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OSTTIROLER
NUMMER 11/2007
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HEIMATBLÄTTER
ter der Empfang in St. Veit bereiten. Nicht
die Ehrenpforte, die man errichtet hatte,
nicht der Aufmarsch der Wehrformationen
und Schützen, nicht die Begrüßungsan-
sprachen, sondern das Miterleben eines
geschichtlichen Tages für diese Bevölke-
rung, die so hart mit dem Boden ihrer un-
vergleichlich schönen Heimat ringen muß
und ihm doch im stolzen Herrenbewußtsein
eng verbunden bleibt. Der Bundeskanzler
und die Bevölkerung schienen in Wahrheit
eine große Familie zu bilden, in der die
Kinder zum Vater aufschauen, um von ihm
Erfüllung ihrer Wünsche zu erhoffen.“
Aus der Schulchronik von St. Veit
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er-
fahren wir den genauen Ort des Gesche-
hens: Die Begegnung fand in dem kleinen
Dörfchen Zotten statt, das an der Talstraße
liegt und zur Gemeinde St. Veit gehört.
Nach St. Veit-Dorf hätte Schuschnigg mit
dem Auto gar nicht kommen können, war
doch die Straße damals gerade erst in Bau
und wurde in den Jahren vor dem Zweiten
Weltkrieg lediglich bis ins „Talle“ gebaut
(bei der heutigen Abzweigung nach Mel-
litz und Moos). Lehrer Fritz Gunt äußerte
sich sehr positiv über den Kanzlerbesuch:
„Auch die Schulkinder trugen zum fest-
lichen Empfang bei durch Gedicht- und
Gesangsvorträge und einen Sprechchor
15
.
Der Besuch war in der gesamten Bevölke-
rung von nachhaltigstem Eindruck, und
wurde dieser durch ein Stück daran an-
knüpfende Bürgerkunde unterrichtlich
ausgewertet.“
Es ist bemerkenswert, dass Schuschnigg
bereits im Herbst 1934 zum Ehrenbürger
von St. Veit ernannt worden war. Die Ur-
kunde ist lediglich handgeschrieben, wofür
sich Bürgermeister Johann Planer ent-
schuldigte
16
. Gauführer Moser überreichte
sie dem Bundeskanzler, der sich dafür „be-
sonders freundlich“ bedankte
17
. Vermut-
licht war Moser es auch, der den Besuch in
St. Veit einfädelte.
Das „Kärntner Tagblatt“ schreibt, dass
Schuschnigg anlässlich des Besuches zum
Ehrenbürger von St. Veit ernannt wurde
18
.
Dies ist vielleicht so zu verstehen, dass
eine persönliche Ehrung nachgeholt
wurde. Es kam auch zu einer spontanen
Begegnung mit der weiblichen Bevölke-
rung, die dem Kanzler für seine Unterstüt-
zung der Bergbauern dankte
19
. In einem in
dem „Album“ enthaltenen Brief vom 2.
Juli 1935 schrieb der damalige Bürger-
meister von St. Veit, Johann Planer:
„Au-
genzeugen haben gesagt, dass im Jahre
1909 beim Zotten (St. Veit) es auch recht
schön war, wo Prinz Eugen das Denkmal
der Freiheitskämpfer von 1809 enthüllt
habe. Dagegen sei der Besuch unseres
lieben Kanzlers ein viel einfacheres, aber
umso lieberes, innigeres und ungleich
schöneres, herzlicheres Ereignis gewesen,
was in St. Veit noch nie da war und wohl
nicht so bald kommen dürfte“.
Neben dem Bundeskanzler war es vor
allem dessen Frau, die einen positiven Ein-
druck in der Bevölkerung hinterließ. Der
Tiroler Volksbote berichtete:
„Inzwischen
bot sich vor dem Gasthaus
[Zotten]
ein
überraschendes Bild wahrer, reiner Kin-
desliebe: ein Trupp Kinder steht mit ge-
reckten Hälsen um eine Frau herum, die
Eßwaren und Bäckereien austeilt. Herzhaft
packen die kleinen Hände zu und nehmen
sich von den guten Sachen. ‚Das ist die
Gemahlin des Kanzlers’, sagt jemand zu
den Kindern.“
20
Es fällt auf, dass sich Schuschnigg und
seine Frau in St. Veit besonders lange auf-
hielten. Die Empfänge in Matrei und in Prä-
graten fielen demgegenüber kurz aus
21
. In
Matrei wurde Schuschnigg zwar
„unter
Pöllerknall … festlich empfangen“
22
, doch
schon nach 20 Minuten fuhr er nach Prägra-
ten weiter. Dort schilderte der Bürgermeister
dem Bundeskanzler die Notlage der Bevöl-
kerung. Gegen 21 Uhr wurde in Matrei das
Abendessen eingenommen, ehe der Kanzler
gegen 23 Uhr nach Lienz zurückfuhr
23
.
Der tödliche Autounfall Herma
von Schuschniggs (13. Juli 1935)
Nur einen Monat nach dem umjubelten
Besuch in Osttirol verunglückte Herma von
Schuschnigg bei einem Autounfall in der
Nähe von Pichling bzw. Ebelsberg (bei Linz)
auf der heutigen Bundesstraße 1. Ernst
Florian Winter, Sohn des damaligen Wiener
Vizebürgermeisters Ernst Karl Winter und
seit vielen Jahren im Defereggental ansässig,
war als 12-Jähriger Augenzeuge des Unfalls
und berichtete im Juni 2002 in einem Brief
an den Verfasser
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:
„Es fuhren Schuschnigg
mit seiner Frau in einem zweiten Auto. Im
ersten waren, wie ich meine, Ostmärkische
Sturmscharen. Im dritten und letzten des
Konvois war mein Vater … Bei der Abfahrt
auf der Strengbergerstraße, die damals, wie
ich meine, dort noch mit Schotter bestand,
kam Schuschniggs Chauffeur ins Schleudern
und raste in einen Baum … (Sie) war sofort
tot und er blieb am Leben, geschockt (…).“
Im Wesentlichen deckt sich dieser Be-
richt mit der Darstellung von Bernhard
Birk, dem „Reichspressereferenten“ der
OSS, der über Herma von Schuschnigg ein
Herma von Schuschnigg bei ihrem Besuch
in St. Veit i. D. (aus: Die Österreichische
Woche, 1. August 1935, Nr. 31, S. 6).
Bildstock an der heutigen
Bundesstraße 1 bei Ebelsberg
(östlich von Linz). Hier
verunglückte Herma von
Schuschnigg am 13. Juli 1935.
Foto: Michael Huber
Die Einweihungsfeier der Herma-
von-Schuschnigg-Kapelle am
22. August 1937. Im Vordergrund
eine„Triumphpforte“, dahinter
die Kapelle. Davor ist die neu
errichtete Straße nach St. Veit
zu erkennen. In der Bildmitte
(Hintergrund) befindet sich der
Altar für die Feldmesse.
Foto: Chronikarchiv St. Veit,
ehemalige Sammlung Rudolf
Moser