Seite 7 - H_2008_04-05

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lichkeit auch Menschen aus der heidnischen
Antike zuzusprechen. Besonders das 16.
Jahrhundert scheint von solchen Geschich-
ten fasziniert gewesen zu sein.
Gleich mehrere Zeitzeugen wollten
wissen, zu Zeiten Papst Pauls III. (1534 bis
1549) habe man an der Via Appia ein altes
Grab geöffnet, in dem man den unversehr-
ten Körper einer sehr schönen blonden
Jungfrau gefunden habe. Sie sei in einer
wunderbaren Flüssigkeit gelegen, die sie
vor der Verwesung bewahrt hätte, so dass
man meinen konnte, sie lebte noch. Zu
ihren Füßen hätten Lampen gebrannt, die
beim Öffnen des Grabes erloschen seien.
Nach Inschriften am Grabmal habe die
Tote 1.550 Jahre in ihrem Grab geruht.
Alsbald lief das Gerücht um, bei ihr handle
es sich um Tullia, die Tochter Ciceros.
Giambattista della Porta (1535 bis 1615),
ein Arzt, Gelehrter und Dramatiker aus
Neapel, erzählt in seiner „Magia naturalis“
(zuerst 1558 erschienen) von einem Mar-
morgrab eines Römers, das man um 1550
auf einer Insel im Golf von Neapel entdeckt
hatte. Als man es öffnete, zeigte sich eine
brennende Lampe, die nach Auskunft von
Augenzeugen hell geleuchtet habe. Als aber
Luft ins Grab strömte, sei sie erloschen.
Auch hier bekundete angeblich eine
Inschrift das hohe Alter der brennenden
Lampe. Sie soll demnach schon in der Zeit
vor Christi Geburt aufgestellt worden sein.
Sogar Gestalten aus der Literatur beflü-
gelten die Phantasie der Menschen, die an
nie erlöschendes Licht glauben wollten und
gern folgende Geschichte hörten. Nicht
weit von Rom stieß im Jahr 1401 ein Bauer
auf ein Steingrab. Nach der Öffnung fand
man darin den Leichnam eines ungewöhn-
lich großen Mannes, so frisch, als ob er ge-
rade eben bestattet worden sei. Zu seinen
Häupten brannte eine Lampe, die man
weder mit Wasser noch anderem auslöschen
konnte. Erst als man sie anbohrte und zer-
brach, um den wunderbaren Mechanismus
zu ergründen, verlosch das Licht. Der
Mann hatte eine tiefe Wunde in der Brust,
weshalb, ergab eine Inschrift am Grabmal.
Demnach handelte es sich beim Toten
um den aus Vergils Aeneis (X, 439 bis 497)
bekannten Pallas, den Sohn des Euandros,
den König Tullius erschlagen hatte.
Den Ruhm nie verlöschender Lichter
wollte anscheinend England nicht Italien
allein überlassen. Als unter König Hein-
rich VIII. alle Klöster seines Reiches auf-
gehoben und meist zerstört wurden (1536
bis 1540), habe man, heißt es, im angebli-
chen Grabmal des Constantius Chlorus,
des Vaters Konstantin des Großen, auch
eine Lampe gefunden, die ununterbrochen
seit seinem Begräbnis gebrannt habe
54
.
Solche Phantastereien fanden bei man-
chen Rosenkreuzern großes Interesse
55
.
Sie suchten dem Mysterium ewig brennen-
der Lampen auf die Spur zu kommen, weil
sie fest glaubten, dass die alten Römer
fähig waren, Lampen mit einer geheimnis-
vollen Essenz oder mit einem Öl, das aus
flüssigem Gold gewonnen worden sei, zu
füllen und die Stärke der Flamme so zu re-
gulieren, dass das Licht nie erlosch, es sei
denn, frische Luft wurde zugeführt. Einige
Rosenkreuzer experimentierten herum
und behaupteten kühn, sie hätten das Ge-
heimnis der Römer wieder entdeckt
56
.
Wer will, mag die wundersamen Mären
von nie verlöschenden Lampen aus der
Antike als möglich oder gar als wahr anse-
hen, sicher ist aber, dass sie nichts mit der
christlichen Lichtsymbolik zu tun haben,
wie sie sich im Ewigen Licht vor der Eu-
charistie und im Glauben an Jesus als
Licht der Welt widerspiegelt.
Anmerkungen:
1 Vgl. Otto Kettemann, Sattler und Riemer, in: Lexikon
des deutschen Handwerks. Vom Spätmittelalter bis ins
20. Jahrhundert, hg. v. Reinhold Reith, München 1990,
188-191 u. 305.
2 Grimms Dt. Wörterbuch 8 (1893) 928.
3 Dt. Rechtswörterbuch, Bd. 11, Heft 7/8 (2006) 1084.
4 Pfarrarchiv Lienz XX.3. Abschrift des 18. Jahrhunderts
unter XX.282 (mit einigen Lesefehlern). Vgl. Markus
Stotter, Die ältesten Urkunden des Pfarrarchivs Lienz
(1204-1498). Dipl. Arbeit Innsbruck 2004, Nr. 3 (mit
den Lesefehlern der Abschrift). – Abkürzungen wurden
aufgelöst, der Gebrauch von „u“ und „v“ normalisiert.
5 „a“ davor durch Unterstreichen getilgt.
6 Durch Flecken undeutlich gewordene Stellen konnten
durch die folgende Urkunde ergänzt werden.
7 Des besseren Verständnisses wegen wurde frei über-
setzt, vor allem wurden nach Möglichkeit lange Sequen-
zen und Schachtelsätze aufgelöst.
8 Zu 1298 wird Winther von Hohenburg, Sohn des Niko-
laus von Neuenburg, erwähnt (Wilfried Beimrohr u.
Magdalena Hörmann, Neuenburg/Lienzer Klause, in:
Tiroler Burgenbuch, Bd.9: Pustertal, Bozen etc. 2003,
425). Er dürfte gemeint sein.
9 Lat.
potus
bedeutet Trank, Becher, augenscheinlich auch
ein Hohlmaß, nämlich für den Inhalt eines Bechers. Der
Schreiber der Urkunde hat mit
potus
ziemlich sicher
das Trinkl (=
1
2
Ortsmaß) zu 0,4084 l wiedergegeben
(Wilhelm Rottleuthner, Alte lokale und nichtmetrische
Gewichte und Maße und ihre Größen nach metrischem
System. Bearb. v. Wilhelm E. Rottleuthner, Innsbruck
1985, 47). Das Maß, als „Trincken“ bezeichnet, begeg-
net oft in Lienzer Dokumenten, z. B. im Urbar der St.
Andreaskirche zu Lienz von 1494 (Pfarrarchiv Lienz II.
Ba), wo auf den Seiten 68-72 zu fünf verschiedenen
Personen vermerkt wird, sie müssten alljährlich von
einer Leite (Feld im Bergabhang, abschüssiges Grund-
stück), einemAcker, kleinen Anger oder Garten je „ain
Trincken Öll“ oder dafür zehn Kreuzer zinsen.
10 St. Georg in Oberdrum und St. Helena (Josef Stadlhuber,
Geschichte der Pfarre Lienz, Osttiroler Heimatblätter 20
[1952] Nr. 2).
11 Im unter Anm. 9 verzeichneten Urbar findet sich ein Ein-
trag (S. 96), wonach die Zechmeister der St. Andreaskir-
che zu Lienz verpflichtet waren, von einem Zehnt „am
Pannberg“ gemäß eines Stiftungsbriefes jährlich sechs
Pfund Berner „wegen öl“ der St. Michaelskirche in Lei-
sach zu geben. Da Bannberg bei Dörfl liegt und Elisa-
beth Riemstecher 1308 Nutzungsrechte an Zehnten in
Dörfl und Kolbenhaus erhalten hat, ist es wahrschein-
lich, dass diese Rechte oder Teile davon seitdem an die
St. Andreaskirche übergegangen sind. Sie hatte nun die
damit verbundene Verpflichtung übernommen, Öl bzw.
den Gegenwert in Geld an St. Michael zu reichen.
12 1 Arl (Tagwerk) = 1.438,66 m
2
(Rottleuthner, 44).
13 Stadlhuber (a.a.O.) erklärt den Beruf
cerotecarius
als
Wachszieher und irrt dabei. Das lat. Wort ist nur eine
andere Schreibung für
c(h)irotecarius
, was eben
Handschuhmacher bedeutet. Ein Wachszieher würde lat.
cereficarius
heißen.
14 Pfarrarchiv Lienz XX.4. Abschrift des 18. Jahrhunderts
unter XX.289 (nicht ganz fehlerfrei). Stotter, Urkunden,
Nr. 4.
15 Die Urkunde enthält einige Lücken, die durch Mäuse-
fraß entstanden sind und mit Auslassungspunkten ange-
zeigt werden, sofern nicht eine Ergänzung verstümmel-
ter Worte, in eckige Klammern gesetzt, möglich war.
16 Der Eintrag zu Pruk (Bruck) ist von gleicher Hand über
der Zeile nachgetragen.
17 Die Namensergänzungen erfolgten nach der vorigen Ur-
kunde.
18 Zu den Lücken vgl. Anm. 15 zum lateinischen Text.
19 Aufgrund der lat. Endung
-arii
im Originaltext ist es
sehr zweifelhaft, ob es sich bei „Müsler“ wirklich um
einen Eigennamen (es wird ja sonst auch „Reuter, Pent-
schauer, Emlacher“ geschrieben und nicht „Reut
arius
,
Pentschau
arius
, Emlach
arius
) und nicht vielmehr um
eine latinisierte deutsche Berufsbezeichnung handelt
(vgl. Riemstech
arii
). Mittelhochdeutsch (tirolisch)
„müsel, musel“ bedeutet „Holz“ (Sägeblock, Brenn-
holz), besonders aber einen Holzklotz, um daraus durch
Spalten Dachschindeln herzustellen (vgl. Grimms Dt.
Wörterbuch 6 [1885] 2737). Ein „Müs(e)ler“ wäre dem-
nach ein Schindler, ein Schindelmacher, -hauer, wofür
sonst im Lateinischen
scandularius
steht. Dem Schrei-
ber ist anscheinend wie bei Riemstecher nicht das ent-
sprechende lat. Wort für Schindler geläufig gewesen.
20 Meinrad Pizzinini, Lienz. Das große Stadtbuch, Lienz
1982, 91.
21 Pizzinini, 559 Anm. 34 in der ersten Spalte. Die hier für
den Fehler verantwortlich gemachten Archivberichte
aus Tirol (Bd. 4 [1912], S. 19, Nr. 64) sind unschuldig
und haben korrekt zitiert („hl. Geist in Schloss Pruk“).
22 Andreas Heinz, Patron, Patronin, Patrozinium, Lexikon
für Theologie und Kirche 7 (
3
1998) 1479 u. Magdalena
Hörmann, Schloss Bruck – Kapelle, in: Burgenbuch 9
(wie Anm. 8), 462.
23 Hermann Wiesflecker, Entstehung der Stadt Lienz im
Mittelalter, in: Lienzer Buch (Schlern-Schriften 98),
Innsbruck 1952, 188. Der Viztum und Richter hieß mit
vollem Namen Konrad von Wal(c)henstein (ebenda).
24 Eine Art Stadtschreiber war damals der städtische Kast-
ner und Notar Albert, sowohl „Schreiber von Luentz“
wie „notarius de Luenz“ und „claviger de Luenz“ ge-
nannt (Wiesflecker, 188). Er ist sicher mit dem oben er-
wähnten Kastner Alber identisch.
25 Pfarrarchiv Lienz XXII./V.9, S. 7 (1452 März 30). Die
Leite stand in Zusammenhang mit der Anlage eines
Weingartens in Huben. Stefan Harder musste St. Johan-
nes auch einen Trinken Öl von seiner Hofstatt und dem
Garten leisten, worauf sein verstorbener Vater eine Ba-
destube gehabt hatte (Urbar, ebenda).
26 Richard Schober, Regesten der Urkunden des Stadtar-
chivs Lienz (Tiroler Geschichtsquellen 5), Innsbruck
1978, Nr. 88.
27 Schober, Nr. 122, 128 u. 135.
28 Ernst Gudian, Dreifaltigkeit IV (Barock), Reallexikon
zur deutschen Kunstgeschichte 4 (1958) 441-446.
29 Adolf Reinle, Die Ausstattung deutscher Kirchen im
Mittelalter, Darmstadt 1988, 117; Hug, Lucerna, Paulys
Realencyclopädie der classischen Altertumswissen-
schaft XIII, 2 (1927) 1585; Saskia und Anton Ress,
Ewiges Licht (christlich), Reallexikon zur dt. Kunstge-
schichte 6 (1973) 601.
30 Reinle, 117; Hug, 1573, 1586, 1587; Ress, 601-602.
31 Reinle, 117; Hug, 1587; Ress, 602-606; Peter Browe,
Die Verehrung der Eucharistie im Mittelalter, München
1933, 1. Epitaphien = Grabinschriften an Kirchenwän-
den und -pfeilern.
32 Hans Wentzel, Ampel, Ampelkrone, Reallexikon zur dt.
Kunstgeschichte 1 (1937), 652 u. 654; Ress, 603.
33 Browe, 2.
34 Wentzel, 653.
35 Schon für die Zeit um 400 berichtet die gallische Nonne
Aetheria (Egeria), in der Grabeskirche zu Jerusalem
brenne Tag und Nacht eine Lampe, doch scheint das nur
für die Karliturgie gegolten zu haben (Ress, 603 u. 607).
36 Browe, 2-7; Ress, 607-608.
37 Browe, 6-9. Der Stifter bestimmte, ob eine Ampel auf-
gehängt oder Kerzen aufgestellt wurden (ebenda, 6).
38 Browe, 10-11; Ress, 20-21; Kai Gallus Sander, Ewiges
Licht, Lexikon für Theologie und Kirche 3 (
3
1995)
1081-1082; Hug, 1572-1573.
39 Reinle, 117; Kress, 612; Sander, 1081; Klaus Hedwig,
Licht, Lichtmetapher, Lexikon des Mittelalters 5 (1991)
1959-1962.
40 Vgl. Anm. 25.
41 Brach bleibendes Feld, unkultivierte Grasfläche.
42 Pfarrarchiv Lienz XXII./V.9.
43 Von einem Haus am oberen Platz musste ein Hans Wal-
henstainer jährlich ein Trinken Öl oder dafür 36 Wiener
Pfennige zahlen (Urbar, S.7).
44 Ress, 613; Reinle, 119; Wentzel, 652-653.
45 Reinle, 119; Wentzel, 653.
46 Ehemaliges Zisterzienserinnenkloster in Niedersachen,
heute evangelisches Damenstift.
47 Reinle, 119; Wentzel, 655; Ress, 612 u. 615.
48 Hug, 1588.
49 Zepf, Öl, Handwörterbuch des dt. Aberglaubens 6
(1935) 1241.
50 Historia Francorum IV, 36. Gregor war der Großneffe
des Nicetius und bemühte sich nach Kräften, den Kult
seines Großonkels zu verbreiten (Martin Heinzelmann,
Nicetius, Lexikon des Mittelalters 6 [1993] 1127).
51 Browe, S. 1 Anm. 5.
52 Browe, 1 u. 3; Ress, 604.
53 K. Beth, Ewiges Licht, Handwörterbuch des dt. Aber-
glaubens 2 (1927) 1091.
54 Hier ist zumindest die Zuordnung falsch. Constantius ist
zwar 306 in York gestorben, beigesetzt wurde er aber in
seiner Residenzstadt Trier (Richard Klein, Constantius
I. Chlorus, Lexikon des Mittelalters 3 [1986] 172).
55 Sie waren ursprünglich im 17. Jahrhundert eine Reform-
bewegung innerhalb des Protestantismus, bildeten aber
bald verschiedene, teils legendäre Vereinigungen, in
denen humanistisch-ethische, pantheistische, theoso-
phische, freimaurerische Gedanken ebenso eine Rolle
spielten wie Alchemie, Mysterien und anderes mehr. Im
19. u. 20. Jahrhundert splitterten sie sich in zahlreiche
(Geheim-) Gesellschaften auf, die dem Okkultismus,
der Kabbala, Neugnosis, Mystik und Esoterik zuneigen.
Vgl. (wissenschaftl. zuverlässig) Harald Lamprecht,
Neue Rosenkreuzer. Ein Handbuch (Kirche, Konfes-
sion, Religion 45). Göttingen 2004.
56 Vgl. zum Ganzen Hargrave Jennings, Die Rosenkreuzer.
Ihre Gebräuche und Mysterien, Berlin 1912, Nachdr.
München 2004, 22-24: Ewig brennende Lampen. Dort
finden sich die oben erzählten Geschichten und noch
einige mehr.
OSTTIROLER
NUMMER 4-5/2008
7
HEIMATBLÄTTER
IMPRESSUM DER OHBL.:
Redaktion: Univ.-Doz. Dr. Meinrad Pizzinini.
Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren ver-
antwortlich.
Anschrift der Autoren dieser Nummer: Ao.
Univ.-Prof. Dr. Robert Büchner, A-6020 Inns-
bruck, Tschiggfreystraße 27. – OSR VS-Dir. i. R.
Hans Kurzthaler, A-9900 Lienz, Dorf 62, Thurn.
Manuskripte für die „Osttiroler Heimatblätter“
sind einzusenden an die Redaktion des
„Osttiroler Bote“ oder an Dr. Meinrad Pizzinini,
A-6176 Völs, Albertistraße 2 a.