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OSTTIROLER
NUMMER 7/2009
3
HEIMATBLÄTTER
Es begann am 23. Juni 2008. In unserer
Grünanlage in der Debant lag ein junger
Vogel im Gras. Er war noch ohne Gefieder,
und ich konnte ihn keiner mir bekannten
Vogelart zuordnen (Abb. 1). Die Bereit-
schaft, dem Tier zu helfen, stellte sich
schnell ein, weshalb ich es mit nach Hause
nahm. Weitere Recherchen im Internet erga-
ben, dass es sich um ein Mauersegler-Küken
handelte.
Die Segler werden von Laien meist
Schwalben genannt, eine Folge sehr ähn-
licher Lebensweise als Luftjäger. Stammes-
geschichtlich gehören sie in ganz getrennte
Vogelordnungen. Einige Unterschiede seien
genannt: Während unsere Schwalben Lehm-
nester bauen und die Küken mit Daunen aus
dem Ei schlüpfen, bewohnen die Segler vor-
handene Höhlen und Nischen und ihre
Küken sind anfangs völlig nackt. Schwalben
brüten pro Jahr bis zu dreimal und legen je-
weils vier bis fünf Eier. Segler dagegen
legen einmal jährlich nur zwei, selten drei
Eier, haben also eine viel geringere Fort-
pflanzungsrate.
Da der Mauersegler in Fels- und Mauer-
spalten brütet, erhielt mein Pflegling einen
mit grobem Papier ausgeschlagenen Becher
als Schlafhöhle. Dieses Angebot an Dunkel-
heit nahm er auch tagsüber gerne an und ras-
tete und schlief dort, wobei der Kopf meist
vom Licht abgewandt war (Abb. 2). Das
Nest hielt er dadurch sauber, dass er seinen
Kot immer außerhalb des Bechers absetzte.
Das wichtigste Problem war jetzt das Fut-
ter. Wie ernährt man einen so kleinen und
jungen Vogel? Probehalber bot ich ihm das
Nassfutter unserer Katze an. Dabei half mir
der Zahnstocher. Weitere Web-Seiten infor-
Abbildung 1: Im Alter von etwa 18 Tagen
stecken die Schwungfedern und ihre Gro-
ßen, Mittleren und Kleinen Deckfedern
noch fast ganz in den Blutkielen. Nur so-
lange eine Feder wächst, wird sie mit Blut
versorgt. Der schwarze Schnabel reicht mit
seinen hautfarbenen und wulstigen Schna-
belwinkeln bis unter das Auge.
Mauersegler
zogen fort
Mauersegler kehrn nach langer Reise
eines schönen Maientags zurück in
ihre Stadt,
um nach Mauersegler-Art und -Weise
dort zu brüten, wo sie schöne alte
Bauten hat.
Doch an Plätzen, wo im letzten Jahr
noch Stein- und
Fachwerkhäuser standen,
ragen Klötze aus Beton und Glas
empor.
Mauersegler müssen weiterwandern,
zu der nächsten Stadt, und finden dort
noch schöne Häuser vor.
Mauersegler kehrn im nächsten Jahr
nach langer Reise
in die neue Heimatstadt zurück,
doch auch hier in gleicher Art und
Weise
wichen alte Häuser dem Betonbau
Stück für Stück.
Und an Plätzen, wo im letzten Jahr
noch Leben war,
sind die Städte tote Riesen.
Wahnsinn fraß sie auf mit Haut und
Haar,
zwischen kahlen Mauern darben öde
Wiesen.
Mauersegler zogen fort und kamen nie
zurück,
und mit ihnen zogen Menschenfreude,
Menschenglück.
Aus: H. Zucchi: Fortschritt schreitet fort –
vom Menschen
Morsak Verlag Grafenau, 1984
Abbildung 2: Ein Becher wurde zur Schlaf-
höhle umfunktioniert. Der 18 bis 20 Tage
alte Jungvogel hält den Kopf ins Dunkle. In
seinem Schlafraum setzt er keinen Kot ab.
Abbildung 3: Dieser Jungvogel hat sich
ein wenig an die Fütterung mit der Pin-
zette gewöhnt. Er ist im ausflugbereiten
Alter.
Abbildung 4: Hier sind nur drei der vier
Zehen zu sehen: Sie sind stark gebogen
und nadelspitz, zum Anklammern an Fels-
und Hauswände wie geschaffen.
Franz Unterwainig
Mauersegler (Apus apus)
Seine Jungvögel in menschlicher Obhut
Abbildung 7: Mauersegler Apus apus: Gewichtsentwicklung dreier Jungvögel bis zum Tag
des Ausfliegens. Außer bei den Seglern zeigen auch bei Schwalben und Hochseevögeln
die Nestlinge wenige Tage vor dem Ausfliegen ein Gewichtsmaximum.