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OSTTIROLER
NUMMER 2/2012
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HEIMATBLÄTTER
quieszierter Landrichter zu Lienz; Mayr
Adam, Handelsmann zu Lienz (alle bereits
1823 beigetreten); Felderer Joseph, Advo-
kat zu Lienz (1826); Bachmann Andreas,
Pfarrer von Sillian; Zoderer Johann,
Stadtpfarrer von Lienz; Wierer Johann,
Dekan zu Windischmatrei (1843); Scheitz
Andreas, Priester zu Villgraten (1848).
Dass mit dieser – kurzen – Liste nicht
die Zahl derjenigen Osttiroler erschöpft ist,
die im Zusammenhang mit dem Ferdinan-
deum in den ersten Jahrzehnten seines Be-
stehens genannt werden müssen, versteht
sich von selbst: Zu den vielfältigen Ge-
schenken, die Mandatar Vintler dem
Museum machte, zählt auch die Lieder-
handschaft Oswalds von Wolkenstein c,
eine der drei maßgeblichen Handschriften,
die das Oeuvre dieses spätmittelalterlichen
Tiroler Dichters überliefern. Und der erste,
der sich spätestens ab 1829 mit ihr be-
fasste, war der gebürtige Lienzer Beda
Weber. Er durfte sie sogar bis 1835 aus-
borgen! Dem Museum waren Webers
Oswald-Studien so wichtig, dass es 1834
die in Wien verwahrte Oswald-Handschrift
A kurzfristig nach Innsbruck auslieh; da
man diese Leihgabe nicht außer Haus
geben und Weber ins Kloster Marienberg
nachschicken konnte, wurde der Codex für
ihn seitengetreu abgeschrieben.
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– Beide
Manuskripte sind nach wie vor Bestand
der reichen als Präsenzbibliothek geführ-
ten Ferdinandeums-Bibliothek und verlas-
sen das Haus nur zu besonderen Anlässen
als befristete Leihgaben; Oswald-klein-c
letztmalig zur großen Wolkenstein-Aus-
stellung auf Schloss Tirol 2011.
Waren die in erfreulichem Maße an-
wachsenden Sammlungen des Ferdinan-
deums in den Jahren nach seiner Grün-
dung mehr oder weniger provisorisch
untergebracht – zunächst im Stift Wilten,
dann zusätzlich und schließlich großteils in
angemieteten Räumen der Universität –, so
wurde die Suche nach einem eigenen Mu-
seumsgebäude immer dringlicher. Im ge-
bürtigen Tristacher Anton Mutschlechner
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fanden die Museumsverantwortlichen den
geeigneten Architekten für diese große
Aufgabe, die im sog. Angerzell, wie das
damals noch unverbaute Areal um die heu-
tige Museumstraße hieß, verwirklicht
werden sollte. Als man mit Mutschlechner
in Kontakt trat, war er noch gefeierter
Stadtbaumeister in Mannheim. Als Erz-
herzog Johann am 2. Oktober 1842 den
Grundstein zum Bau legte, war er bereits
in derselben Funktion in Innsbruck tätig.
Mutschlechner überzeugte mit einem
Konzept, das schlicht war und dennoch die
Erfordernisse des Tiroler Nationalmuse-
ums erfüllte und auch den Vergleich mit
anderen Museumsbauten nicht zu scheuen
brauchte. Wie beispielsweise im von Carl
Friedrich Schinkel 1830 entworfenen
„Alten Museum“ in Berlin dominiert auch
in Mutschlechners Entwurf ein zentraler
Rundsaal. Er plante ihn sowohl im Hoch-
parterre als auch im ersten Stock ein. Sym-
metrisch fügte er daran die Säle und Ka-
binette an. Auch an eine Wohnung für den
Museumsskriptor war gedacht. In der Fas-
sadengestaltung spiegelte sich einerseits
der Zeitgeschmack wider, andererseits war
sie geprägt durch Mutschlechners lang-
jährigen Italienaufenthalt: Er schuf eine
von klassizistischer edler Einfachheit ge-
prägte Hülle für die kostbaren Sammlun-
gen. Als einziges Schmuckelement vorge-
sehen war ein Giebelfries, in den hinein
der Bildhauer Michael Stolz die allegori-
sche Darstellung „Kunst und Industrie in
Tirol“ komponierte. Als dieses Basrelief
1871 herabzustürzen drohte, wurde es ab-
genommen, so dass sich das Museum von
nun an noch nüchterner präsentierte.
Genau diese Nüchternheit störte die
Zeitgenossen immer mehr. So griffen die
Museumsverantwortlichen in den 1880er
Jahren, als eine Erweiterung notwendig
war, nicht auf einen Ansatz Mutschlech-
ners zurück, der bei Einreichung seines
Planes vorausschauend meinte: „Ich habe
bei Stylisirung ganz einfache Formen ge-
wählt, die wegen der dadurch zu errei-
chenden tüchtigen Construction und der
leicht möglichen künftigen Vergrößerung
durch Flügelgebäude sehr geeignet ist.“
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Der bestellte Architekt Natale Tommasi
setzte dem Mutschlechner-Bau ein Stock-
werk auf und verwandte viel Energie und
große Kosten auf die Verzierung der Fas-
sade – ebenfalls wieder dem Diktat des
Zeitgeschmackes folgend. Der vom Ostti-
roler geplante Kern des Museumsgebäudes
blieb zwar erhalten, nur eben sichtbar
sollte nichts mehr von diesem „jämmerli-
che[n], niedrige[n], mit aller Provinzial-
misere behaftete[n] Kasten“ sein, „als wel-
cher sich bisher das Ferdinandeum prä-
sentierte“. – So wenigstens urteilte der
damals maßgebliche Kunsthistoriker Hans
Semper, stolz über den von ihm mitgetra-
genen Erweiterungsbau im prunkvollen
Stil der Florentiner Neurenaissance.
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Prägten nun also Trentiner Künstler das
Aussehen der 1884 fürs erste fertiggestell-
ten neuen Ferdinandeumsfassade – sowohl
Natale Tommasi als auch der mit der Aus-
arbeitung der Dekorationselemente beauf-
tragte Bildhauer Antonio Spagnoli waren
gebürtige Trentiner
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– so ist für deren be-
krönenden Abschluss ein gebürtiger Ostti-
roler verantwortlich: Schematisch zeichnete
Tommasi auf seinem Entwurf zum Erwei-
terungsbau eine plastisch-figural gestaltete,
auf dem Gesims aufgestellte Mittelgruppe
ein. Konkrete Gestalt verlieh ihr der gebür-
tige Prägratner, damals bereits in Wien zu
Ansehen gekommene und mit dem Prädikat
„von Wallhorn“ in den Ritterstand erhobene
Josef Gasser.
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Er lieferte das Gipsmodell,
das den Bahntransport von Wien nach Inns-
bruck mit nur „unwesentliche[n] Beschä-
digungen“ überstand. Der bereits erprobte
Spagnoli setzte es in Marmor um. Kurz vor
Aufstellung der bis heute dominanten
Gruppe berichteten die „Innsbrucker Nach-
richten“:
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„(Das Museumsgebäude) wird
demnächst eine neue Zierde erhalten. So-
bald nämlich die Errichtung des Gerüstes,
an dem jetzt gearbeitet wird, vollendet ist
wird auf der kleinen Giebelmauer in der
Mitte der Front eine Figurengruppe, dar-
stellend die Tyrolia, Kunst und Wissen-
schaft, aufgestellt werden. Erstere, eine
mächtige Frauengestalt von 2,55 Metern
Höhe (aus einem Stück gearbeitet) steht
aufrecht auf einem Postament in der Mitte
der Gruppe, den Blick ernst hinausgerich-
tet, die Rechte erhoben mit dem faltigen
Mantel, die Linke gestützt auf den gesenk-
ten Schild mit dem Tiroler Adler. Zur Rech-
ten und emporblieckend [!] zu ihr ruht eine
schöne weibliche Gestalt mit den Emble-
Grundriss des Erdgeschoßes („Parterre“) des neuen Museums-Gebäudes, entworfen und
gezeichnet von Architekt Anton Mutschlechner, 1842; Lithographie der Lith. Anstalt
Johann Kravogl, Innsbruck.
(Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Vereinsarchiv)
Original-Unterschrift von Architekt Anton Mutschlechner mit dem Beisatz „geboren zu
Tristach in Tyrol“ auf einem Schreiben vom 17. Jänner 1839.
(Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Vereinsarchiv)