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NUMMER 10-12/2006
74. JAHRGANG
OSTTIROLER
HEIMATBLÄTTER
H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “
Vorwort
Das Gebirgsland Tirol ist von jeher
besonders geeignet, die fast überall in aus-
reichendem Maß vorhandene natürliche
Wasserkraft an den Fluss- und Bachläufen
technisch zu nutzen.
So sind im Laufe der Zeit in einzelnen
Regionen und Talschaften Tirols die unter-
schiedlichsten Formen von Wasserkraftan-
lagen entstanden. Sie wurden von sehr fin-
digen, versierten Menschen letztlich mit
dem Bestreben errichtet, bei anstrengen-
den Arbeiten Muskelkraft zu sparen und
manuelle Tätigkeiten durch mechanische
Hilfsmittel zu ersetzen.
Die bekanntesten Anlagen sind Korn-
mühlen, Sägewerke, Hammerschmieden
und einige Wasserkraftanlagen, die heute
z. T. nur mehr historisch zu erfassen sind.
Dazu gehören:
Stampfmühlen
wurden nicht nur im
Bergbau eingesetzt, sondern dienten auch
zum Zerkleinern von Früchten. In der
Gerstenstampfe
werden durch einen fal-
lenden „Schießer“ (schwerer Lärchenbal-
ken) die Gerstenkörner enthülst.
In den mit Wasser getriebenen
Stampfen
und
Pressen
wurden Leinsamen zerklei-
nert und weiter zu Leinöl verarbeitet.
Knochenmühlen
arbeiteten nach dem
gleichen Prinzip und machten Knochen-
mehl aus Tierknochen.
In den
Lohmühlen
wurde die Gerbstoff
hältige Baumrinde zerkleinert.
Walkmühlen
oder
Lodenstampfen
er-
leichterten das beschwerliche Walken der
schweren Wolltücher.
Die von Wasserkraft betriebene
Wollkar-
tatsche
ersetzte das händische Auflockern
der Wolle durch einen maschinellen Vor-
gang.
Bei der Flachs-Aufbereitung wurde die
Wasserkraft zum Betrieb von
Brechelma-
schinen
und
Flachs-Schlagen
genutzt.
Lange Draht-Transmissionen und Seil-
scheiben übertrugen die Energie oft über
100 m von den Wasserrädern in die Wirt-
schaftsgebäude zu
Heu-Aufzügen
und
Dreschmaschinen
.
Aus der Geschichte der Wiere
Die Wiere, auch Drauwiere genannt, war
durch Jahrhunderte eine wichtige Energie-
quelle für eine Reihe von Gewerbebetrieben
zwischen Leisach und Lienz. Sie diente aber
auch in anderer Weise vielen Anrainern.
Zwischen der Ausleitung in der Nähe der
Galitzenbach-Mündung bis zu den Kohlen-
meilern am heutigen Leisacher Gries
brauchte man bis zum Beginn des 18. Jahr-
hunderts die Wiere zum Holzflößen.
Für die Bauern von Leisach war sie un-
abdingbar für die Wasserversorgung von
Mensch und Tier (Schöpfrechte). Die Be-
wässerung der Felder war stundenweise
genau für jeden Besitzer geregelt. An der
Wiere wurde Wäsche gewaschen, das
Garn geschwemmt und gebleicht. Auch im
Lienzer Bereich diente das Wasser der
Wiere nicht nur der Energie-Erzeugung
sondern auch der Bewässerung von größe-
ren und kleineren Gartenanlagen.
Die Drauwiere hatte ihre größte Bedeu-
tung in der Zeit des Lienzer Messingwerks
(von 1564 bis 1825). Die Wasserkraft der
Wiere diente mit Hilfe von Wasserrädern
einer Reihe von Maschinen zumAntrieb,
so für Hammerschläge, Galmeimühlen
und Walzwerke.
Alois Heinricher
Die einstigen Betriebe an der
Leisacher-Lienzer Drauwiere
Ausleitung der Wiere aus der Drau in der Nähe der Galitzenbach-Mündung. In diesem
Bereich wurde sie zum Holzflößen bzw. zum Beliefern der Kohlenmeiler des Lienzer Mes-
singwerkes am Leisacher Gries benützt.
(Museum und Fotoarchiv der Stadt Lienz
Schloss Bruck)