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OSTTIROLER
NUMMER 6-7/2008
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HEIMATBLÄTTER
und Botaniker in die Alpen, im 16. Jahr-
hundert entstanden die ersten genaueren
Karten mit Gipfel- und Gletscherbezeich-
nungen sowie topographische Beschrei-
bungen und Abhandlungen über die alpine
Flora. Um die Wende zum 17. Jahrhundert
steuerte der Tiroler Arzt Hyppolit Guari-
noni einen neuen, fast modern anmutenden
Aspekt bei, nämlich die gesundheitsför-
dernde Wirkung des Bergsteigens. ImAll-
gemeinen sahen die Menschen im hochal-
pinen Raum aber nach wie vor eine unvor-
stellbar feindliche, gefahrvolle Wildnis,
deren erschreckende Naturgewalten sich in
der Sagenwelt geradezu ins Unheimlich-
Schicksalshafte steigerten.
Am Beginn des 18. Jahrhunderts inten-
sivierten die Wissenschafter ihre Ent-
deckungszüge in den Alpen und publizier-
ten zahlreiche Schriften. Gleichzeitig ent-
standen auch poetische Werke, die in den
Salons der gebildeten Schichten große
Wirkung hatten. Demzufolge verlagerten
sich deren Reiseziele von den antiken
Ruinen hin zum Naturerlebnis der Alpen,
besonders ihren Gletschern. Auch Johann
Wolfgang von Goethe nahm bei den Schil-
derungen seiner Italienreisen auf die
Schönheit der Gebirgswelt, aber auch auf
deren Geologie, Botanik usw. Bezug.
Naturgemäß spiegelt die künstlerische
Darstellung der Gebirgslandschaft die Stile
von biedermeierlicher Idylle, über die Ro-
mantik bis hin zu expressiven, dramati-
schen Lichtinszenierungen wider. Auch die
vielfache musikalische Reflexion sei hier
erwähnt, die in dem Tongemälde der
„Alpensymphonie“ von Richard Strauss
zweifellos ihren spezifischen programm-
atischen Höhepunkt findet.
Die Eroberung der Alpen im engeren
Sinne des Alpinismus begann um die Mitte
des 18. Jahrhunderts und wurde vor allem
vom Adel initiiert bzw. selbst in Angriff
genommen (z. B. Graf Salm). Mit der be-
ginnenden Industrialisierung in der zwei-
ten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfolgten
Erstbesteigungen in den Westalpen und
auch später in den Ostalpen, die vor allem
vom englischen Bürgertum ausgingen
(z. B. Edward Whympher). Die Einheimi-
schen, die das Gebirge vor allem ökono-
misch nutzten (Almen, Jagd, Bergbau,
Handelswege), wurden als Führer ange-
stellt. Die Bahnbrecher des Alpinismus in
den Ostalpen nach der Mitte des 19. Jahr-
hunderts waren Pioniere wie Julius Payer
und Johann Stüdl, die mit vielen Erstbe-
steigungen Neuland erschlossen und damit
entscheidende Impulse zur Verbreitung des
Bergsteigens setzten. Die Berichte dieser
Abenteurer regten die Entwicklung des auf
breiterer Basis einsetzenden Hochtouris-
mus an, der auch durch den Bahnbau (z. B.
Pustertalbahn 1869 bis 1871) gefördert
wurde. Es entstanden die ersten Alpen-
panoramen (meistens Stiche, teils kolo-
riert) und öffneten den Blick für das Sehen
der grandiosen weiten Gebirgswelt
1
.
Die Erschließung der Alpen auf breiter
Basis mit Wegenetz und Schutzhütten
setzte letztlich mit der Gründung der alpi-
nen Vereine nach der Mitte des 19. Jahr-
hunderts ein. Man begann eine genaue
Vermessung und Kartographie durchzu-
führen, die Gebirgsforschung in moder-
Stüdlhütte am Großglockner in einer alten Ansicht.
(Innsbruck, Alpenvereinsmuseum) Rep.: B. Ascherl
Stüdlhütte, mit dem Großglockner, um 1950 (Postkarte).
Die Stüdlhütte, in einer Ansicht auf einer Postkarte, um 1905.