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OSTTIROLER
NUMMER 1-2/2009
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HEIMATBLÄTTER
heutigen Standort montiert wurde,
kann man kurzfristig zwar Pontil-
ler‘sche Anlehnungen erfahren, der
eigenständig konzipierten individuellen
Plastiktradition des rund 45-jährigen
Fuetsch könnte man weit ältere Motive
unterlegen, die sich vor allem in Pas-
sionsdarstellungen der Renaissance,
wie z. B. in den letzten Werken von
Michelangelo, wie u. a. die Pietà von
Palestrina (um 1555, Florenz) oder die
Pietà von Rondanini (1552-1564, Mai-
land) wiederfinden.
Mit der aufrechten Positionierung
von Maria und Christus wird jener zeit-
liche Raum des unmittelbaren Todes
auf die Ebene einer Skulptur trans-
portiert, nämlich jener Raum nach der
Kreuzabnahme, der dem Todeszeit-
punkt versinnbildlicht näher ist, als im
herkömmlichen Pietà-Sujet, in dem
Christus auf Marias Schoß ruht. „Jeder
Künstler gebiert ein neues Universum,
in dem bekannte Dinge neu, wie nie
zuvor, erscheinen. Statt einer Verzer-
rung oder Verfälschung gibt diese
neue Erscheinung die alte Wahrheit in
einer ergreifend frischen, einleuch-
tenden Weise wieder“
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, prolongierte
1954 Rudolf Arnheim zum Thema Ge-
stalt in der Kunst. In den drei Jahren an
der Staatsgewerbeschule verdiente sich
Gottfried Fuetsch außerdem sein Geld
mit Schnitzen von Christusfiguren,
Madonnen und Krippenmotiven.
1936-1940: Wichtige Jahre an der
Akademie in München, bis zur
Einberufung in den Kriegsdienst
Eine für seine im gestalterischen Kon-
text immanent wichtige Zeit stellt die
Aufnahme an dieAkademie der Bilden-
den Künste in München dar, wo zeit-
gleich unter anderem auch die Bild-
hauerkollegen Emmerich Kerle, Hein-
rich Faltermeier, Max Spielmann oder
Josef Staud zugegen waren.Von 1936 bis
zu seiner Einberufung in den Kriegs-
dienst 1940 war der junge Bildhauer
Student bei den Professoren Hermann
Hahn (1868-1942), einem Bildhauer und
Medailleur, der gerade mit seinen neo-
klassizistischen Monumentalwerken
einen nicht unwesentlichen Beitrag in
der nationalsozialistischen Propaganda-
kunst lieferte, ein weiteres Jahr bei dem
Großplastiker Josef Thorak (1883-1952)
und bis 1940 bei Josef Wackerle (1880-
1959), der insbesondere eine stringente
Form von Monumentalarchaik pflegte.
1965 schreibt dazu im Rückblick ein
Rezensent im Osttiroler Boten: „Ein
markanter Punkt in seiner Ausbildung
war die Begegnung mit seinem Lehrer
Hahn, der in ihm den echten Plastiker
entdeckte. Auch Fuetsch wusste seinen
Lehrer damals richtig einzuschätzen ...“
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Wie bereits erwähnt, erhielt Fuetsch
1937/38 für die Plastik „Sämann“ den
ersten Preis der Akademie unter 120
Mitbewerbern, außerdem fällt in diese
Periode seine ersteAusstellungsbeteili-
gung mit zwei Kleinplastiken im Alt-
städtischen Museum in München und
die Teilnahme an einem Wettbewerb
für die Gestaltung eines Schulhofes
eines Münchner Mädcheninternats, bei
dem der Akademiestudent schließlich
mit einem „Brunnen mit zwei Mäd-
chen“ zur Auswahl kam, der allerdings
im Krieg zerstört wurde.
Nun, was für den 31-Jährigen folgte,
war nicht der ersehnte Abschluss an
der Akademie, sondern 1940 die Einbe-
rufung in das Jägerbataillon 100 als
Bataillonsmusiker nach Bad Reichen-
hall. Im Frühjahr 1943 wurde er als
Regimentsmusiker verpflichtet und im
Verlauf nach Aix-les-Bains in Frank-
reich, Susa und Bardonecchia bei Turin
in Italien versetzt.
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Als markant für
diese Zeit anzusehen ist vielleicht der
Umstand, dass Gottfried Fuetsch in den
Anfängen als Musiker und nur ge-
legentlich als Bildschnitzer für diverse
Schießscheiben und Ehrenplastiken
für Sportwettkämpfe herangezogen
wurde, diese Tätigkeit ab 1944 aber vor-
wiegend ausübte und ein angesehener
Porträtist im Kriegsdienst wurde. Im
Mai 1945 geriet er in amerikanische
Gefangenschaft und wurde in ein Ge-
fangenenlager nach Bad Aibling ge-
bracht, von wo ihn aber zusammen mit
einem jungen Osttiroler Bauern aus
Nußdorf-Debant nach nur sehr kurzer
Internierung die Flucht gelang und
beide unter misslichsten Umständen
nach Hause gelangten.
Zu Hause in Virgen lebten in den
unmittelbaren Nachkriegsjahren noch
Gottfried Fuetschs Mutter und sein
Bruder Josef mit seiner kinderreichen
Familie am Bergbauernhof und entgeg-
neten, von familiären Leid geprüft und
der gerade für Osttirol wirtschaftlich
prekären Situation, mit starkemWillen
und Gottvertrauen. Mit vehementer
Beharrlichkeit errichtete sich Gottfried
Fuetsch im oberen Geschoß des am
Hof angrenzenden Kornkastens in
Obermauern sein Atelier, das er für
kurze Dauer auch seinem Bildhauer-
kollegen Josef Troyer zur Verfügung
stellte. Dem Bildhauer Troyer wurde
unmittelbar nach dem Krieg 1945 die
sehr prestigereiche Position des Dom-
bildhauers zu St. Stephan inWien ange-
boten, zu dessen Werksammlung der
1948 fertig gestellte Krippenaltar – ein
Flügelaltar mit der Szene „Christi Ge-
burt vor dem Stephansdom“ – zählt,
Ein nicht realisierter Entwurf für das Kriegerdenkmal in Rauris 1951/52. Bleistift
auf Papier, 57 x 72 cm, Privatbesitz.
Die „Schutzmantelmadonna“ von 1956
für die südöstliche Hauskante der
Landwirtschaftlichen Landeslehranstalt
in Lienz gilt als erste größere Auftrags-
arbeit, die Fuetsch in Stein ausarbeitete.
Leithakalk, H 260 cm.