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OSTTIROLER
NUMMER 3-4/2007
3
HEIMATBLÄTTER
ter einen ausgezeichneten Überblick über
das damalige relativ enge und überschau-
bare Stadtgebiet. Man verpflichtete den
Nachtwächter Lessacher, einen Gehilfen
aufzunehmen und jede Nacht, das ganze
Jahr hindurch, sobald es dunkel werde, auf
den Johannesturm zu steigen und bis 12 Uhr
nachts bei zwei Fenstern jede Stunde auszu-
rufen und ja keine Stunde zu versäumen.
Nach Mitternacht sollte ihn sein Gehilfe ab-
lösen und bis zum Tagesanbruch jede halbe
Stunde mit dem Horn, welches man ihm
geben werde, durch alle Fenster blasen.
Man trug Lessacher auf, am Turm gute
Wacht auf das Feuer und
„andern Unrat“
zu halten. Bei Beobachtung von Feuer oder
gefährlichem Geschrei mussten die Wächter
als Alarmzeichen den Glockenstreich tun.
Mehr als 200 Jahre diente der Turm von
St. Johann als Auslug für den Lienzer
Nachtwächter.
Der Lienzer Stadtbrand vom
8. April 1609
Der verheerende Stadtbrand vom 8. April
1609 war zwischen 12 und 1 Uhr mittags
in der Nähe der Stadtmauer am Beginn der
Messinggasse ausgebrochen. Trotz aller
Löschversuche verbreitete sich das Feuer,
begünstigt von einem starken Wind, gegen
das Stadtzentrum hin und innerhalb von
drei Stunden stand ganz Lienz in Flammen.
Sogleich wurde vom Landesfürsten Erz-
herzog Maximilian III. der Deutschmeister
Matthias Burgklechner zur Schadensauf-
nahme nach Lienz entsandt. Nach seinem
Bericht vom 14. Mai 1609 waren 13
Lienzer und Lienzerinnen im Feuer umge-
kommen und in Folge
„des empfangenen
großen Schröckens halber“
später noch ei-
nige Personen. Der materielle Schaden war
enorm: 114 Feuerbehausungen (Wohnhäu-
ser) und 70 Futterhäuser waren ab- bzw.
ausgebrannt, dazu eine nicht geringe Zahl
von Badstuben, Holz- und Wäschehütten,
weiters das Messingwerk der Freiherren
von Wolkenstein-Rodenegg sowie ihr
neuer Ansitz Liebburg, das Bürgerspital,
das Karmelitenkloster mit Kirche und
St. Johann am oberen Stadtplatz.
Burgklechner berichtete, dass aber diese
sehr
„erbärmliche, leidige und erschröck-
liche Brunst“
wunderbare Dinge zugelas-
sen habe: Er konnte mehrere fast myste-
riöse Begebenheiten anführen, darunter
auch mit Bezug zur Kirche St. Johannes:
Burgklechner wurde beim Eingang ein
kleines hölzernes Kruzifix mit Postament
und Baldachin gezeigt. Diese beiden hatte
das Feuer verzehrt, die Figur des Gekreu-
zigten aber unversehrt belassen, was ge-
radezu als Wunder angesehen wurde.
Fünf Jahre nach dem Brand (1614)
wurde zum ersten Mal von Seiten der Erz-
diözese Salzburg, der Lienz angehörte, eine
Visitation durchgeführt. Über St. Johann,
das doch schweren Schaden genommen
hatte, heißt es bereits, dass die Kirche in
der Mitte der Stadt sehr schön und mit vier
Altären ausgestattet sei: Der erste Altar sei
den Patronen Johannes dem Täufer – und
hier wird zusätzlich auch Johannes der
Evangelist genannt – geweiht, der zweite
dem hl. Erhard, Patron der Schuhmacher,
der dritte St. Anna; ein vierter Altar befinde
sich auf der Empore, dessen Bild beim
Brand von 1609 zugrunde gegangen sei.
Das Inventar aus dem Jahr 1648
Beim Studium des überlieferten „
Stel-
lungs Inuentari
“ von St. Johann vom
5. Juni 1648 kann festgestellt werden, dass
1609 durchaus nicht das gesamte Inventar
verbrannt ist, da weit ältere Objekte aufge-
zählt werden und dass dieses auf jeden Fall
wiederum ergänzt worden ist, da es mit
seinen 18 Seiten eine überraschende
Reichhaltigkeit aufweist. – An erster Stelle
stehen vier silberne Kelche, zur Gänze ver-
goldet, dazu die Patenen; weiters eine
große Zahl von Corporalen (Kelchtücher),
eine Reihe von Messgewändern aus Ca-
melot und geblümter Seide, ein Messkleid
mit in Gold gesticktem Kreuz und Wappen
der Freiherren von Wolkenstein. Sehr kost-
bar war sicherlich ein mit Perlen besticktes
Kelchtuch.
Als Stiftung des
„Herrn Graf Hansen“
von Görz-Tirol für die Kirche und hiesige
Bruderschaft, wohl der Schuster, die hier
einen Altar hatte, werden aufgezählt: ein
Messgewand, in Gold und Grün gestickt,
samt den zugehörigen Stolen und Manipel,
ein weißer seidener Gürtel, eine weiße
Corporaletasche (Bursa), mit Gold und
Perlen gestickt, ein weißes Kelchtuch aus
Taft mit goldenen Spitzen und in der Mitte
den Namen Jesus von Perlen umrahmt,
dann ein Altarkissen aus weißem Atlas,
mit Gold und Silber geziert. Diese Kost-
barkeiten mussten bereits rund 200 Jahre
in dieser Kirche verwahrt worden sein.
Es werden dann aufgezählt Chorröcke,
Alben und Antependien (Behang oder Vor-
satztafel als Schmuck des Altartisches),
mehrere Kelch- und Altartücher; alle sind
detailliert beschrieben.
In der weiteren kunterbunten, nicht syste-
matischen Auflistung finden sich vor: drei
aus Papier und Rauschgold verfertigte
„Bu-
schen“;
ein Bildnis des hl. Johannes, wohl
des Kirchenpatrons, zwei aus hartem Holz
bestehende und leicht vergoldete Tafeln,
darin allerlei Heiltümer, ebenfalls vom Gör-
zer Grafen Hans gewidmet, dann ein ge-
schnitztes und gefasstes Jesukind, ein ge-
schnitztes Bildnis Mariens mit dem Jesus-
knaben, ein Kreuz aus Messing, vergoldet,
vier Paar Leuchter aus Messing, nochmals
vier Kruzifixe, ein Kanzeltuch aus rotem
Camelot, ein altes Kanzeltuch mit „
tirggi-
scher“
(türkischer) Arbeit, eine messingene
Ampel, ein Rauchfass aus Messing, ein
kleines altes Rauchfass, ein neuer, aus Haar
gemachter Blumenbuschen, zwei alte mes-
singene Ziborien, zwei Wandelstangen für
Prozessionen, ein kupferner Kessel zum
Händewaschen, zwei Glöckchen zum Läu-
ten bei der Wandlung, zwei kleine Kannen
aus Zinn, zwei kleine Vorhänge für den
Tabernakel, ein ungefasster Altarstein.
Neben vier alten Messbüchern und einem
alten Psalter bewahrte man ein neues römi-
sches und ein salzburgisches Messbuch und
ein großes Amtbuch auf.
Bei der salzburgischen Visitation des
Jahres 1671 wurde der seelsorgliche Eifer
des Dekans Paulus von Dinzl hervorge-
hoben. Er halte jeden Sonntag in St. Johann
um 1 Uhr unter großem Zulauf der Bevöl-
kerung Christenlehre. Dies trage dazu bei,
dass in Lienz keine Glaubensabtrünnigen
oder Ungehorsamen bekannt seien. Über-
dies wird im Protokoll auch sein und seiner
Hilfspriester vorbildliches Leben betont.
Selbstverständlich wird auch der Zustand
der Gotteshäuser festgehalten. Die Kirche
St. Johann sei „
schön, licht, rein, bestens in
Verfassung“
und erfreue durch die Pracht
der drei kostbaren Altäre zum Kirchen-
patron, zu Ehren der Auferstehung des
Herrn und des über die Apostel herabkom-
menden Heiligen Geistes. An den beiden
Chorseiten befinde sich ein schönes Gestühl.
Der neuerliche Stadtbrand von 1723
Die Stadt Lienz sorgte immer wieder für
Verbesserungen in St. Johann: 1710
schaffte man z. B. eine neue Orgel an, die
jedoch wenig später wieder zerstört wor-
den ist. – Am 26. Mai 1723 suchte Lienz
wiederum ein Großbrand heim, der einen
Das im Inventar von St. Johann aus dem
Jahr 1648 angeführte Messgewand, gestif-
tet von Christoph Freiherr zu Wolkenstein
und Rodenegg und seiner Gemahlin Ursula,
geborene Freiin von Madruz, 1587. (Lienz,
Pfarrkirche St. Andrä) Foto: M. Pizzinini
Die am 8. April 1609 zerstörte Kirche
St. Johann; Ausschnitt aus einer Darstel-
lung der abgebrannten Stadt Lienz, Feder-
zeichnung von 1609. (Innsbruck, Tiroler
Landesmuseum Ferdinandeum, FB 7004)
Foto: M. Pizzinini