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OSTTIROLER
NUMMER 1/2007
2
HEIMATBLÄTTER
bericht“. Die Einsetzung des Kreuzwegs
erfolgte am 29. September durch P. Theo-
bald Steger in Gegenwart des Kooperators
Philipp Gänzer
9
. Steger wird darin als
„Ex-Franziskaner“ bezeichnet.
Die vereitelte Einweihung (1807)
Mit der Einsetzung des Kreuzweges
scheinen die Eigentümer der Kapelle aller-
dings doch nicht ganz zufrieden gewesen
zu sein. In einem Schreiben
10
vom 4. Mai
1807 verpflichten sie sich zwar zur Erhal-
tung des Kirchleins, sodass die Vikariatskir-
che
„unbeschädigt bleiben“
könne,
allerdings scheint man nun doch an eine
Einweihung (und damit verbundene Mess-
lizenz) gedacht zu haben. Ein entsprechen-
der Bescheid des Konsistoriums vom
5. Juni lehnte das Ansinnen kommentarlos
ab. Auch ein weiterer Versuch (diesmal von
Vikar Jud) wurde abgewiesen; das ableh-
nende Schreiben des Konsistoriums vom
6. Juli 1808 bezieht sich ausdrücklich auf
eine
„Verbescheidung“
der kaiserlich-
königlichen Landesregierung von Salz-
burg
11
.
Die Geschichte der Kapelle bis zur
Zerstörung im Jahre 1965
Erst 27 Jahre später – das Defereggental
war durch die Neuordnung Europas nach
den napoleonischen Kriegen zur Diözese
Brixen gekommen – erfolgte die Erlaub-
nis, die
„eben nicht nothwendige Bene-
diction der St. Johannes-Kapelle zu Brug-
gen …vornehmen zu dürfen“
.
12
Damit war
auch die Möglichkeit gegeben, die hl.
Messe zu feiern. Aus den 1850er-Jahren
erfahren wir, dass der damalige Vikar
Mühlmann im Brugger Kirchlein Trauun-
gen vollzog – gegen den Willen der Braut-
leute, die lieber in St. Leonhard geheiratet
hätten und deshalb die Gemeindevorste-
hung gegen den Vikar aufhetzte
13
.
Die weiteren Nachrichten über die
Brugger Kapelle sind spärlich; vereinzelt
hören wir von Anschaffungen
14
. Beim gro-
ßen Hochwasser im Jahre 1882 wurde in
Bruggen nicht nur die Brücke weggeris-
sen, der Bach bedrohte auch die Kapelle,
die früher
„einige Klafter vom Flußbett“
entfernt stand. Vorsichtshalber wurde sie
„geplündert“
, d. h., man brachte die Ein-
richtung in Sicherheit
15
. Aufgrund einer
testamentarischen Verfügung des Defer-
egger Strohhutfabrikanten Peter Ladstätter
(gestorben am 5. März 1885 in Dom-
schale) konnten diverse Anschaffungen
und Restaurierungsarbeiten durchgeführt
werden
16
. Neu wurden damals ein Marien-
bild aus der Kunstanstalt Heindl in Wien
für den Altaraufsatz und ein Altarkreuz des
Grödner Bildhauers Stuflesser sowie ein
Paramentenkasten angeschafft
17
.
Auch der Fabrikant Chrysanth Ladstätter
aus Bruggen vermachte der Kapelle eine
bedeutende Summe: 2.000 Kronen wurden
„zur Abhaltung von Hl. Messen für die
Schulkinder in der Brugger Kapelle gestif-
tet.“
18
Somit wurden in dieser Zeit in
Bruggen bereits regelmäßig Messen ge-
feiert
19
. An Festtagen gab es Andachten,
die auf einem noch heute erhaltenen Har-
monium begleitet wurden
20
. Der Patrozi-
niumstag (Johannes der Täufer, 25. Juni)
wurde mit einem Gottesdienst begangen
21
.
Das letzte bedeutende Ereignis in der
Geschichte der alten Kapelle vor ihrer Zer-
störung war die Glockenweihe im Jahr
1949. Die alten Glocken hatte man im
Ersten Weltkrieg abgenommen, und das
1933 neu geweihte „Kirchenglöcklein“
22
ging im Zweiten Weltkrieg verloren. – Am
24. August 1949 weihte der damalige Pfar-
rer Johann Oblasser zwei von der Firma
Graßmayr gegossene Glocken mit dem
Gewicht von 46 bzw. 25 kg
23
. Die Stifter
waren Emil Winkler, Kunstmüller aus
Lienz, bzw. die Nachbarschaft in Bruggen.
Bei der Feier sang der St. Veiter Kirchen-
chor unter Anton Stemberger. Die Glocken-
patin war Hermine Stemberger (vulgo
Lippen)
24
.
Über das Aussehen des alten Kirchleins
sind wir durch alte Photographien, vor
allem aus der Zeit der Zerstörung, relativ
gut informiert. An das kleine Schiff mit
rechteckigem Grundriss schloss sich ein
eingezogener Polygonchor an; die Mauer-
kanten waren durch Ortsteinbemalung
akzentuiert. Die Fassaden waren weiß ver-
putzt. Das Schiff wies ein flaches Tonnen-
gewölbe auf, das darüber liegende steile
Satteldach war mit Schindeln gedeckt. Der
Dachreiter, ursprünglich mit Zwiebelhaube,
bekam 1934 ein pyramidenförmiges Dach
25
.
Am 3. September 1965 früh wurde das
Brugger Kirchlein von den Fluten der
Schwarzach bis auf den Altarbereich wegge-
rissen
26
. Den Großteil der Einrichtung hatte
man aber noch rechtzeitig bergen können.
Der Neubau des Brugger Kirchls
(1968 bis 1973)
Schon sehr bald war man sich dessen be-
wusst, dass man in Bruggen wieder ein
Kirchl brauche. Nicht unumstritten dürfte
zunächst der Standort gewesen sein, doch
einigte man sich auf einen neuen, hochwas-
sersicheren Bauplatz am östlichen Ortsrand.
Die Fläche dafür stellte Karl Oberwalder
(vulgo Lenzer) bzw. Peter Stemberger
(Egger) zur Verfügung
27
. In der Zwischen-
zeit hatte das frühere Arzthaus in Feld als
behelfsmäßiger Gottesdienstraum gedient
28
.
Einen ersten Entwurf für einen Neubau
legte Emil Hafele im Jahre 1967 vor. Hafele,
gebürtig aus Bruggen, hatte an der Akade-
mie der Künste (Wien) bei Clemens Holz-
meister studiert und war in Wien als Archi-
tekt tätig. Der Entwurf blieb unausgeführt.
Im Jahre 1968 wandte sich die Kirchen-
baugemeinschaft Bruggen an den Lienzer
Die beiden Glocken von 1949.
Foto: Herbert Erlsbacher
Feierliche Glockenweihe in Bruggen, 24. August
1949.
(Foto: Chronikarchiv St. Veit).
Das zerstörte Brugger Kirchlein.
Foto: Sepp Niederbacher