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Hatte Erzherzog Jo-
hann schon um 1800 den
Plan, seine naturwissen-
schaftliche Sammlung
nach Innsbruck zu trans-
ferieren und rund um die-
selbe ein Museum zu er-
richten, so vereitelten die
politischen Ereignisse
diesen Plan. Und gerade
die Erfahrung der Jahre
1805 und 1809 ließ, so-
bald Tirol als eigenes
Kronland imVerband des
Kaisertums Österreich
wiedererstanden war, die
Idee in den Köpfen eini-
ger kulturell Weitden-
kender rund um den Lan-
desgouverneur Karl Graf
Chotek reifen, auch in
dieser Provinz nach stei-
rischem, mährischem,
ungarischem und böhmi-
schem Vorbild ein Mu-
seum zu gründen. Es
sollte „ein gemeinsamer
Sammelplatz dessen“ sein, „was dieß Land
im Gebiethe der Natur, der Kunst und der
Litteratur Eigenthümliches und Interes-
santes besitzt, damit dieses nicht ferner,
wie leider! bisher vielfältig geschah, aus
Eigennutz oder aus Unverstand der allge-
meinen Kenntniß und Benützung entzo-
gen, oder wohl gar in das Ausland ver-
schleppt werde, das schon so Manches
davon unwiederbringlich verschlang, was,
wäre es ein Gemeingut des Vaterlandes ge-
blieben, demselben schon längst reiche
Zinse getragen – wenigstens den Vorwurf
erspart haben würde, daß mancher Fremde
Tirol besser kenne und zu würdigen wisse,
als dessen eigene Bewohner.“
1
Zur Erreichung dieses Zieles wurde
1823 ein Verein gegründet, dem jedermann
ohne Unterschied seines Standes angehö-
ren konnte, der in der Lage war, den doch
relativ hohen Mitgliedsbeitrag von 10 Gul-
den R. W. zu bezahlen oder einen für die
Museumssammlungen passenden Gegen-
stand als Äquivalent zu spenden. Nachdem
das Allerhöchste Kaiserhaus der Gründung
zustimmte und dieselbe durch die Über-
nahme des Protektorats durch den Kron-
prinzen Erzherzog Ferdinand besiegelte,
der damit auch zum Namensgeber wurde,
konnte das „Nationalmuseum“ bzw. „Fer-
dinandeum“ mit Sitz in Innsbruck seine
Tätigkeit aufnehmen. Freilich wurde Inns-
bruck nicht von allen fraglos hingenom-
men: Bestrebungen z. B. in Trient eine
Filiale für den südlichen Landesteil zu
errichten, wurden mit dem Bemerken
abgetan, dass „dies für die Vervollkomm-
nung des Museums geradezu eine wider-
strebende Verstümmelung sei“.
2
Dennoch
waren und blieben die verwaltungsmäßig
zu Tirol gehörenden Trentiner oder Vor-
arlberger diesem Verein gegenüber skep-
tisch.
3
– Auch im Gebiet
des heutigen Osttirol hielt
sich die Resonanz auf
diesen neuen, patrioti-
schen Verein in den ersten
Bestandsjahren in Gren-
zen. Dabei war Museums-
mandatar Johann von
Vintler, ständischer Steu-
ereinnehmer zu Bruneck
und selbstloser Gönner
des Ferdinandeums, sehr
um die Anwerbung neuer
Mitglieder bemüht. Die
Vereinsstatuten sahen
nämlich vor, dass Man-
datare die Museumsidee
im ganzen Land verbrei-
ten sollten. Sie warben
Mitglieder an, suchten
für das Museum geeig-
nete Objekte aus, hoben
den Mitgliedsbeitrag ein,
verteilten die jährlich er-
scheinende Museums-
zeitschrift an die Mitglie-
der. Der erste Jahresbe-
richt nennt Bevollmächtigte in den Kreisen
Trient, Rovereto, Bozen, Unterinntal,
Oberinntal, Vorarlberg, Wien sowie Puster-
tal, für das zwei Mandatare vorgesehen
waren: Vintler in Bruneck – und damit
auch zuständig für das Gebiet des heutigen
Osttirol – und der Privatier Leopold Bis-
domini in Brixen, der ebenfalls ein selbst-
loser Förderer des Ferdinandeums gewe-
sen ist.
4
Erst im 34. Jahresbericht über die
Jahre 1871-1873 wird mit dem k.k. Notar
Dr. Anton Lechthaler ein eigener Manda-
tar in Lienz genannt.
5
Folgt man einem in den Vereinsakten er-
haltenen handschriftlichen Mitgliederver-
zeichnis, so waren die ersten im Gebiet das
heutigen Osttirol wohnhaften Ferdinan-
deumsmitglieder:
6
Reck [= Röck] Joseph,
ständischer Verordneter [und Bürgermeis-
ter] der Stadt Lienz; Nestor Joseph, Land-
richter zu Windischmatrey; Mayr Cajetan,
NUMMER 2/2012
80. JAHRGANG
OSTTIROLER
HEIMATBLÄTTER
H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “
Ellen Hastaba
Osttirol/er und das (Ost-)Tiroler Landes-
museum Ferdinandeum in Innsbruck
Der erste Ferdinandeumsbau, errichtet vom Innsbrucker Stadtbaumeister und
gebürtigen Tristacher Anton Mutschlechner in den Jahren 1842/1845; kolo-
rierte Lithographie von C. A. Czichna, erschienen bei Franz Unterberger in
Innsbruck, um 1845. (Privatbesitz M. Pizzinini)
Rep.: M. Pizzinini