gewissen
Wohlstand der Bewohner oder Besucher
dieses Ortes gedeutet werden, denn solche
Objekte waren ausgesprochene Prestige-
güter, und sind im Osttiroler Fundgut selten.
Neben einem Bronzeblechfragment von
der „Burg“ bei Obermauern und einer
römischen Bronzekanne aus Lavant sind vor
allem die Bronzeblechgefäße aus dem rei-
chen Gräberfeld von Welzelach bekannt
39
.
Die ältesten mittelalterlichen Keramik-
fragmente stammen aus dem 12./13. Jahr-
hundert, eine Datierung, die sich gut mit
den bauanalytischen Untersuchungen und
schriftlichen Quellen deckt, die auf eine Er-
bauung der Burg im 13. Jahrhundert deuten.
Sie finden im Flaschberger Material ihre
besten Parallelen. So gehört Heinfels im
Hochmittelalter zum selben keramischen
Formenkreis wie Flaschberg, eine Keramik-
provinz, die sich an Kärntner Formen an-
lehnt, und deren Westausdehnung durch die
Funde von Heinfels mindestens bis an die
Grenzen der ehemaligen Hofmark Innichen
erweitert werden kann. Wie die urgeschicht-
lichen, so bezeugen auch die mittelalter-
lichen Funde eine gewisse Bedeutung des
Ortes. Die emaillierte „byzantinische“
Flasche ist aufgrund ihrer Seltenheit im eu-
ropäischen Fundgut zu den Prestigegütern
zu zählen, ebenfalls der vergoldete Pferde-
geschirranhänger, ein repräsentativer Aus-
stattungsgegenstand des Adels.
Der Burghügel von Heinfels kann somit
zu den bedeutenden archäologischen
Fundstätten des Landes gezählt werden.
Weitergehende Forschungen sind dringend
nötig, um ein besseres Bild über die Ge-
schichte dieses eindrucksvollen Platzes er-
langen zu können.
Anmerkungen:
1 Meinrad Pizzinini, Heinfels. In: Tiroler Burgenbuch. IX.
Band – Pustertal (Bozen-Innsbruck-Wien, 2003), 415.
2 Martin Bitschnau, Burg und Adel in Tirol zwischen
1050 und 1300 (Wien 1983), 265 Nr. 275.
3 Georg Töchterle, Zur Frage der ältesten Besitzer des
Schlosses Welsberg. In: Der Schlern 4, 1923, 12f.
4 Töchterle a.a.O.; Pizzinini a.a.O, 392.
5 Freundliche Mitteilung Dipl.-Ing. Walter Hauser, Inns-
bruck.
6 Oswald Menghin, Archäologische Forschungen in Ost-
tirol 1943 und 1944. In: Der Schlern 23, 1949, 290.
7 Harald Stadler, in: Meinrad Pizzinini, Heinfels, Anm.
107. In: Tiroler Burgenbuch IX. Band – Pustertal
(Bozen-Innsbruck-Wien, 2003), 418-419.
8 Z.B. Burgruine Seedorf (Kanton Uri): Werner Meyer,
Die Sondierungen und Bauuntersuchungen in der Burg-
ruine Seedorf. In: Werner Meyer/Jakob Obrecht/Hugo
Schneider, Die bösen Türnli. Archäologische Beiträge
zur Burgenforschung in der Schweiz, 1984, 37-61.
9 Regina Trummer, Die einheimische Keramik von Agun-
tum. In: Osttiroler Heimatblätter 51/2, 1983, o.S. Abb. f.
10 Peter Fasold, Das römisch-norische Gräberfeld von See-
bruck-Bedaium. Materialhefte zur Bayerischen Vor-
geschichte Band 64 (Kallmünz/Opf. 1993), 70, 76.
11 Harald Stadler, Ausgrabungen auf der Burgruine Flasch-
berg bei Oberdrauburg in Kärnten, mit einem Beitrag
von Oeggl. In: Kurt Karpf u.a., Flaschberg, Archäologie
und Geschichte. Nearchos 3, 1995, Taf. 9/A85.
12 Eine Übersicht über den Formenschatz in Tirol und
Oberkärnten in Harald Stadler, Die Keramikformen
vom hohen Mittelalter bis zur frühen Neuzeit aus Bur-
gen in Nord- und Osttirol sowie Oberkärnten. In: Bei-
träge vom 34. Internationalen Hafnerei-Symposium auf
Schloss Maretsch in Bozen/Südtirol 2001. Nearchos 12,
2003, 155-174.
13 Harald Mechelk, Seltene Keramikformen des späten
Mittelalters und der frühen Neuzeit in Sachsen. In:
Volkstümliche Keramik aus Europa, 1976, 155, 163-
165, Abb. 1-2.
14 Stadler/Flaschberg a.a.O., 238 ff., Taf. 18 besonders
D22.
15 Franz Schopper, Das urnenfelder- und hallstattzeitliche
Gräberfeld von Künzing, Lkr. Deggendorf (Nieder-
bayern) (Regensburg 1995), 71.
16 Stadler/Flaschberg a.a.O., 236ff., Taf. 17; Harald Stad-
ler, Der Erpfenstein bei Erpfendorf, Gem. Kirchdorf in
Tirol, mit Beiträgen von Zaisberger und Pirkl. In: Kon-
rad Spindler (Red.), Ausgrabungen in Kirchdorf in Tirol.
Nearchos 2, 1994, Abb. 41/2-3, 105 D1, Taf. 25; Mein-
rad Pizzinini, Ausstellungskatalog 750 Jahre Stadt Lienz
1242 – 1992 (Lienz 1992), Nr.14.29.
17 Alfons Kasseroler, Das Urnenfeld von Volders. Schlern-
Schriften 204 (Innsbruck 1959), 226, Abb. 201.
18 Geoff Egan/Frances Pritchard, Dress Accessories
c.1150 – c.1450 (London 1991), 305ff., Taf. 9D.
19 Franz Kollreider, Die Bombenangriffe in Osttirol im
Jahre 1945. In: Tiroler Heimatblätter H. 9/12, 1947, 165.
20 Beispiele etwa in Martin Peter Schindler, Der Depot-
fund von Arbedo TI (Basel 1998).
21 Alwin Schultz, Das höfische Leben zur Zeit der Minne-
singer I. Neudruck der Originalausgabe von 1880
(Osnabrück 1991), 388, 390; Stefan Krabath, Die hoch-
und spätmittelalterlichen Buntmetallfunde nördlich der
Alpen (Rahden/Westfalen 2001), 232-251.
22 Krabath a.a.O., 239.
23 Lorenzo Dal Ri, Gli edifici medievali dello scavo di
Piazza Walther a Bolzano. In: Bozen, von den Anfängen
bis zur Schleifung der Stadtmauern, 1991, 245-303, Fig.
4/4.
24 Eine Zusammenstellung in Stadler/Erpfenstein a.a.O.,
Abb. 51.
25 Wolfgang Brückner, Marianischer Kult und Ikono-
graphie im 19. Jahrhundert. In: Bayrisches Jahrbuch für
Volkskunde 2003, 35-63.
26 Gladys R. Davidson, Corinth Volume XII. The Minor
Objects (Princeton, New Jersey 1952), 115 Nr. 750, Taf.
58/751, Taf. 146a; Peter Steppuhn, Gold- und Emailbe-
malte Gläser des 12. und 13. Jahrhunderts aus Nord-
deutschland. In: Annales du 13e congrès de l‘association
internationale pour l‘histoire du verre. Pays Bas 28. 8.
– 1. 9. 1995, 1996, 319, Fig. 3; Carl Pause, Spätmittel-
alterliche Glasfunde aus Venedig. Universitätsforschun-
gen zur Prähistorischen Archäologie 28 (Bonn 1996),
26; Whitehouse, Un vetro bizantino da Tarquinia. In:
Archeologia Medievale 9, 1982, 471-475, Fig. 1.
27 Pause a.a.O., 25-27; Luigi Zecchin, Vetro e vetrai di
Murano. Studi sulla Storia del Vetro 3 (Venezia 1990).
28 Erwin Baumgartner/Ingeborg Krueger, Phönix aus Sand
und Asche. Glas des Mittelalters (München 1988), 305 ff.
29 Thomas Reitmaier, Die Knochen-, Geweih-, Stein-,
Buntmetall- und Glasfunde vom Schlossberg bei See-
feld. Unpublizierte Diplomarbeit (Innsbruck 2002), 78,
98, H101, H102, H126, H133, H163, H164, Taf. 14-16.
30 Dietrich Lutz (Red.), Vor dem großen Brand: Archäolo-
gie zu Füßen des Heidelberger Schlosses (Stuttgart
1992), 83 ff.
31 Kinga Tarcsay, Mittelalterliche und neuzeitliche Glas-
funde aus Wien. Beiträge zur Mittelalterarchäologie in
Österreich Beiheft 3 (Wien 1999), 22, 123 30/F8.
32 Stadler/Flaschberg a.a.O., 294ff., H 51, H54, H55, H59,
Taf. 41.; Harald Stadler/Thomas Reitmaier, Archäologi-
sche Ausgrabungen am „Zienerbichl“ in Serfaus. In:
Robert Klien, Serfaus, 2002, 95-101, Abb. 3/1; Stad-
ler/Erpfenstein a.a.O., 132 H5, Taf. 41.
33 Reimo Lunz, Urgeschichte des Oberpustertales. Archäo-
logisch-historische Forschungen in Tirol 2 (Bozen
1977), Abb. 183.
34 Manfred Lehner, Die Archäologie des Leechhügels. In:
Forschungen zur Leechkirche in Graz. Fundberichte aus
Österreich, Materialhefte Reihe A, H. 4, 1996, 90 Grab
6, 92 Grab 16, Taf. 29, Taf. 32.
35 Claudia Müller, Silexpfeilspitze. In: Silvia Hack u.a.,
Archäologische Kurzbeiträge aus Tirol. Osttiroler Hei-
matblätter 65, Nr. 8, 1997, o.S.
36 Vgl. Bernardino Bagolini, Neolitico. In: Il Veneto nell‘
antichità I, 1984, Taf. auf den Seiten 388, 392, 414, 418,
420, 430, 434.
37 Lorenzo Dal Ri, Villandro, fondo Plunacker. In: Paleoli-
tico, Mesolitico e Neolitico dell‘ Italia nord-orientale.
Guide Archeologiche 4, 1995, 163 Abb. rechts unten;
Günther Niederwanger, Ur- und Frühgeschichte des
Sarntales. Archäologisch-historische Forschungen in
Tirol 8 (Trento 1984), 79, Taf. 51/1.
38 Wilhelm Sydow, Abschlussbericht über die Grabung auf
dem Breitegg, Gem. Nußdorf-Debant, Osttirol. In:
Archaeologia Austriaca 76, 1992, 129-177; Helgard
Rodriguez-Mattel, Die vor- und frühgeschichtlichen
Kleinfunde vom Lavanter Kirchbichl in Osttirol. Un-
publizierte Dissertation (Innsbruck 1986); Hans Rans-
mayr, Die „Burg“ bei Obermauern in Virgen, Osttirol.
Unpublizierte Diplomarbeit (Innsbruck 1998).
39 Ransmayr a.a.O., 131; Helga Sedlmayer, Die römischen
Bronzegefäße in Noricum. Monographies Instrumentum
10 (Montagnac 1999), 30, Taf. 10.4; Andreas Lippert,
Das Gräberfeld von Welzelach (Osttirol) (Bonn 1972).
OSTTIROLER
NUMMER 5/2006
4
HEIMATBLÄTTER
IMPRESSUM DER OHBL.:
Redaktion: Univ.-Doz. Dr. Meinrad Pizzinini.
Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren
verantwortlich.
Anschrift des Autors: Mag. Patrick Cassitti,
A-6020 Innsbruck, Egger-Lienz-Straße 104.
Manuskripte für die „Osttiroler Heimat-
blätter“ sind einzusenden an die Redaktion
des „Osttiroler Bote“ oder an Dr. Meinrad
Pizzinini, A-6176 Völs, Albertistraße 2 a.
Abb. 6: Einige Glasfunde.
(Zeichnung: Patrick Cassitti)