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OSTTIROLER
NUMMER 10-12/2006
7
HEIMATBLÄTTER
rei: der Brauerei-Teich und der Bier-Trans-
port mit den Doppelspännern. Der Teich
diente der Eisproduktion. Im Spätwinter
wurden mit Sägen große Eisblöcke heraus-
geschnitten und im Sommer an viele Be-
triebe im ganzen Bezirk ausgeliefert. Wenn
die Bierfuhrwerke mit den starken, großen
Pferden kamen, war das etwas zum Staunen
für die Stadtkinder: Etwas Stärkeres als die
Brauerei-Rösser schien es nicht zu geben!
Der Brauerei-Teich war über Jahr-
zehnte für Kinder aus der Stadt einer der
wenigen Schwimm- und Badeplätze in
Stadtnähe. Dies duldete die Brauerei-Ver-
waltung bis zum Zuschütten des Teiches
im Jahre 1968.
Der Bereich Ortner Säge –
aus ihrer Geschichte
Vor 1907 stand hier eine Knochen-
mühle;
im Jahre 1907 erwarb Jakob Ortner (geb.
1873), Drechslermeister in Lienz, von
Franz Putzenbacher, Seilermeister in
Lienz, die BP 303/2 mit der alten Kno-
chenmühle und von Josef Wimmer, Ger-
bermeister in Lienz, die BP 512.
Im selben Jahr errichtete er an dieser
Stelle eine Tischlerei und eine Drechslerei
mit Wasserkraftantrieb. Im Jahre 1910 er-
weiterte er die Anlage zu einem Sägewerk
mit Holzhandel.
Der Antrieb der Säge erfolgte durch ein
riesiges, unterschlächtiges Wasserrad mit
einem Durchmesser von etwa 5 m und
einer Breite von mehr als 1 m. Das riesige
Wasserrad am Ortner Wohnhaus ist ein
Relikt aus der Zeit, da die Wiere für die
mechanischen Maschinen der Sägewerke
Zwei-
teilung
der Wiere
im Be-
reich der
Ortner-
Säge; auf
der Insel
zwischen
den
Wiere-
Armen
befand
sich einst
ein
Hammer-
werk.
Foto:
Franz
Edlinger
Das Jakoberhaus
in der Weidengasse
(Nr. 11) knapp nach
der Fassung der
Wiere in den Kanal.
Die schmale Rasen-
fläche an der Ost-
seite des Hauses
lässt gut die ehe-
malige Trasse der
Wiere erkennen.
Fotos:
A. Heinricher
Bereich Weiden-
gasse – Wehr,
wo die Drauwiere
seit 1962 in den
Kanal eingeleitet
wird; am linken
Bildrand das
Jakoberhaus.
die Energie lieferte. Die Kraft des Rades
wurde über eine Welle ins Haus-Innere
übertragen und von dort mittels Transmis-
sion in das Sägewerk. Leider scheint die-
ses technische Relikt bei der Demontage
zerstört worden zu sein. Nur mehr ein Foto
von Gottfried Rainer erinnert an dieses
einmalige Stück früherer Energie-Technik.
Es betrieb bis 1962 mechanisch alle
Maschinen des Sägewerkes.
Die Ortner-Säge hatte während ihres
kaum 60-jährigen Bestandes schwierige
Zeiten zu überstehen:
1921: Brand der Säge und Neubau im
folgenden Jahr;
1930: neuerlicher Brand.
Während des Zweiten Weltkrieges
(1941) gerät die Ortner-Säge in Konkurs
und Ausgleich. Nach dem Krieg wird der
Sägebetrieb durch Lois, Gottfried und
Theobald Ortner wieder aufgenommen. In
den 60er-Jahren wurde auf Voll-Elektrifi-
zierung umgestellt. Einige Zeit wurde zu-
sätzlich auch die Wasserkraft genutzt.
1965: Ende des Sägewerkes.
Weitere Anlagen in diesem Bereich:
Die Wiere war hier geteilt, sodass eine
Insel entstand: Darauf stand ein Hammer-
werk und gegenüber amWiere-Ufer später
eine Mühle: die Schloßmoar-Rohracher-
Mühle.
Das Wohnhaus an der Mühle war bis
1940 von der Familie Rohracher bewohnt,
von 1940 bis 1960 von der Familie Ober-
hauser, denen ein Kind im Jahre 1956 in
der Wiere ertrank.
Gerberwerkstätte-Jakoberhaus
Das Jakoberhaus steht heute noch in der
Weidengasse. In seiner Nähe verschwindet
die Wiere im Kanal.
Im Jahre 1878 wurde die Parzelle vom
Gerber Lorenz Egartner erworben und
darauf eine Gerberwerkstätte errichtet. Im
Holztrakt, direkt amWiere-Kanal, war die
Gerbergrube.
Durch Kaufvertrag ging die Liegen-
schaft im Jahre 1902 an Kaspar und Ju-
liane Degischer über.
Weitere Besitzwechsel: 1906 Verkauf an
Josef Egartner; 1943 an Anna Jakober, geb.
Egartner; 1965 an Waltraud und Maria
Duregger und 1976 an Alois Jakober.
Das Ende der Lienzer Wiere
Der für zahlreiche Lienzer Gewerbebe-
triebe einst so wichtige Wiere-Kanal hörte
im engeren Stadtbereich im Jahr 1962 auf
zu existieren. Im Bereich der Weidengasse
wurde er in den Kanal eingeleitet und ist
daher von hier ab nicht mehr zu sehen.
Walter Kneschaurek berichtete über das
Ende der Wiere im Osttiroler Boten vom
15. November 1962:
„Das Schicksal der Jahrhunderte alten
Wiere besiegelt. – Wir mussten uns, ob
wehmütig, ob vernünftig überlegend, daran
gewöhnen, dass in unserem Zeitalter die
Romantik von der Technik aufgefressen
wird. So ging es auch der Wiere, die etwa
schon seit der Römerzeit nach einem
schmalen Bett von Leisach nach Lienz zur
Isel eilte. Jetzt, das Bachbett teils zuge-
schüttet, teils in Rohre gezwängt, – wurde
die Wiere Opfer der Umfahrungsstraße.
Nun ist es so weit: Die Wiere ist aus dem
engeren Blickfeld der Stadt verschwunden.