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OSTTIROLER
NUMMER 1/2007
4
HEIMATBLÄTTER
Das bedeutendste Objekt der neuen Aus-
stattung ist das expressive
Kruzifix
des
Virger Bildhauers Gottfried Fuetsch aus
Lärchenholz an der östlichen Abschluss-
mauer. – Die hölzerne
Marienstatue
wurde von Dr. Theobald Kuenz gestiftet;
der schmiedeeiserne Tabernakel und das
Ewige Licht wurden von Kunstschmied
Bruckner (Lienz) verfertigt
45
.
Die beiden
Glocken
stammen noch von
der alten Kapelle. Sie waren bei den Räu-
mungsarbeiten im Schutt des Bachbettes
der Schwarzach wieder gefunden worden
46
.
Die größere Glocke trägt ein Kreuzigungs-
relief und die Inschrift „VOR NOT UND
GEFAHR GOTT STETS UNS BEWAHR
1949“, die kleinere ein Relief mit Mutter
Anna und Maria und die Inschrift „ST.
ANNA, MUTTER DU, FÜHR UNS DEM
HIMMEL ZU“. Am unteren Glockenrand
sind deutliche Spuren der Beschädigung
durch das Hochwasser 1965 zu erkennen
47
.
Das Denkmal für die ausgewiesenen
Protestanten
Im Jahre 2001 rückte das Brugger Kirch-
lein abermals in das Licht der Öffentlichkeit.
Damals formierte sich unter der Führung des
Innsbrucker Diözesanbischofs Dr. Alois
Kothgasser ein Komitee, das die Errichtung
einer Gedenkstätte für die Ende des 17. Jahr-
hunderts vertriebenen Deferegger Protestan-
ten vorbereiten sollte. Von Anfang an wurde
die Kapelle in Bruggen als Ort eines solchen
Denkmals ins Auge gefasst, da in dieser Ort-
schaft eine große Gruppe von Menschen
von der Ausweisung betroffen war
48
. Die
Ausführung für das Denkmal besorgte der
aus St. Veit gebürtige Georg Planer. Das
rund sechs Meter lange und eineinhalb
Meter hohe Relief aus Gussbeton ist durch
einen Riss in zwei Teile geteilt. Den Riss –
Symbol für die schmerzhafte Trennung –
überbrückt eine Eisenplatte, die eine
Gedenkinschrift für die Ereignisse in den
Jahren um 1685 trägt
49
. Am 20. Oktober
wurde das Denkmal schließlich in einer öku-
menischen Feier durch Bischof Kothgasser
und den evangelischen Superindenten Man-
fred Sauer eingeweiht. Das Ereignis fand
über die Grenzen Österreichs hinaus in den
Medien Beachtung
50
.
Das kleine, unscheinbare Brugger
Kirchlein, einst für die unmittelbare
Nachbarschaft als Andachtsstätte errichtet,
bekam auf diese Weise eine überregionale
Bedeutung und wurde so selbst zum Denk-
mal gelebter Versöhnung
51
.
Anmerkungen:
1 Vgl. dazu M. Huber, 200 Jahre Zottenkapelle (Gemeinde
St. Veit i. Def.), OHBl 9/2005, S. 1. – Die Kapelle in
Moos (Gem. St. Veit) entstand wenig später, nämlich
1809-13 (siehe M. Hofmann, Chronik St. Veit in Defer-
eggen. Von den Anfängen bis 1889 [Hgg. M. Hafele –
M. Huber], St. Veit 1997, S. 117).
2 Es handelt sich um die Häuser mit den (Vulgo-)Namen
Gschwendter (Oberlenzen), Lenzen, Hafele (Wachtmeis-
ter), Lederer, Oberholzer, Unterholzer, Eggen, Preger.
3 Sämtliche hier zitierte Dokumente im Pfarrarchiv
St. Veit, in den Mappen zur Geschichte (mit Vermerk
„Filialkirchen“).
4 Der Hinweis „jetzt Eggen“ stammt wieder aus der Hof-
mann-Chronik S. 109. – Hier findet sich ein kurzer Ab-
riss der Entstehungsgeschichte des Brugger Kirchleins
nach den Dokumenten im Pfarrarchiv.
5 Somit befand sich bereits vor dem Bau der Kapelle an
jener Stelle ein Wegkreuz.
6 1 Schuh = ca. 31 cm.
7 Auch in der Kapelle von Zotten bereitete der Opferstock
ähnliche Probleme, zumal sie im tirolischen Ausland lag
(vgl. Huber [Anm. 1], S. 1).
8 So auch Hofmann in seiner Chronik (S. 109). – Die XIV.
Kreuzwegstation ist datiert „1805“.
9 Vermutlich handelt es sich bei diesem Dokument (datiert
4. 10. 1806) um eine Abschrift oder einen Auszug aus
dem „Vollzugsbericht“.
10 Abermals im Pfarrarchiv St. Veit (siehe Anm. 3); die ur-
sprüngliche Überschrift „Revers“ nachträglich durchge-
strichen.
11 Abschrift im Pfarrarchiv St. Veit. – Salzburg wurde so
wie Brixen im Jahre 1803 säkularisiert, d. h. die
Erzbischöfe verloren ihre „weltliche“ Zuständigkeit. In
der Folge kam Salzburg zu Österreich.
12 Fürstbischöfliches Consistorium, 17. 7. 1835 (zitiert in
der Hofmann-Chronik S. 142).
13 Die ganze Angelegenheit ist in der Hofmann-Chronik
(S. 158-160) nachzulesen.
14 1880: Messkleid; 1884: Regensburger Missale (Hof-
mann-Chronik S. 242, 285).
15 Hofmann-Chronik S. 273. – Auch die anderen Schäden
im Tal waren mit jenen der Hochwasser-Katastrophe von
1965 vergleichbar.
16 Zu Peter Ladstätter im Allgemeinen siehe H. Kröll –
G. Stemberger, Defereggen. Eine Landschaft in Tirol,
Wien 1985, S. 216f.
17 Eine detaillierte Beschreibung der Renovierungsarbeiten
in der Hofmann-Chronik S. 294. – Ein Schreiben des
Bezirksgerichts Windisch-Matrei, das das Pfarramt über
diese testamentarische Stiftung informiert (Zl. 1966,
datiert 12. 8. 1886) im Pfarrarchiv St. Veit, Mappen zur
Geschichte (mit Vermerk „Filialkirchen“).
18 Pfarrchronik (Fortsetzung der Hofmann-Chronik, unge-
druckt) S. 389. – Gemeint sind die Kinder der Volks-
schule Feld.
19 Auch im heutigen Brugger Kirchlein finden alle zwei
Wochen Gottesdienste statt.
20 In der alten Kapelle spielte VSD Max Hafele das Har-
monium. – Für diese und weitere, die Geschichte der
Kapelle betreffenden Nachrichten danke ich Herrn BSI
Dr. Horst Hafele herzlich.
21 Darüber hinaus gab es noch einen „inoffiziellen“ Kirch-
tag am 24. August (Fest des hl. Bartholomäus): Bartlme
Feldner (vulgo Preger) spendierte an diesem Tag – sei-
nem Namenstag – allen Bruggern fleißig Wein (mitge-
teilt von Anni Niederbacher, vulgo Oberschnall).
22M. Fingernagel-Grüll, Beitrag St. Veit in Defereggen in
der Österreichischen Kunsttopographie, Band Osttirol
(im Druck), S. 292, Anm. 10 und 11. – Für die Möglich-
keit, das Manuskript benutzen zu dürfen, danke ich
Martha Fingernagel herzlich!
23 Kurzbericht im OB Nr. 35, 1949, S. 3.
24 Angaben nach den handschriftlichen Vermerken des
Chronisten Max Hafele auf der im Chronikarchiv
St. Veit i. D. aufbewahrten Photographie.
25 Anlässlich der Stiftung des neuen Glöckchens; Armella
Viaro (vulgo Obermüller) war Glockenpatin (mündliche
Mitteilung von Ernst Ladstätter, vulgo Unterholzer).
26 M. Hafele, in: Die Hochwasserkatastrophe im Septem-
ber 1965, OHBl So.-Nr. Dezember 1965, S. 9.
27 Gemeindearchiv St. Veit (Zl. 153-0/4/68): Gp. 1363, EZ.
36 I.
28 Osttiroler Bote Nr. 20 (17. 5. 1973), S. 28: „Das Brug-
ger Kirchlein – Krönung des Wiederaufbaues im Defer-
eggental“.
29 Alle folgenden Angaben über Planung und Ausführung
des Baus konnten den Rechnungen entnommen werden,
die sich im Chronikarchiv St. Veit in Defereggen
erhalten haben. – Der Einreichplan im Gemeindearchiv
St. Veit, Bauakten Zl. 153-0/4/68.
30 Jakob Ladstätter, geb. 1929 in Feistritz (Gem. St. Jakob),
verstarb im Herbst 2005 (vgl. den Nachruf von A. Stem-
berger, OB vom 13. 10. 2005, S. 69).
31 Als Materiallieferanten bzw. Handwerksfirmen werden
u. a. genannt die Firmen Leo Hibler‘s Erben in Lienz
(diverse Baumaterialien), Max Keller in Lienz (Eisen-
und Stahlteile), Johann Oberlohr in Kals (Mauersteine),
Bruno Gasser in St. Jakob (Transporte, Caterpillararbei-
ten), Hans Bergmann in St. Jakob (Elektroinstallatio-
nen), Hans Herzog in Gundersheim im Gailtal (Ziegel),
Hermann Pedit in Lienz (Schmiedeeisen u. a.) und
Robert Troger in St. Jakob (Fenster- und Türrahmen;
Glockenschwengel und Aufhängung der zwei Glocken).
– Die Tischlerarbeiten führte der oben genannte Jakob
Ladstätter durch.
32 Schreiben des Denkmalamtes an die Bezirkshauptmann-
schaft vom 11. Juli 1968: „Bei der Besichtigung am 5. 7.
68 mußte der Vertreter des Denkmalamtes feststellen,
daß der Rohbau bereits zur Hälfte ausgeführt ist (…).“
33 Schreiben des Kirchenbaukomitees vom 13. Februar
1969 (Spendenaufruf).
34 Fa. Toni Majerotto, Fa. Peter Brugger in Lienz.
35 Schreiben des Kirchenbaukomitees vom 13. Februar
1969 (Spendenaufruf).
36 Ausführlich dazu der Bericht „Das Brugger Kirchlein –
Krönung des Wiederaufbaues im Defereggental“, OB
Nr. 20 (17. Mai 1973), S. 28f.
37 Der hl. Florian war seit jeher im Defereggental sehr ver-
ehrt. So gab es jedenfalls noch bis zur Zerstörung der
Kapelle 1965 eine Art Bittgang, der von St. Veit über
Bruggen nach St. Leonhard führte. – Für entsprechende
Hinweise danke ich Herrn Alt-Bgm. Rudolf Obkircher
herzlich!
38 Bericht über die Neuweihe, OB Nr. 20 (17. Mai 1973),
S. 29.
39 Bericht über die Neuweihe, OB Nr. 20 (17. Mai 1973),
S. 28.
40 Pfarrarchiv St. Veit, Schreiben des Bundesdenkmal-
amtes an Pfarrer N. Möller (St. Veit) vom 26. 3. 1970
(4221/5/70).
41 Beiden Herrn sei für ihren Einsatz für dieses Kunstwerk
ein großer Dank ausgesprochen! – Auch die erhaltenen
Osterkugeln wurden im Reimmichlsaal ausgestellt, wäh-
rend der hölzerne Rahmen des Ostergrabes nur mehr
fotografisch dokumentiert, aufgrund des schlechten
Erhaltungszustandes aber nicht mehr geborgen werden
konnte.
42 Diese befanden sich vermutlich im südwestlichen Eck
der Kapelle, das als erstes in den Fluten versank.
43M. Huber – J. Pöll, Die Pfarrkirche zum hl. Vitus in St.
Veit in Defereggen, St. Veit 2002, S. 69. – Dass die Figur
des hl. Michael wirklich aus Bruggen stammt, ist eher
unwahrscheinlich: Eine Ansichtskarte von Sketh (Post-
stempel 1959) zeigt sie in der Lourdesgrotte von St. Veit.
44 Für die Auskunft sei Altbürgermeister Rudolf Obkircher
herzlich gedankt; zu der Statue vgl. M. Huber – J. Pöll,
Die Pfarrkirche … (siehe vorige Anm.), S. 85 (mit Abb.).
45 Handschriftlicher Vermerk von Max Hafele auf einem
Foto im Chronikarchiv St. Veit.
46 Vgl. den Bericht über die Neuweihe, OB Nr. 20 (17. Mai
1973), S. 28.
47 Für die Dokumentation der Inschriften auf den schwer
zugänglichen Glocken sowie die Anfertigung von Foto-
grafien danke ich Herbert Erlsbacher und Ernst Ladstät-
ter sehr herzlich! – Eine entsprechende Anfrage nach all-
fälligem Archivmaterial in der Glockengießerei Graß-
mayr blieb bislang erfolglos.
48 Vgl. M. Huber, Ein Gedenken an die Vertreibung der
Deferegger Protestanten, OB 22. 11. 2001, S. 10. Das Foto
der Brugger Kapelle trägt die Beischrift „Ein möglicher
Platz für die Gedenkstätte?“. Beim zweiten Treffen des
Komitees wurde die Kapelle in Bruggen als Ort festge-
legt, vgl. M. Huber, Ein weiterer Schritt des Gedenkens
an die Deferegger Evangelischen, OB 21. 3. 2002, S. 38.
49 Vgl. dazu G. Rosenkranz, Defereggental: Ein neues
Denkmal für die Vertriebenen, KIRCHE Nr. 17 (28. 4.
2002, S. 4). – Eine kurze Zusammenfassung der Ereig-
nisse sowie der Text der – im Original fast unlesbaren –
Gedenkinschrift findet sich in der vom Gemeindeamt
St. Veit herausgegebenen und ebenda erhältlichen
Broschüre „Die Kapelle von Bruggen. Mittelpunkt der
Versöhnungsfeier am 20. Oktober 2002“.
50 Eine Dokumentation über die Medienberichte befindet
sich im Chronikarchiv der Gemeinde St. Veit in Defer-
eggen.
51 Das Brugger Kirchlein steht auch evangelischen Gottes-
diensten zur Verfügung. – Am 24. Juni 2006 war es
Schauplatz einer Meditation im Rahmen einer „Ökume-
nischen Rad- und Fußwallfahrt“ (OB 22. 6. 2006, S. 52).
IMPRESSUM DER OHBL.:
Redaktion: Univ.-Doz. Dr. Meinrad Pizzinini.
Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren ver-
antwortlich.
Anschrift des Autos: Mag. Dr. Michael Huber,
A-1060 Wien, Mariahilferstraße 99/23.
Manuskripte für die „Osttiroler Heimat-
blätter“ sind einzusenden an die Redaktion des
„Osttiroler Bote“ oder an Dr. Meinrad Pizzinini,
A-6176 Völs, Albertistraße 2 a.
Kruzifix von Gottfried Fuetsch, Virgen.
Foto: Chronikarchiv St. Veit