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OSTTIROLER
NUMMER 10-12/2006
2
HEIMATBLÄTTER
Für das Alter dieses künstlichen Wasser-
laufes gibt es nur wenige Angaben. Dass
die Drauwiere im 15. Jahrhundert einen
schützenden Wassergraben entlang der
südlichen Stadtmauer von Alt-Lienz dar-
stellte, ist ebenso belegt, wie dass es im
Jahre 1448 eine „görzische Kessel-
schmiede“ an der Wiere in Leisach gab.
Im Jahre 1758 zerstörte ein Hochwasser
die Drauwiere. Ein Jahr vorher waren der
Rindermarkt, die Spitalskirche und der „Un-
tere Stadtplatz“ unter Wasser gestanden!
Vertragliche Nutzung der Drauwiere
Bald nach den Zerstörungen durch das
Hochwasser der Wiere im Jahre 1758
wurde die Wassernutzung der Wiere ver-
traglich geregelt. Der älteste schriftliche
Vertrag ist mit 26.2.1794 datiert: Vertrag
über die Nutzungsrechte zwischen „Werk-
stättern“ (auch Messingwerk) und „Wie-
sen-Interessenten“, vom Kreisamt für das
Pustertal mit Sitz in St. Lorenzen bei
Bruneck bestätigt (29.11.1794).
21.6.1836: Gründung des „Lienz-Leisa-
cher-Wierevereines“. Der Verein gibt sich
Statuten mit 15 Paragraphen, bestätigt vom
Gericht Lienz am 7.12.1836. Ab 1932
bestand die Absicht, den „Wiereverein“ in
eine „Wasserwerksgenossenschaft“ umzu-
wandeln.
Im Jahr 1939 genehmigte die Landes-
hauptmannschaft Kärnten, der damals Ost-
tirol unterstand, die Satzungen der „Lienz-
Leisacher-Wiere-Wasserwerksgenossen-
schaft“ (vormals „Wiereverein“) mit den
selben Bedingungen wie im Vergleich von
1794 und den Statuten von 1836.
Im Jahr 1962 musste die Wiere dem Bau
der Lienzer Umfahrungsstraße weichen.
Damit endeten die Jahrhunderte langen
Nutzungen, und das offene Gerinne der
Wiere verschwand damit aus dem Stadt-
bereich.
Mit Bescheid der Tiroler Landesregierung
vom 27.7.1962 wurde die Umleitung der
Wiere etwa ab der Ortner-Säge wasserrecht-
lich bewilligt. Die Umleitung erfolgt durch
unterirdische Kanäle unter den Straßen der
Siedlung bis zum Draupark und dort Ein-
mündung in die Drau. Für die Ablöse von
wasserrechtlichen Nutzungen wurden ein-
malige aber auch dauernde Zahlungen ver-
einbart, vor allem mit den Lienzer Betrie-
ben, wie Wimmer-Lederwalke, Brugger-
Loden, Wanner-Säge und Zambelli. Der
21-seitige Bescheid wurde an 52 Adressen
verschickt. Die „Lienz-Leisacher-Wiere-
Werksgenossenschaft“ wurde aufgelöst.
Auch das Kraftwerk in Amlach, das ab
1989 bis zu 20 Kubikmeter/sec. des Drau-
wassers in Anspruch nimmt, trug zum Ende
der Wiere bei. Als das TIWAG-Kraftwerk
Amlach den Betrieb aufnahm, verblieb der
Drau nicht mehr die im Bescheid vorge-
schriebene Restwassermenge. Es betraf
dies zwar nur den kurzen Abschnitt der
Drau zwischen Ausleitung der Wiere und
dem Unterwasserkanal mit dem Rückfluss
aus dem Kraftwerk. Die TIWAG wünschte
sich daher die Auflassung der Wiere, die
pro Sekunde drei Kubikmeter Wasser der
Drau entnahm. Dies wurde von der Ge-
meinde Leisach abgelehnt, vor allem
wegen des Löschwassers, das die Wiere seit
jeher bot. In einem Kompromiss hat sich
die Gemeinde Leisach bereit erklärt, die
Wassermenge der Wiere auf zunächst 700
Sekundenliter zu reduzieren und später auf
eine noch kleinere Menge nämlich: 500
Liter/sec. im Sommer und 100 Liter/sec. im
Winter. Damit blieb für die Gemeinde Lei-
sach die notwendige Menge für Lösch-
wasser und Bewässerung erhalten.
Außerdem wurde auch der ökologischen
Forderung Rechnung getragen, das Was-
serkontinuum im Wierekanal zu erhalten.
Ein funktionierendes Gerinne ist aber auch
für die Aufnahme des kleinen Leisacher
Dorfbachls als auch für einige (normaler-
weise) kleine Rinnsale vom Schlossberg
herunter im Bereich Brauerei – Hofer-
Markt notwendig; denn diese haben bei
Starkregen schon mehrmals die Bundes-
straße mit Sand und Schotter erreicht.
Die neue Leisacher Wehranlage für die
Wiere (seit dem Jahr 2000)
Ursprünglich waren die Auslass-Schal-
ten für die Leisacher und Amlacher Wiere
auf beide Ufer getrennt. Je nach Verschot-
terung schwankte die Wasserführung für
die Ausläufe bald mehr für die eine Wiere,
bald für die andere. Bereits in den 30er-
Jahren musste die Wehranlage bei der Aus-
leitung der Wiere in Leisach nach Zerstö-
rungen durch ein Hochwasser erneuert
werden (Fertigstellung 1940/41).
Trotzdem blieb in den folgenden Jahr-
zehnten die Wasserführung der Leisacher
Wiere oft unzureichend.
Eine großzügige Wehranlage auf der Am-
lacher Seite, errichtet um das Jahr 2000, er-
möglicht nun die verlässliche Wasserführung
für beide Wierkanäle auf folgende Weise: Es
wird mit einem Dücker unter dem Draubett
das Wasser für die Leisacher Wiere vom
Amlacher Ufer zum Leisacher Ufer durchge-
leitet. Dort regelt eine neue Schaltanlage die
Wassermenge der Leisacher Wiere.
Mit der Änderung der Wasserführung
war ein Umbau der Wiere notwendig ge-
worden. Die abschließende Renaturierung
Die neue
Leisacher Wehr-
anlage, Amlacher
Seite.
Fotos: Alois
Heinricher
Der erste Wiere-
Abschnitt nach
der Ausleitung
aus der Drau.
Nach der Redu-
zierung und den
Sanierungsarbei-
ten wurde die
Wiere zu einem
naturnahen
Bachlauf.
Leisach,
Haus
Nr. 49
(links),
früheres
„Sag-
schnei-
der-
haus“,
und
Haus
Nr. 14,
früher
„Sag-
müller“.
Foto:
A. Hein-
richer