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OSTTIROLER
NUMMER 11-12/2008
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HEIMATBLÄTTER
Zeit bekannt gewesen sein musste. Auch
könnte man diese Passage dahingehend in-
terpretieren, dass das Rügen (Raufen?) da-
mals Teil des Brauches war. Schließlich
verfügte Richter nichts gegen den Brauch
an sich, sondern ausschließlich gegen des-
sen Auswüchse. Dass gerade beim ersten
Hinweis Veit Eder genannt wird, macht
stutzig, wanderten Mitglieder der Familie
Eder just zu dieser Zeit von Saalfelden in
Salzburg in das Gebiet des heutigen Ost-
tirol ein, um beispielsweise als Bergknap-
pen zu arbeiten. Möglicherweise handelt
es sich also bei den Osttiroler Perchtenfor-
men um einen Kulturimport aus Salzburg.
Etwa fünfzig Jahre nach dieser ersten Er-
wähnung wird der Brauch an sich zu
einemÄrgernis für die aufgeklärte Obrig-
keit: 1719 werden „Florian Taxer, Hannß
Christler und Mathias Mayr alle 3 Leedige
Paurn Söhn Zu Nörach“ da sie in „verstöl-
ten Claidern Perchten geloffen und dar-
überhin bei obgesagten Hansen auer
einen winckltanz angestölt“ haben zu einer
Strafe von 2 Gulden verurteilt
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. Auch
diese Quelle gibt beim genaueren Hin-
schauen mehr her, als sie vermuten lässt.
Brauchträger scheinen ledige Burschen ge-
wesen zu sein, der Brauch diente auch (als
Anlass) zur (Tanz-)Unterhaltung. Tatsäch-
lich, das zeigen Quellen zu zahlreichen an-
deren Bräuchen, formierten sich Masken-
bräuche auch und insbesondere in einer
oder um einer Tanzlabe bzw. Tanzstube.
Im 18. Jh. versuchte die Obrigkeit unsitt-
lich angesehene Begleiterscheinungen –
etwa übermäßiges Trinken und Essen oder
das unkontrollierte Zusammentreffen bei-
der Geschlechter – zu unterbinden. Gleich
mehrmals verbot der Salzburger Fürsterz-
bischof Firmian zwischen 1721 und 1750
deshalb solche „ärgerliche[n] Müssbräu-
che“ – Strafen und Beschwerden aus den
damals zu Salzburg gehörenden Gerichte
Matrei und Lengberg zeigen aber, dass die
Erlässe kaumWirkung gezeigt hatten. Ei-
nerseits waren solche Verordnungen oft
nicht mehr Absichtserklärungen ohne an-
gedrohte Konsequenz, andererseits blieben
die Brauchteilnehmer durch die Maskie-
rung anonym, wodurch die Strafverfol-
gung behindert wurde. 1736 und 1744
stöhnten Jesuiten, die die Matreier missio-
nieren wollten: „Hier hatten in einem Orte
seit mehreren Jahren die Unsitte Platz ge-
griffen, dass man die Unterhaltungen der
Faschingstage auf die Feiertage von Weih-
nachten, Neujahr und Heilig Dreikönig
verlegte, wo man in Narrengewändern
oder sonst schamlosen Kleidern in alle
Häuser eindrang, ganze Scharen von
Knaben und Mädchen mit sich fortriss und
überall sich unmäßigen Fraß hingab“.
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Nachdem durch Verbote dem Treiben nicht
beizukommen war, scheint man es durch
moralische Predigten versucht zu haben.
Die Sage vom Perchtenstein, wonach in
Zedlach bei Matrei ein Mädchen beim
Perchtenspringen zu Tode gekommen sei
und deshalb kein christliches Begräbnis
Schöne Percht, „Iseltal bei Lienz“, 19. Jh.
(Stadtmuseum Bozen)
Foto: Stadtmuseum Bozen
Perchtenmaske aus Oberlienz, 18. Jh.
(Stadtmuseum Bozen)
Foto: Stadtmuseum Bozen
Maske aus Tristach, 20. Jh. (?)
(Museum der Stadt Lienz, Schloss Bruck)
Foto: Karl Berger, 2005