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bracht, der sich in seinem Erscheinungsbild
dem Jahrhunderte alten Holz des Oberge-
schosses anpasst. Im Frühjahr 2006 konnte
als besonders kostenaufwändiger, aber für
die historische Charakteristik des Kammer-
landerhofes unabdingbarer Schlusspunkt der
Außenrestaurierung die Holzdeckung des
Daches mit geklobenen Lärchenschindeln
vorgenommen werden.
Vorgesehen ist noch die Grenzbepflan-
zung des Gartens und ein kleiner exem-
plarischer Bauerngarten an der Südseite
des Hauses mit traditionellen Gemüse-
pflanzen, Blumen und Kräutern.
In Angriff genommen wurde auch die
Inventarisierung der beweglichen Einrich-
tung. In Zusammenarbeit und nach den
Richtlinien des TKK werden Mobiliar,
Gerätschaften etc. aufgenommen, d. h. foto-
grafiert, beschrieben, vermessen, datiert, die
Provenienz bestimmt und schließlich jeweils
mit einer Inventarnummer versehen. Die
Arbeit wurde im Herbst 2005 begonnen und
wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen.
Nutzung und Neubelebung
Wie oben erwähnt, wird der Kammer-
landerhof in zweifacher Weise genutzt –
museal und durch kulturelle Veranstaltun-
gen, wobei hier sowohl von der Größe des
Hauses, als auch der Thematik Grenzen im
Sinne von „klein, aber fein“ gesetzt sind.
Als Museumsräume präsentiert werden
die Rauchküche mit der alten Einrichtung
und den Kochgerätschaften und der Korn-
kasten. Die kleine Schlafkammer wurde
mit Einrichtungsgegenständen bzw. Mobi-
liar hauptsächlich der Jahrhundertwende
um 1900 adaptiert und bietet dem Besucher
Einblick in die bäuerliche Wohnkultur
dieser Zeit. Im Unterdach ist eine ständige
volkskundliche Schau zum Thema bäuer-
liches Wirtschaften (vgl. oben) eingerichtet;
Machelkammer, Schusterstube, Leinener-
zeugung, Spinnen, Weben und ein Schau-
kasten mit Gegenständen zum Thema
Volksfrömmigkeit (mit Wallfahrtsbildchen,
Rosenkränzen usw.). Die Stube kann so-
wohl als Schauraum als auch als gemüt-
licher Mittelpunkt des Hauses z. B. für
Dichterlesungen genutzt werden. Die Labe,
der Gaden und die obere Kammer bieten
für Ausstellungen gute Bedingungen und
sind mit dem notwendigen Equipment
(Licht, Schautafeln etc.) ausgestattet. Der
Verein hat in der Sommersaison einen
wöchentlichen Museumstag eingeführt, an
dem das Stubenhaus für Besucher geöffnet
ist
10
. Reisegruppen haben überdies die
Möglichkeit, nach individueller Verein-
barung den Kammerlanderhof zu besich-
tigen, wovon immer öfter Gebrauch ge-
macht wird.
Als Zeugnis der Osttiroler Volkskultur,
mitten in Thurn, ist der Kammerlanderhof
in Kürze zu einer Stätte vielfältiger kultu-
reller Begegnung geworden. Die diversen
Veranstaltungen sind Anziehungspunkt für
die Thurner Bevölkerung, aber auch für ein
breiteres Publikum aus dem Umkreis und
nicht zuletzt für die Feriengäste. Seit 2004
wurden ca. zehn Veranstaltungen jährlich
durchgeführt und es hat sich bereits ein
Stammpublikum gebildet, das das beson-
dere Flair des Hauses schätzt. Fotoausstel-
lungen, volkskundlicher und künstlerischer
Natur, Konzerte (wobei sich der Stadl als
akustisch und atmosphärisch hervorragende
Spielstätte erwiesen hat), Dichterlesungen,
Ausstellungen Bildender Kunst (Graphik,
Aquarelle, Malerei) und ortsbezogene Ver-
anstaltungen sowie Belebung alten Brauch-
tums (z. B. Brot backen, Fastensuppe ko-
chen), zuletzt auch eine gelungene Theater-
aufführung der Thurner Heimatbühne mit
einem zwischen Mysterienspiel und Com-
mèdia dell’ arte angesiedelten Volksstück
haben sich besonders gut in das historische
Ambiente des alten Hofes eingefügt.
Bereits traditionell kann man den
alljährlichen vorweihnachtlichen Advent-
nachmittag bezeichnen, der mit Maroni-
braten und Glühwein im Hof sowie Lesun-
gen in der Stube bzw. volksmusikalischen
Darbietungen von den Thurnern als über-
aus stimmungsvoll geschätzt und zahlreich
besucht wird.
Durch diese rege Veranstaltungstätigkeit
einerseits und die raschen und effizienten
Restaurierungsmaßnahmen andererseits ist
es gelungen, das Bewusstsein für bäuerliche
Volkskultur in der Bevölkerung zu wecken
bzw. zu verstärken. Leider lehrt uns die Er-
fahrung, dass, anders als bei sakralen Denk-
mälern, die Menschen die profanen Zeug-
nisse der Volkskunst weit weniger schätzen,
weil sie ihnen vielfach als zu alltäglich, zu
„gewöhnlich“ erscheinen
11
. Man muss erst
auf die schon selten gewordene Originalität,
die historische Qualität, den identitätserhal-
tenden Wert in der zunehmenden Vereinheit-
lichung unserer Gesellschaft hinweisen, um
Interesse und schließlich Wertschätzung zu
ernten. Ausdruck dafür ist, dass der Verein
Einrichtungsgegenstände bzw. alte Gerät-
schaften (z. B. den oben erwähnten Web-
stuhl) als Leihgabe oder Geschenk zur
Verfügung gestellt bekommen hat. Durch
die Zeugnisse bäuerlicher Kultur kann der
Jugend anschaulich eine schon großteils ver-
gessene Lebensweise nähergebracht werden,
mancher Besucher hält angesichts der
historischen Würde des Stubenhauses inne
und hinterfragt Sinn und Wertigkeit unserer
schnelllebigen, mit Informationen über-
frachteten Zeit, manche, die zunächst aus-
schließlich des „Events“ wegen gekommen
sind, entdecken, überrascht und begeistert
von dem Haus an sich, ihre Wertschätzung
für volkskulturelles Erbe.
Im Trend der Zeit liegt die „Vermark-
tung“, es scheint oft nicht mehr wichtig,
was präsentiert, sondern wie es in Szene
gesetzt wird, nicht das Objekt selbst spricht
für sich, sondern der Weg dahin ist aus-
schlaggebend. Auf das Wesentliche, das
Wertvolle muss der Besucher vielfach erst
hingeführt, sein Interesse geweckt werden,
wobei die PR-Arbeit in diesem Zusammen-
hang eine bedeutende Rolle spielt
12
. Dieses
Zugeständnis an den Zeitgeist scheint nicht
nur zulässig, sondern vielmehr notwendig,
solange der Überbegriff „Kultur“ gewahrt
bleibt, das Volkskulturelle erweitert, aber
nicht verfälscht wird. Ziel ist es, durch eine
neue, sensibilisierte Bewusstseinsbildung
ein Klima zu schaffen, das, besonders im
profanen Bereich, die Bewahrung vor die
OSTTIROLER
NUMMER 6/2006
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HEIMATBLÄTTER
„Gaden“ mit Ausstellung (2004).
Kornkasten des Kammerlanderhofs.
Rauchküche vor der Restaurierung.