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zwölf ‚schöne‘ Perchten mit hohen Hel-
men auf und bunten Kleidern, mit vielen
farbigen Bändern geschmückt. An den
Helmen hatten sie kleine Schellen und
Glöcklein, die bei jeder Bewegung klan-
gen und tönten, in den Händen hielten sie
lange Stöcke. Der Anführer, die Vor-
perchte, war besonders reich gekleidet
und hatte einen extrahohen Helm mit
den meisten Bändern und Glöcklein, Mit
den zwölf ‚schönen‘ Perchten gingen
paarweise vier Tänzerinnen, auch Männer,
aber in Frauenkleidern. (...) Hinter den
‚schönen‘ Perchten und den Tänzerinnen
zogen die ‚schiechen‘ Perchten; sie
waren allerhand nicht so gut gekleidet und
dabei waren allerhand humoristische
Figuren wie Wunderdoktor mit seltsamen
Kuren, Krämer mit den verschiedensten
Juxwaren, Zillertaler mit Schnapspanzele,
einmal auch ein recht gespreizter Graf in
einer wackeligen Karosse. Gar alle Teil-
nehmer trugen Masken; die ‚schönen‘
Perchten feine, schöne, die am Helm ange-
bracht worden waren, die ‚schiechen‘
Perchten aber nur schreckliche und lächer-
liche.
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Dass gerade zwölf schöne Perchten
auftraten ist sicherlich kein Zufall, weist
doch die Zahl 12 in der christlichen
Zahlensymbolik auf die Gesamtheit hin.
Die Unterscheidung zwischen „schöne
und schieche Perchten“ findet man heute
noch bei einigen Perchtenbräuchen Salz-
burgs und mag auf die Zwiespätigkeit von
Frau Percht hinweisen. Zu finden ist diese
Teilung heute noch bei den Tafelperchten
der Gastein oder in St. Johann, deren Aus-
sehen im Übrigen den Oberdrumer Perch-
ten geähnelt haben können. Einst scheinen
alle Maskenbräuche Osttirols von einer
bunten Figurenvielfalt geprägt gewesen zu
sein. Beim Klaubaufgehen in St. Jakob im
Defereggental verkleideten sich noch um
1930 „[a]m Nikolaus-Vorabend (…) man-
che Burschen als Bischof, Engel, Teufel,
Braut und Bräutigam, Bauer und Bäuerin,
Lotter und Litterin (mit einer Holzpuppe),
Herr und Frau, Bajazzo und Bajazzin
(…).“
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Einige diese Figuren waren 1807
auch in Kals beim Perchtenbrauch
beobachtet worden. Dort beteiligten sich
damals, „zwei Herren mit Spiegeln auf der
Brust und eine Frau in Reifkittel, alle
schön angezogen. Ein Doktor mit einer
Kraxe pries seine Mixturen den Weibern in
Versen an. Dabei traten auch Narren (Lot-
ter) und eine Närrin (Litterin) auf (...) die
eine Puppe als Kind mitführte und dafür
Erbarmen zu erregen suchte. Die Haupt-
personen aber war der Springer mit einer
hohen Kappe auf, der bei dem folgenden
Tanz aller Beteiligten Sprünge bis auf den
Überboden machte.“
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Die beiden Berichte
zeigen nicht nur eine enge Verwandtschaft.
Wir wissen heute, dass alle Maskenbräuche
Osttirols (und freilich nicht nur dort) in
ständiger Wechselbeziehung zueinander
standen. Elemente von den Nikolausspie-
len, dem Klaubaufgehen und Perchten-
springen, den Fastnachten, Klöpflerbräu-
che sowie, wie noch gezeigt werden soll,
auch dem Krapfenschnappen flossen in-
einander. Man muss mit Übernahmen und
Nachahmungen von Brauchmotiven rech-
nen, ohne dabei jedoch den Weg oder die
Richtung immer wirklich nachvollziehen
zu können. Als die Asslinger Burschen in
der Nacht des 2. Jänner 1837 wie erwähnt
nach Innichen kamen, um das „Perchten-
spiel“ zu zeigen, führen sie eine Faschings-
hochzeit auf.
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Solche Spielhochzeiten
waren einst als parodistisches und gesell-
schaftskritisches Element sehr beliebt
und insbesondere in das Pflug-, Eggen-
oder Blochziehen integriert wurden – ein
Brauch, der heute unter geänderten Vorzei-
chen nicht nur im Südtiroler Tramin (Eget-
mannumzug) oder im Ötztaler Umhausen
(Larchziehen) zu bestaunen ist, sondern
auch 1605 für Assling belegt ist und im 19.
Jh. noch im Kalsertal durchgeführt
wurde.
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Auch der Bajazzo – eine Narren-
figur, welche aus der italienischen Com-
media dell Arte stammt – findet seine Ent-
sprechung bei einigen Fasnachtsbräuchen
des Tiroler Oberlandes. Arzt (etwa Doktor
Eisenbart), Bauer und Bäuerin wiederum
sind Gestalten aus den Nikolausspielen
und waren noch in den 1980er-Jahren in
Prägratten beim Klaubaufgehen zu sehen.
Die Nikolausumzüge Osttirols, die um
1800 noch gar nicht direkt belegt sind, ver-
wenden also Elemente aus älteren Brauch-
formen.
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Selbst der Klaubauf stammt aus
den einst von den Jesuiten geförderten
Nikolausspielen und ist im Südtiroler
Ahrntal heute noch Teil noch der dortigen
Theateraufführungen.
Erscheinungsbild
Über den genauen Brauchablauf wissen
wir heute trotz manch interessanter Details
eigentlich sehr wenig, vieles kann nur ver-
mutet werden. In Oberlienz waren 1837
folgende Figuren zu bestaunen: „(...) der
Ascherschitz, der Zigeuner mit seiner Vet-
tel, der Zillertaler als wandernder Arzt, der
Doktor Tredigina, das scheue Pferd oder
der Samer, der Schwarze oder Teufel und
ein Volk allerlei Gespenstern; (…) Zu klei-
nen Neckereien mit Witz zugefügt halten
sich die Neckergespenster doch befugt; da
muss manche Unfromme die langbewahrte
OSTTIROLER
NUMMER 11-12/2008
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HEIMATBLÄTTER
Eine der fünf
erhaltenen
Masken aus dem
Nikolausspiel
im Defereggen,
19. Jh.
(Tiroler Volks-
kunstmuseum,
Inv. Nr. 16609)
Foto: Archiv
TVKM
Pinzgauer
Schönperchten,
1780-1800.
Original-
zeichnung im
Privatbesitz.
Die Zeichnung
diente als Vorlage
für das Nuß-
dorfer Schön-
perchtenpaar
von 2008.
Foto: Museum
Carolino
Augusteum,
Salzburg.