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OSTTIROLER
NUMMER 3-4/2007
4
HEIMATBLÄTTER
beträchtlichen Teil der Stadt innerhalb der
Ringmauern zerstörte. Nur wenige Häuser
blieben verschont. Es wurde positiv ver-
merkt, dass wenigstens die Gewölbe der
Karmelitenkirche, von St. Johann und St.
Antonius nicht eingestürzt waren.
Gleich begannen die Bemühungen um
die Restaurierung der St. Johannes-Kirche.
Vor allem ging es um ein neues Uhrwerk
und um neue Glocken. Der Glockenguss
wurde durch die Firma Grassmayr 1724
besorgt. Die größte Glocke wog 2.105
Pfund (= ca. 1.178 kg), die kleineren Glo-
cken hatten ein Gewicht von 1.185 Pfund
(= ca. 663 kg), 640 Pfund (= ca. 358 kg)
und 310 Pfund (= ca. 173 kg). Dazu kam
noch das Ziegenglöcklein.
Zehn Jahre waren vergangen, bis man wie-
derum ein ausführliches Bestandsverzeichnis
an beweglichem Gut der St. Johannes-Kirche
verfasste, das mit 16. Juni 1733 datiert ist. Es
wird wieder eine Menge an kirchlichen Ge-
brauchsgegenständen angeführt. Dieses Mal
ist hervorgehoben ein Kelch mit Wappen und
Inschrift des Geor(g)ius Holaus sowie der
Datierung 1488. Dieser Kelch ist heute noch
erhalten. Natürlich sind auch wieder die drei
Altäre beschrieben.
Das Ende von St. Johann
Das Ende der Filialkirche St. Johann in
der Stadt Lienz wurde durch einen weite-
ren Großbrand herbeigeführt. Wie im Jahr
1609 brach am 11. April 1798 wiederum in
der Messinggasse ein Brand aus, der wie
damals ähnlich katastrophale Folgen zei-
tigte. Die Situation bezüglich Wiederauf-
bau war für Lienz nun insofern besonders
schwierig als die Stadt in diesen Jahren der
Napoleonischen Ära unter ständigen
Truppendurchmärschen von Freund und
Feind zu leiden hatte. Bürgermeister Josef
Johann Oberhueber und Stadtrichter Peter
Aigner waren 1797 sogar von den Franzo-
sen als Geiseln verschleppt worden!
Nachdem sich die Verhältnisse vorerst
einigermaßen konsolidiert hatten, bestand
zunächst durchaus die Absicht, die Kirche
zu St. Johannes dem Täufer wieder aufzu-
bauen, wobei sich der Bürger und Spediteur
Josef Johann Oberhueber stark engagieren
wollte. Im Jahr 1801 arbeitete man bereits
an der Wiederherstellung des Daches. –
Nun mischte sich das Kreisamt für das Pus-
tertal als Oberbehörde ein: Es verlangte im
Mai 1802 von J. J. Oberhueber eine Erklä-
rung betreffend die Baukosten für die ge-
plante Wiederherstellung der Kirche, die
künftige Übernahme der Erhaltung und die
Beschaffung der Einrichtung. – Oberhueber
erklärte feierlich und mit Verpfändung sei-
nes ganzen Vermögens, die Kirche auf ei-
gene Kosten wieder herstellen zu wollen. Er
wies auch darauf hin, dass noch genügend
Einrichtungsgegenstände erhalten seien.
Dazu gehörten wohl auch die vier Altar-
figuren des Barockbildhauers Johann Pate-
rer, datiert mit 1781, die sich heute am
Hauptaltar der Pfarrkirche von Oberlienz
befinden. – Das Kreisamt scheint von Ober-
huebers Argumenten nicht überzeugt wor-
den zu sein und gab noch im selben Jahr
den Auftrag, von einer Wiederherstellung
der St. Johannes-Kirche Abstand zu nehmen
und Franz Rauter wurde beauftragt, die ein-
sturzgefährdete Fassade sofort abzutragen.
Zum weiteren Abbruch ist es – aus welchen
Gründen auch immer – noch nicht ge-
kommen.
Im Jahr 1805 brach der Dritte Koalitions-
krieg aus; Österreich verlor und musste
u. a. Tirol an Bayern abtreten. – Nach der
Erhebung Tirols im Jahr 1809 und der Zu-
gehörigkeit des östlichen Pustertals mit der
Stadt Lienz zu den Illyrischen Provinzen,
kehrten die österreichische Herrschaft und
Verwaltung de facto im Sommer 1813, de
jure mit 26. Juli 1814 wieder. Auch die aus-
einander gerissenen Tiroler Landesteile
wurden vereinigt.
Noch im Sommer 1814 schaltete sich das
neu erstandene Kreisamt mit provisori-
schem Sitz in Lienz betreffend den Abbruch
der Ruinen der St. Johannes-Kirche ein.
Inzwischen dachte man im Stadtmagistrat
daran, die Ruine nicht abzutragen, weil der
dadurch entstehende Platz seiner Unregel-
mäßigkeit halber künftig einen „
widrigen
Anblick
“ vermitteln würde. Der Magistrat
vertrat nun die Absicht, die Ruine eindecken
zu lassen und als Niederlagsmagazin für
Feuerlöschgerätschaften und dgl. zu benüt-
zen. Doch das Kreisamt verlangte noch im
Dezember 1814 den Abbruch, womit sich
der Magistrat nun doch einverstanden er-
klärte. Das Kreisamt veranlasste jetzt die
Aufnahme eines Situationsplans von St. Jo-
hann (1814), heute im Tiroler Landesarchiv.
Am 24. Februar 1815 traf beim Kreisamt
Lienz die Meldung ein, dass die beiden
Handlungsdiener Josef Waiz und Michael
Sartori, beim Handelsmann Oberhueber
angestellt, unter dem Schutt der Johannes-
kirche das Wolkenstein‘sche Grabmal auf-
gefunden und an dieses Hand angelegt, die
Steine gehoben und die Särge aufgebro-
chen hätten. Die beiden seien von der
Polizei vertrieben worden und die Särge
mit den Gebeinen habe man in die alte
Gruft bei den Franziskanern übertragen.
Es handelte sich dabei um die Särge von
Johannes Graf Wolkenstein-Rodenegg
(1585 bis 1649) und seiner ersten Gattin,
Benigna Freiin von Kolowrat († 1636). Als
letzter „Lienzer Wolkensteiner“ wurde er
in St. Johann beigesetzt. Er hatte die Herr-
schaft Lienz im Jahr 1642 an den Tiroler
Landesfürsten zurückgeben müssen.
Nach dem überraschenden Auftauchen
einer alten Gruft mit vier Särgen und ihrer
pietätvollen Unterbringung im Franzis-
kanerkloster konnte endgültig an den Ab-
bruch der Kirchenruine gegangen werden.
Am 6. Mai 1815 schloss die Stadt Lienz
unter Bürgermeister Johann Franz Röck
mit dem Stadtmaurermeister Clement
Mayr einen Vertrag:
Clement Mayr verpflichtete sich für eine
Summe von 580 Gulden zur
„Hinwegräu-
mung der im Schutte liegenden St. Johan-
neskirche“,
den Schutt zu beseitigen und
überhaupt den Platz vollständig zu räumen
und zu pflastern. Den Schotter durfte Mayr
zur Pflasterung des Platzes verwenden. Er
versprach, die Arbeiten bis 30. Juni durch-
zuführen.
Nach dem Abbruch der Ruine und der
Pflasterung des Platzes erinnerte nichts
mehr an die traditionsreiche Kirche zu St.
Johannes dem Täufer. Damit war das alte
Lienzer Kulturdenkmal verschwunden. An
St. Johann erinnern nur mehr der Name
des Platzes – und das Ergebnis der For-
schungsarbeiten, die nun vorliegen.
* Kurzfassung des Beitrags „Die Kirche zu St. Johannes
dem Täufer. Ein kurzer historischer Abriss“, in: Robert
Büchner, Bauen zum Lobe Gottes und zum Heil der Seele.
Der Neubau der St. Johanneskirche zu Lienz im 15. Jahr-
hundert (Medium Aevum Quotidianum. Sonderband 17),
Krems 2006. – Dort befinden sich auch alle Quellen- und
Literaturnachweise.
St. Johannes der Täufer, eine der vier von
der Brandkatastrophe des Jahres 1798 ver-
schonten Altarfiguren aus der St. Johannes-
Kirche. Die mit „1781“ datierten Plastiken,
die der Lienzer Barockbildhauer Johann
Paterer geschaffen hat, befinden sich
heute am Hauptaltar der Pfarrkirche von
Oberlienz.
Foto: M. Pizzinini
Der im Inventar von St. Johann von 1733
erwähnte Kelch, versehen mit Inschrift und
Wappen des Geor(g)ius Holaus von 1488.
(Lienz, Pfarrkirche St. Andrä)
Foto: Silvia Ebner