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OSTTIROLER
NUMMER 3-4/2007
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HEIMATBLÄTTER
Als nach dem verheerenden
Stadtbrand von 1444 die schwer
beschädigte Johanneskirche
1457 wenigstens so weit wieder-
hergestellt war, dass in ihr Got-
tesdienste abgehalten werden
konnten, dachte man wohl
schon damals an einen Neubau.
Der Plan wurde aber erst zehn
Jahre später realisiert. 1467
nahmen die beiden Zechmeister
von St. Johannes Kontakt zum
Baumeister Hans Hueber, auch
Hans von Villach genannt, auf
und schlossen mit ihm einen
Vertrag ab. Das Dokument ist
nicht erhalten, dürfte aber den
üblichen Inhalt gehabt haben:
eine Beschreibung des zu errich-
tenden Objekts, die Verpflich-
tung des Werkmeisters, wie
man damals den Baumeister
oder Architekten auch nannte,
verbindliche Entwürfe (Bau-
zeichnungen) zu erstellen,
Schablonen als Vorlagen für
Formsteine zu liefern, Fertigstel-
lungstermin, Honorar, Anwesen-
heit auf der Baustelle oder Ver-
tretung durch einen Polier usw.
Dass man Hans Hueber zum
Baumeister wählte kam nicht
von ungefähr. Zum einen hatte
er in der Gegend schon einen
guten Ruf, arbeitete er doch
seit 1466 als führender Stein-
metz auf der Burg Khünegg
(bei Hermagor) und hat er
möglicherweise auch die Gör-
zer Kapelle zu Villach errich-
tet, zum anderen war er gerade
in der Nähe greifbar, und zwar als Bau-
meister der St. Martinkirche in Dölsach.
Dass ein tüchtiger Werkmeister zwei, drei
oder mehr Baustellen gleichzeitig betreute,
war nicht ungewöhnlich. Natürlich
brauchte er dann für die Arbeitsplätze, auf
denen er nicht persönlich anwesend war,
Vertreter, die den Baubetrieb leiteten, ver-
sierte Steinmetzen und Maurer, die es ver-
standen, die Pläne und Ideen des Architek-
ten in die Praxis umzusetzen. Solche Leute
waren die Poliere, die auch die Interessen
der anderen Meister, ihrer Gesellen und
der Bauhilfsarbeiter gegenüber den Bau-
herren zu vertreten hatten. Als gleichsam
rechte Hand Hans Huebers für St. Johan-
nes fungierte nachweislich über mehrere
Jahre seit 1472 der Polier und Steinmetz-
meister Hans von Dölsach. In den letzten
beiden Baujahren trat an seine Stelle als
Polier der Steinmetz Cristan Prengrueber.
Hans Hueber war ein viel beschäftigter
Baumeister und nur selten in Lienz anzu-
treffen. Erich Egg hat ihm Bauten in den
Wallfahrts- oder Pfarrkirchen Heiligenblut,
Niederlana, Völs, Deutschnofen, Unsere
Liebe Frau im Walde (Senale) und im
Wie für andere Baustellen be-
zeugt, stammten auch in Lienz
die Maurer, Steinmetzen und
Zimmerleute aus der näheren
Umgebung, bis ins angrenzende
Pustertal hinein. So konnten die
Handwerker zum Übernachten
in die eigenen Häuser zurück-
kehren. Ansonsten errichtete
man Schlafstellen, was aus-
drücklich zu 1475 für die Mau-
rergesellen erwähnt wird. Da-
mals waren die Arbeiten eines
Steinmetzen und Maurers noch
zu eng verbunden, als dass man
sie trennen wollte. Deshalb
waren solche Handwerker zu
St. Johannes in beiden Berufen
versiert. Die Bauhandwerker
brachten ihr eigenes Werkzeug
mit. Die Bauverwaltung be-
zahlte ihnen nur das Schärfen
der stumpf gewordenen Spitzen
und Schneiden.
Die erste Bauphase zu St. Jo-
hannes endete im September
1475 und bot das übliche Bild
an Tätigkeiten: Steine bre-
chen, zusammenklauben, auf-
und abladen, Holz-, Sand-,
Kalk- und Steinfuhren, Holz-
schlag und Holztrift, Kalkbren-
nen, Grundaushub, Mörtel-
rühren, Lastentransport auf der
Baustelle, Zimmer-, Maurer-
und Steinmetzarbeit, Gerüst-
bau usw. Besonderen Ärger be-
reitete das Dach des Turms, an
dem seit 1467 ständig gearbei-
tet wurde. Erst 1484 war es
gründlich saniert.
Im Herbst 1475 wurde der Bau auf fast
neun Jahre eingestellt. In dieser Zeit waren
keine Maurer- und Steinmetzpartien mehr
amWerk, es gab nur vorbereitende Arbeiten
wie Steinebrechen, Sand-, Stein-, Kalk- und
Holzfuhren, Holzschnitt. Lediglich ein
Meister fertigte einige Werkstücke für die
Wanddienste an. Zimmerleute deckten den
Chor und mussten zweimal das Dach des
Kirchenschiffs reparieren, das vom Wind
zerstört oder unter den Schneemassen ein-
gestürzt war. 1484 wurde es endgültig abge-
brochen und durch ein anderes ersetzt. Mit
der neuen Glocke hatte man Pech. Sie
wurde 1477 aufgehängt und bald wieder ab-
genommen, weil anscheinend zunächst der
Glockenstuhl, dann die Welle, der Glocken-
balken, nicht fest genug waren. Erst nach
Anbringen einer Stahlunterlage konnte seit
1484 die Glocke endlich hängen bleiben.
Zu Ostern 1472 heißt es, die Maurer
seien dahingezogen. Das könnte nicht viel
besagen, weil Bauhandwerker in der
Regel nur tage- oder wochenweise tätig
waren. Entsprechend unterschiedlich war
jeweils die Zahl der Beschäftigten auf
einer Baustelle. In den neun Wochen ab
Dominikanerkloster zu Bozen zugewiesen.
Hinzu kommen noch die Kirchen in
Dölsach, Lienz und vermutlich auch in
Kaltern, vor allem aber Schloss Sigmunds-
kron, wo Hans Hueber von 1474 bis 1488
Baumeister Erzherzog Sigmunds gegen
ansehnliches Jahresgehalt und Pension ge-
wesen ist.
Ende März 1468 wurde der Neubau von
St. Johannes begonnen. Im Jahr zuvor
hatte man bereits eine Bauhütte mit eini-
gen Fenstern errichtet, was wichtig war, da
die Steinmetzen helle Arbeitsplätze be-
nötigten, zumal imWinter, wenn sie nicht
im Freien arbeiten konnten. Normaler-
weise ruhte die Arbeit auf den Baustellen
von Oktober/November bis Februar/März,
doch hat man, wie in Lienz, bei günstiger
Witterung manchen Winter durchgearbei-
tet, zumindest die Steinmetzen weiter be-
schäftigt. 1467 traf man auch schon Vorbe-
reitungen für eine Winterbrücke bei Ainet
über die Isel. Die für St. Johannes benötig-
ten Steine wurden nämlich zur Hauptsache
in Ainet gebrochen und im Winter zur
Baustelle transportiert. Seit 1485 benutzte
man zudem einen Steinbruch zu Tristach.
Grundriss, Längsschnitt und Situationsplan der Lienzer St. Johannes-
kirche im Zustand als Ruine; aquarellierte Federzeichnung, 1814.
(Innsbruck, Tiroler Landesarchiv, Karten und Pläne 2683)
Foto: Foto Frischauf, Innsbruck
Robert Büchner
Der gotische Neubau der St. Johannes-
kirche zu Lienz, 1467-1491
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