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OSTTIROLER
NUMMER 7-8/2006
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HEIMATBLÄTTER
licher Phänomene – von Grußsitten und
Bräuchen über Glaubensvorstellungen,
Arbeitstechniken und Wohnweisen bis hin
zu Traumdeutungen und Charakterzu-
schreibungen – erstellt werden. So hoffte
man, wie es 1934 der damalige Leiter des
ADV Herbert Schlenger erklärte,
„volks-
kundliche Gegenstände kartographisch
darzustellen, um sie damit in ihrer Über-
sicht leicht mit den Raum-Zeit-Faktoren,
wie Boden, Pflanzenbedeckung, Anbau
u. a., in Beziehung setzen zu können“.
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In
diesemAnsatz war die Idee einer national
bestimmten Deutung von Kultur verfloch-
ten, welche geradewegs in den national-
sozialistischen Filz hinein führte. Wesent-
liches Ziel des Atlasprojektes sollte
nämlich die Beweisführung sein, dass
„trotz aller Mannigfaltigkeit in Mundart,
Brauch und allen den anderen Erschei-
nungsformen des Volks- und Stammestums
in Nord und Süd, Ost und West, im Reich
und jenseits der Grenzen, das deutsche
Volk eine untrennbare Einheit“
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sei.
Eine solche Ideologie offenbarte sich be-
sonders bei Adolf Helbok, dem intellektu-
ellen Urheber der Atlasidee in Österreich.
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Helbok erkannte imAtlas ein wirkungsvol-
les Instrument, der Volkstumsideologie ent-
sprechende Kultur- und Stammesgrenzen
festzulegen.
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Schließlich sei das Projekt,
wie auch im Gründungsprotokoll des ADV
in Österreich zu lesen ist,
„eine heilige An-
gelegenheit des deutschen Volkes, weil sie
einem übernationalen Sinn dient, der Er-
kundung des deutschen Volkstums“.
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So ist es nicht verwunderlich, dass sich in
der Zeit des Nationalsozialismus sowohl
die
„Dienststelle des Beauftragten des Füh-
rers für die Überwachung der gesamten
geistigen und weltanschaulichen Schulung
und Erziehung der Nationalsozialistischen
Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP)“
, das
so genannte
Amt Rosenberg
, für die Mate-
rialien des ADV interessierte, als auch die
„Lehr- und Forschungsgemeinschaft ‚das
Ahnenerbe‘“
mit dessen Präsidenten
Hein-
rich Himmler
oder das
Reichserziehungs-
ministerium
.
2. Osttiroler Gewährsleute
Die
Österreichische Akademie der Wis-
senschaften
übernahm seit der Gründung
des
Atlas für Deutsche Volkskunde in
Österreich
1929 offiziell die Organisation
des Projektes. Mit der eigentlichen Leitung
aber wurde Adolf Helbok, ab 1941 Vor-
stand des
Instituts für Deutsche Volks-
kunde
der
Deutschen Alpen-Universität
Innsbruck
, betraut. Diese institutionelle
Verknüpfung brachte die Österreich, Süd-
tirol und Liechtenstein betreffenden Frage-
bögen nach Innsbruck, während andere
Teile des ADV heute in Bonn und Rostock
lagern. Nach 1945 diente diese
Gabe
schließlich dem aus dem Universitätsamt
entlassenen Helbok als Faustpfand für den
Erhalt einer staatlichen Pension.
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Zwischen
1932 und 1933 stieg Helbok zum Gesamt-
leiter des ADV auf. Wahrscheinlich in die-
ser Zeit gelangten auch mehrere Deutsch-
land betreffende Unterlagen ins Inns-
brucker ADV-Archiv, darunter einige die
Lausitz oder Nordwestdeutschland betref-
fende Originale der
„Probebefragung für
Haus und Sachen“
. Im Gegenzug dazu
sind die österreichischen Umschläge nur
vereinzelt vorhanden. Aus dem Bezirk
Lienz liegt allein jener aus Außervillgraten
vor. Ein weiterer, mit vielen Grundriss-
skizzen bereicherter Bogen, jedoch ohne
Angabe über den Verfasser, stammt aus St.
Lorenzen im Lesachtal. Vollständig im
Original sowie großteils auch in Kopie
vorhanden sind die zurückgesandten fünf
Fragebögen. Der Rücklauf des Gesamt-
projektes war beachtlich, verringerte sich
aber im Laufe der Jahre.
Wie aus der Tabelle ersichtlich wird,
waren es in Osttirol hauptsächlich (Volks-
schul-) Lehrer, welche die ausgesandten
Fragebögen beantworteten. Dies war
durchaus im Sinne der Initiatoren, wollte
man doch im
„Volksschullehrerstand“
einen wesentlichen Motor für den
„Auf-
schwung, den die Volkskunde genommen
hat“
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erkennen. Das bei der Befragung an-
gewandte Gewährsmannprinzip – jeweils
eine Person im Ort gibt stellvertretend
Auskunft – ist aus heutiger Sicht ein we-
sentlicher Kritikpunkt an der Erhebungs-
methode: Nur wenige der Auskunftsperso-
nen wurden, wie die beiden Virger Ge-
währsleute, auch im Ort geboren. Der
Großteil ließ sich erst beim Antritt des
Dienstpostens im Ort nieder. So zog der
Gemeinde (ADV-Nr.)
Bearbeiter, Beruf (Nummer des Fragebogens)
Außervillgraten
Josef Obbrugger, Lehrer („Probebefragung“)
(046-16-13)
Unbeantwortet (1-5)
Abfaltersbach
Dr. Peter Paul Bachlechner, Finanzbeamter (1,2,3)
(046-17-21d)
Unbeantwortet (4,5)
Anras
Karl Maister, Kooperator (4)
(046-17-17d)
Unbeantwortet (1,2,3,5)
Burg-Vergein (St. Justina)
Franz Hofmann, Lehrer (3,4)
(046-17-13d)
Unbeantwortet (1,2,5)
Innervillgraten
Anton Schett, Kaufmann (1)
(046-16-7a)
Hans Leitner, Oberlehrer (3,4)
Unbeantwortet (2,5)
Iselsberg
(047-7-21c)
Dominik Vallazza, Schulleiter (1-5)
Kals a. G.
Hedwig Weingartner, Lehrerin (1,2)
(036-35-25a)
Josef Obbrugger, Lehrer (3)
Unbeantwortet (4,5)
Kartitsch
(046-22-10b)
Franz Föger, Oberlehrer (1-5)
Lienz
(046-18-4a)
Lorenz Kröll, Hauptschuldirektor (1-5)
Matrei i. O.
Anna Haidegger, Oberlehrersgattin (1,3)
(036-35-22c)
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Ludwig Haidegger, Oberlehrer (2,4,5)
Sillian
(046-22-3ao)
Viktor Wanner, Lehrer (1-5)
St. Veit i. D.
Christian Gasser, Lehrer (3,4,5)
(046-3-23b)
Unbeantwortet (1,2)
St. Jakob i. D.
Peter Taschler, Lehrer (1,2)
(046-9-25d)
Unbeantwortet (3-5)
Virgen
Paul Berger, Bauer (Thaler in Niedermauern) (1,4,5)
(036-34-24d)
Hans Brandstätter, Oberlehrer (2,3)
Wissen in Karteikarten – ein Blick in das ADV Archiv Innsbruck.