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OSTTIROLER
NUMMER 1/2007
3
HEIMATBLÄTTER
Architekten Dipl.-Ing. Rudolf Stotter, der
imApril dieses Jahres einen Gesamtentwurf
sowie verschiedene Detailzeichnungen vor-
legte
29
. Die örtliche Bauleitung übernahm
der Tischlermeister Jakob Ladstätter
30
.
Während bei älteren Kirchenbauten zu-
meist kaum etwas Näheres über die einzel-
nen Handwerker und die Herkunft des Bau-
materials bekannt ist, lässt sich dieser
Kapellenbau durch die erhalten gebliebenen
Rechnungen bis ins Detail rekonstruieren
31
.
Bereits im Jahre 1967 hatten die Vor-
arbeiten begonnen. Der eigentliche Bau
wurde im Sommer 1968 unter Maurer-
meister Franz Steiner aus Nikolsdorf aus-
geführt
32
. Am 26. August 1968 fand die
Firstfeier beim Gasthof Defreggerhof,
(„Felder Wirt“, damaliger Inhaber Peter
Wieser) statt. In diesem Gasthof wurden
auch auswärtige Arbeiter beherbergt bzw.
verköstigt. Ebenfalls im Sommer wurde
der Kirchendachstuhl durch die Firma
Josef Stocker in Thal-Assling ausgeführt,
im Herbst darauf das Dach durch Peter
Obkircher (St. Jakob).
Im Jahre 1969 schienen die finanziellen
Mittel knapp zu werden und die Arbeiten
eine Zeit lang zu ruhen. Das Kirchenbau-
komitee wandte sich deshalb mit der Bitte
um weitere Spenden an die Öffentlichkeit
33
.
Im Sommer bzw. Herbst 1970 wurden
die Türen verfertigt und montiert, die Flie-
senböden verlegt und Fenster hergestellt
bzw. eingesetzt
34
. Weitere kleinere Arbei-
ten erstreckten sich laut Rechnungen bis in
den Oktober 1971.
Die Kosten wurden hauptsächlich durch
Beiträge aus dem Katastrophenfonds, Be-
darfszuweisungen sowie zahlreiche Spenden
von Einheimischen und sogenannten „Forscht-
giehnern“ (ausgewanderten Defereggern)
bestritten. Die Gemeinde stellte das er-
forderliche Holz kostenlos zur Verfügung
35
.
Die Neuweihe (1973)
Erst am 5. Mai 1973 erfolgte die Neu-
weihe durch den Matreier Dekan Josef
Holaus, bei der auch u. a. Bezirkshaupt-
mann Dr. Doblander anwesend war
36
.
Letzterer sprach in Zusammenhang mit der
Einweihung von der „Krönung des Wie-
deraufbaues“ nach der Hochwasserkata-
strophe. Das alte Altarbild sowie eine Sta-
tue des hl. Florian wurden von Mitgliedern
der Feuerwehr St. Veit im Rahmen einer
Prozession in die neue Kapelle gebracht.
Dort wurde unter dem Vordach eine Messe
zelebriert, im Rahmen derer die Neuweihe
vollzogen wurde. Bemerkenswert ist der
Patroziniumswechsel, der sich durch das
Hochwasser erklärt: Der hl. Florian, der
einzige namentlich bekannte christliche
Märtyrer der Römerzeit aus dem Gebiet
des heutigen Österreich, wurde in der Enns
ertränkt und gilt – neben seiner „Funktion“
als Beschützer gegen Feuer – nicht zuletzt
deshalb als Patron in Wassergefahr
37
.
In seiner Predigt sprach Dekan Holaus
u. a. über die Gefahren eines zunehmenden
Glaubensverlustes in der Gegenwart. Be-
merkenswerterweise stellt er seinen Zu-
hörern gerade jene evangelischen Defer-
egger als Beispiel vor Augen, die im
17. Jahrhundert die Bibel
„hoch im
Kurs“
hielten und um des Glaubens willen
„lieber Besitz und Heimat hergegeben
haben, als den Herrn Jesus Christus“
. Das
Tal habe sich seiner evangelischen Chris-
ten nicht zu schämen
38
. Diese Worte hatten
geradezu prophetischen Charakter, wenn
man bedenkt, dass fast 30 Jahre später hier
eine Gedenkstätte für eben diese Evange-
lischen errichtet wurde (siehe unten).
Der Bau und seine Ausstattung
Im Bericht über die Neuweihe schrieb
der Osttiroler Bote
39
über den Bau:
„Auf
einer künstlich geschütteten Erhöhung
steht in einladender Behaglichkeit dorf-
angepaßten Stils das Gotteshaus (…). Ein
weitschirmendes Schindeldach mit hölzer-
nen Trafkendln deckt Stufen und Vorhalle
zum Eingang von Kirche und Sakristei;
graues Natursteinmauerwerk harmoniert
dekorativ zum weißen Spritzwurf, eine
Holzdecke, gerandet von indirekter Be-
leuchtung, Fenster mit Farbmattierung
schaffen besinnliche Raum- und Lichtstim-
mung (…). Der Baukörper mißt rund 11 m
in der Länge und 10 m in der Gesamt-
breite; er faßt etwa 60 Personen.“
Von der alten Ausstattung hat sich das
meiste erhalten. Das ehemalige
Hochaltar-
bild
(107 x 78 cm), ein Ölgemälde, zeigt
die Taufe Christi und befindet sich an der
Altarwand. Große Teile des Säulen- und Pi-
lasteraufbaus des alten Altars fanden sich
im August und September 2006 bei Nach-
forschungen im ehemaligen Kornkasten des
Eggen-Bauern (Bruggen), und das Ante-
pendium wurde beim Holzerbauern ent-
deckt, obwohl die damalige Landeskonser-
vatorin Johanna Gritsch an Pfarrer Norbert
Möller geschrieben hatte, die Teile des Al-
tars
„können verheizt
[!]
oder, wenn sie ein
Händler nehmen sollte, verkauft werden.“
40
Bei der Jubiläumsausstellung „10 Jahre
Heimatkundeverein St. Veit in Defereggen“
(26. 10. bis 5. 11. 2006) konnten etwa zwei
Drittel des Altars durch Herbert Erlsbacher
und Ernst Ladstätter wieder aufgebaut und
im Reimmichlsaal ausgestellt werden
41
.
Die
Kreuzwegstationen
entstanden laut
Inschrift auf der XIV. Station im Jahre
1805. Sie sind bis auf die VIII., IX. und X.
erhalten
42
. Ein Fragment der X. Station, ge-
nauer gesagt der obere Abschluss des Rah-
mens mit der Stationsnummer wurde von
Josef Niederbacher aus der Schwarzach
geborgen und befindet sich derzeit im
Haus Oberschnall.
Fünf kleine
Statuen
, die zeitweilig in
der Pfarrkirche bzw. in der Lourdesgrotte
untergebracht waren, haben sich erhalten:
hl. Florian (mit Lanze, Löscheimer und
brennendem Haus), hl. Paulus (Schwert,
Buch), hl. Johannes von Nepomuk (in
Priesterkleidung), ein für Osttirol typischer
Schutzengel sowie der hl. Michael (im
Kampf mit dem Drachen)
43
. Alle Statuet-
ten mit einer Höhe von 55 bis 90 cm dürf-
ten aus der Entstehungszeit der Kapelle
stammen. Dazu kommt die Statuette des
Auferstandenen, die sich seit der Außen-
renovierung der Pfarrkirche von St. Veit in
den Jahren 1982/83 in der damals frei-
gelegten Gruft an der Südseite der Pfarr-
kirche befindet
44
.
Ausschnitt aus dem Plan für das neue
Brugger Kirchlein von Rudolf Stotter.
(Gemeindearchiv St. Veit i. D.)
Modell für einen Neubau des Brugger
Kirchleins von Emil Hafele (1967).
(Privatbesitz)
Foto: Michael Huber
Der anlässlich der Ausstellung „10 Jahre
Heimatkundeverein St. Veit“ wieder teilweise
aufgebaute ehemalige Altar des Brugger
Kirchleins.
Foto: Michael Huber