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OSTTIROLER
NUMMER 6/2006
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HEIMATBLÄTTER
hohen kulturellen Stellenwertes im Jahr
2001 unter Schutz gestellt
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.
Das Objekt war seit 1998 nicht mehr be-
wohnt und ist in den Besitz der Gemeinde
Thurn übergegangen
4
. Glücklicherweise
durch ein erneuertes, dichtes Dach ge-
sichert, bot das Stubenhaus dennoch ein
desolates, mehr als renovierungsbedürf-
tiges Erscheinungsbild.
Um die Restaurierung in Gang zu brin-
gen, wurde Ende 2001 der Verein „s‘ Kam-
merland – Kulturinitiative Thurn“ gegrün-
det, dem die Gemeinde das Objekt zunächst
auf zehn Jahre vermietet
5
. Der Verein ist auf
Gemeinnützigkeit begründet und hat die
Restaurierung, Erhaltung und Wiederbe-
lebung des Kammerlanderhofes durch kul-
turelle Veranstaltungen in seinen Statuten
verankert. Durch seine vielfältigen und
intensiven Aktivitäten ist es dem Verein be-
reits im ersten Jahr seines Bestandes gelun-
gen, mit Hilfe von Mitteln der öffentlichen
Hand (Gemeinde, Land Tirol, Bundesdenk-
malamt), privater Sponsoren, Mitgliedsbei-
trägen
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und zahlreicher freiwilliger Helfer
erste Sanierungsschritte zu setzen.
Zunächst wurden im Frühjahr/Sommer
2002 die Jauchegrube und die betonierte
Mistlege entfernt, die sanitäre Verrohrung
verlegt und die elektrische Anlage des Stu-
benhauses nach heutigen Sicherheitsnor-
men erneuert. Gleichzeitig wurde begon-
nen, die für die „Veranstaltungstauglich-
keit“ notwendigen Sanitäranlagen im
nebenliegenden Pferdestall einzurichten,
um die Bausubstanz des alten Stuben-
hauses nicht zu beinträchtigen. Außerdem
wurden Trockenlegungen an Nord- und
Ostseite des Stubenhauses durchgeführt,
der Abgang zum Hof abgestuft und mit
einer passenden Pflasterung gestaltet.
Schließlich erneuerte man die bereits un-
dichte Bretterdeckung des Backofens.
Die Restaurierung des Stubenhauses
erfolgte nach den Vorgaben des Bundes-
denkmalamtes (Landeskonservatorat für
Tirol) auf Grundlage eines detaillierten
Restaurierungsprotokolls von Dipl.-Ing.
Walter Hauser unter Aufsicht und fachkun-
diger Beratung von Ing. Roman Huter (†).
Im Frühjahr/Sommer 2003 konnte die
Restaurierung von insgesamt fünf Räumen
abgeschlossen werden (Fa. Oberhollenzer,
Maurerarbeiten, und Restaurator Werner
Mühlburger, Tischlerarbeiten). Stilgerecht
und mit Sorgfalt im Detail, ist es gelungen,
das historische Erscheinungsbild wiederher-
zustellen. In der Rauchküche wurde die alte
Rußschicht gesichert, wobei man die bereits
durch Abblätterungen entstandenen Fehlstel-
len retuschierte, die Wände wurden mit
Kalkmörtel geputzt. Der völlig unpassende
rezente Verputz in der Labe wurde abge-
nommen, nach Hinterfüllung der Fehlstellen
mit Kalkmörtl wurden die Wände mit
Sumpfkalk lasierend getüncht, sodass ihre
ursprüngliche lebendige Struktur wieder voll
zur Geltung kommt. Auch in der Stube wur-
den die abblätternden Putzschichten abge-
nommen und stilgerechter Kalkputz aufge-
tragen, der regionaltypische Stubenofen glatt
verputzt und die Wände hinter dem Stuben-
getäfel trockengelegt
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. Das Getäfel selbst
wurde stilgleich mit altem Holz im Bereich
der umlaufenden Stubenbank erweitert, um
bei Veranstaltungen den gewünschten Sitz-
komfort sicherzustellen. Ein im Zuge der
Arbeiten hinter der Täfelung gefundenes
originales offenes Wandschränkchen (wohl
noch aus der Bauzeit) wurde einbezogen,
auch das „Ofengschal“ die Stubenbank und
der Speiskasten wurden restauriert. Bei der
Sanierung der großen Kammer im Oberge-
schoss kamen unter zwei Putzschichten des
20. Jahrhunderts hübsche bäuerliche Orna-
mentmalereien mit Blumenmotiven in den
Ecken und im Zentrum des Deckenspiegels
zum Vorschein, die retuschiert bzw. rekon-
struiert werden konnten. Schließlich wurde
der „Gaden“ mit einem Bretterboden ver-
sehen. Es konnten auch ein Großteil der
Fenster, der Türen im Inneren und die
Stiegengeländer saniert werden.
Im Sommer/Frühherbst 2004 wurde nach
Trockenlegung der Westseite der Garten-
bereich geebnet (es soll dort im Sommer
2006 ein Bauerngarten entstehen). Im Haus
selbst wurde das Unterdach restauriert
(Fa. Steiner/Matrei). Der alte Bretterboden
wurde nach Wurmsanierung
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, soweit er
noch brauchbar war, wieder verlegt und ein
stabiler Boden mit altem Holz darübergezo-
gen, sodass neuer Raum für Ausstellungen
volkskundlichen Inhalts mit einzelnen
Themengruppen (Schuster, Tischler, Feld-
bau usw.)
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gewonnen werden konnte. In der
im südlichen Bereich des Unterdaches ge-
legenen „Gitschnkammer“ wurde die nied-
rige Bretterdecke abgetragen und die ur-
sprüngliche Dachschräge widerhergestellt;
die dadurch gewonnene Raumhöhe ermög-
lichte die Aufstellung eines voll funktions-
fähigen Webstuhls.Um den Dachboden für
Besucher ohne Gefahr begehbar zu machen
(es führte nur eine schmale, sehr steile
Blocktreppe ins Unterdach), wurden an der
nördlichen Außenseite des Hauses eine
Holztreppe (wieder)errichtet und die Holz-
türe in der Giebelwand restauriert.
Im Jahr 2005 wurde der erste große
Schritt zur Wiederherstellung der authenti-
schen Außenerscheinung des Kammerlan-
derhofes mit der Sanierung des unpassenden
rezenten Verputzes gesetzt. Dieser war mit
einer Betonschicht fixiert, sodass sich seine
Abnahme besonders mühsam gestaltete. Am
darunterliegenden schönen Steinmauerwerk
kamen an der Ostseite die Spuren der ur-
sprünglichen Fensteröffnungen in der Küche
zutage, die im Inneren an zwei entsprechen-
den Nischen noch erkennbar sind. Nach Ver-
füllung der Fehlstellen am Mauerwerk
wurde ein mehrschichtiger Kalkputz aufge-
Die Stube vor der Restaurierung (2001).
Grundrisse von Erdgeschoss (l.) und Obergeschoss (r.).
Zeichnung: Sima und Ursula Wackenreuther, Bundesdenkmalamt Wien
Die Rauchküche nach der Restaurierung mit der
rekonstruierten offenen Feuerstelle (2004).