Seite 6 - H_2008_04-05

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Brauch unterblieben war. Häufig fehlte es
den Pfarrkirchen einfach an Geld. Umso
willkommener waren Stiftungen oder
Ölspenden dafür. Viele Geistliche förderten
die Anschauung des Volkes, das Ewige
Licht komme auch den Seelen Verstorbe-
ner zugute, flossen ja dann auch Stiftungen
und Vermächtnisse für die „Ewige
Lampe“. Es war selten, wie Ende des 14.
Jahrhunderts in Bremen geschehen, dass
für dies Licht eine eigene Vikarie gestiftet
wurde. Öfter geschah es, dass man den An-
kauf von Öl aus Zehnteinkünften bestritt
37
.
Noch im 16. Jahrhundert brannte das
Ewige Licht in vielen Kirchen nicht oder
war aus Nachlässigkeit der Geistlichen
oder wegen Armut der Gotteshäuser wieder
erloschen, mochten auch mehrere Synoden
unter Strafe angedroht haben, „den Leib
Christi“ mit Licht zu versehen. Die Gegen-
reformation richtete zunächst wenig aus,
die eucharistischen Bruderschaften jedoch
trieben die Verbreitung des Andachtslichtes
vor dem Tabernakel voran. Das im Jahr
1600 approbierte
Caeremoniale Episcopo-
rum
, ein Handbuch der bischöflichen Litur-
gie, forderte, vor dem Allerheiligsten soll-
ten wenigstens fünf Lampen brennen, drei
beim Hoch- und eine bei jedem Nebenaltar.
Das
Rituale Romanum
von 1614 schrieb
vor, mehrere Lampen sollten vor dem Taber-
nakel leuchten, mindestens eine Tag und
Nacht. Nach heute (seit 1917) geltendem
Kirchenrecht genügt ein Ewiges Licht, das,
wie schon in Antike und Mittelalter, mit
Oliven- oder Pflanzenöl zu speisen ist
38
.
Das „ewige, schlaflose Licht“ ist nicht
nur ein Zeichen der immerwährenden
Gegenwart Gottes in der Eucharistie, son-
dern steht auch im Zusammenhang mit der
christlichen Lichtsymbolik. Die Schöpfung
ist ein Ebenbild ihres Schöpfers, sie ist
„lebendiges Licht“, denn „Gott ist Licht,
und Finsternis gibt es keine in ihm“, wie es
im 1. Johannesbrief (1, 5) heißt. Licht ist
Wahrheit und Leben, im Licht manifestiert
sich die Trinität, besonders Jesus, der von
sich gesagt hat: „Ich bin das Licht der Welt
(
lux mundi
), wer mir folgt wird nimmer-
mehr in der Finsternis wandeln, sondern
das Licht des Lebens haben“ (Joh. 8, 12)
39
.
Bezieht man die bislang gebrachten theo-
retischen Erörterungen auf die beiden Ur-
kunden des Jahres 1308, ist Folgendes zu
sagen. Bei den Ölspenden für das Licht in
verschiedenen Gotteshäusern in und um
Lienz handelt es sich noch nicht um das
Ewige Licht vor der Eucharistie im Taber-
nakel oder in der Sakramentsnische. Das war
um 1300 für Pfarrkirchen auch noch nicht zu
erwarten. Sondern es ging um Öl in Ampeln,
die vor den Heiligen brannten, bei ihren
Altären und Bildern, vielleicht auch vor Sta-
tuen oder Epitaphien. Das bringt deutlich das
Legat der Maria Riemstecher zumAusdruck,
die vom Licht für die Heiligen (
pro lumine
sanctis
) spricht. Ob einige dieser Lichter Tag
und Nacht vor den Heiligen leuchteten, ist
anzunehmen, wird aber nicht direkt gesagt.
Die oben getroffene Feststellung, der Un-
terhalt Ewiger Lichter sei häufig aus Zehnten
bestritten worden, bestätigt sich auch für
Lienz. Zudem ließen sich Kirchen gerne
Zinse für verpachtete Immobilien in (Oliven-)
Öl, solange es teuer und schwer zu erhalten
war, entrichten. Das Urbar der Lienzer St.
Johanneskirche
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enthält in seinen frühesten
Teilen noch zahlreiche Einträge, wonach
der Zins für einen Erker, Anger, ein Haus,
eine Leite, eine Fleischbank, Brottafel, einen
Stadel, Laden oder eine Hofstatt mit jeweils
einem bis zwei „Trinken“ Öl oder in 20
Agleiern (= 4 Kreuzer) abzugelten war.
Besonders interessant ist ein Vermerk auf der
ersten Seite des Urbars. Danach zinsten ein
Egarten
41
und Acker, gelegen bei dem Holz-
kreuz, wo man nach Leisach geht, alljährlich
dem Gotteshaus 60 Agleier „czu dem liecht
vor unseres herrn leychnam“. Demnach
brannte spätestens um 1430 zu St. Johannes
ein Ewiges Licht vor der Eucharistie. Wie
ein neu angelegtes Urbar von St. Johannes
aus dem Jahr 1491 zeigt
42
, wurden im Laufe
der Zeit die Ölzinse abgelöst oder in Geld-
beträge umgewandelt. Es gibt nur noch einen
Vermerk dazu
43
.
Wesentlicher Teil der mittelalterlichen
Ampeln war ein Glaseinsatz. Er ruhte
meist in einem Metallreifen, der an drei bis
vier Kettchen aufgehängt wurde. Dies
eigentliche Ölgefäß hatte die Form eines
nach unten spitz zulaufenden Bechers,
manchmal auch die einer Kugel, Birne
oder spitz zulaufenden Schale. Die Ampeln
waren, nach Buch- und Wandmalereien zu
urteilen, größtenteils einflammig
44
. Aus der
Fülle mittelalterlicher Ampeln sind ver-
schwindend wenige erhalten geblieben.
Eine spätgotische aus der Schlosskapelle
Bruck, die 1913 noch vorhanden war, ist
heute verschollen. Sie dürfte noch von der
Ölspende des Jahres 1308 profitiert haben.
Von den mittelalterlichen Ampeln
Deutschlands seien zwei außergewöhn-
liche Exemplare erwähnt. Zunächst die
romanische Bronzeampel im Dom zu
Erfurt, um 1150 entstanden. Der sternen-
förmige Ölbehälter, eine Schale, hängt mit
vier Kettchen an einem zylindrischen
Oberteil, das in vier Zonen mit zahlreichen
Reliefszenen aus demAlten Testament und
oben mit einem Blattkapitell geschmückt
ist
45
. Wegen der Feuergefahr wurden Am-
peln aus Holz nur selten verwendet. Eine
solche, kurz vor 1400 entstanden, blieb aus
der Klosterkirche Wienhausen erhalten
46
.
Sie ist sechsseitig, wurde aus Eichenholz
geschnitzt, hat ein lichtdurchlässiges Maß-
werk und ist mit Passionsreliefs verziert
47
.
Brennendes oder nie verlöschendes Licht,
Öl aus Kirchenlampen spielten schon im
Volksgauben des frühen Christentums eine
Rolle. Es kam zu legendenhaften, phantas-
tischen Erzählungen darüber oder zu merk-
würdigen Bräuchen. Nach Johannes Chry-
sostomos (4. Jh.) zündete man vor der Ge-
burt eines Kindes mehrere Lampen an und
bezeichnete sie mit Namen. Das Kind er-
hielt dann den Namen der am längsten bren-
nenden Lampe, weil man darin das Vorzei-
chen eines langen Lebens sah
48
. Besondere
Heilkraft schrieb man dem Öl solcher Lam-
pen zu, die am Grabe von Heiligen brann-
ten, etwa des hl. Martin
49
oder des hl. Nice-
tius, Bischofs von Lyon († 573). Nach Gre-
gors von Tours Fränkischer Geschichte
50
soll das Öl der Lampe, die täglich an seinem
Grab angezündet wurde, Blinden das
Augenlicht zurückgegeben, böse Geister
aus Besessenen vertrieben und Gelähmte
geheilt haben, weshalb alle Kranken seiner
Zeit den Nicetius für einen mächtigen Wun-
dertäter gehalten hätten. In einer Gallusvita
(9. Jh.) wird den Kranken empfohlen, Öl,
das in der Krypta der Kirche zu St. Gallen
vor dem Altar brenne, auf eine Wunde zu
streichen, und sogleich würden sie geheilt
51
.
Viele Legenden berichten von Lichtern an
Gräbern der Heiligen, die wunderbarerweise
von selbst brannten, oder waren sie einmal
ausgegangen, sich von selbst wieder anzün-
deten
52
. Dem Andachtslicht schrieb man im
Einzelfall auch eine schlimme Vorbedeutung
zu. Brannte es nämlich nachts in einer Kir-
che besonders hell, zeigte das einen baldigen
Todesfall in der Pfarrei an
53
. Lampen, die an
einem Grab nie erloschen, galten gläubigen
Christen als untrügliches Zeichen dafür, dass
die oder der darin Ruhende ein heiligmäßi-
ges Leben geführt hatte und nun bei Gott im
Lichterglanz der Ewigkeit weilte. Volk wie
Gelehrte trugen aber keine Bedenken, solche
mirakulöse Erscheinungen der Unvergäng-
OSTTIROLER
NUMMER 4-5/2008
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HEIMATBLÄTTER
Romanische Bronzeampel im Dom zu Erfurt, um 1150 – Ampel, aus Eichenholz geschnitzt,
im Kloster Wienhausen, kurz vor 1400 – spätgotische Lampe, ehemals in der Kapelle von
Schloss Bruck. (Die Abbildungen links und Mitte sind entnommen den Publikationen von
Klaus Mertens, Der Dom zu Erfurt, Berlin,
8
1979 und Konrad Maier, Kloster Wien-
hausen, Hamburg, 1972; rechtes Foto im Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck)