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OSTTIROLER
NUMMER 7/2009
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HEIMATBLÄTTER
er in Osttirol noch brütet. An einem Fisch-
teich im Auwald südlich der Drau bei der
Lengberger Brücke wurde im Mai/Juni
2001 eine Familie von vier Individuen be-
obachtet. Ein Vogel betreute die anderen,
fütterte sie sogar (Beobachter Karl Linds-
berger, Lengberg; Informant Dr. Alois
Kofler, Lienz). Es kann sich nur um flügge
Jungvögel gehandelt haben, die ein Eltern-
teil (gewöhnlich der Vater) noch begleitete.
Doch spätestens nach einer Woche muss-
ten die Jungen selbstständig fischen, da sie
im Revier der Altvögel nicht geduldet wer-
den. Gerade zur Nahrungssuche müssen
sie an unbesetzte Gewässer ausweichen.
Die jahreszeitliche Verteilung aller Be-
obachtungen zeigt, dass im Mai und Juni
kaum Eisvögel entdeckt werden (Tabelle):
Monatliche Verteilung der beobachteten
Individuen von 1996 bis 2008 (n = 71)
Jänner: 3, Feber: 2, März: 4, April: 3,
Mai: 1, Juni: 0, Juli: 3, August: 15, Sep-
tember: 16, Oktober: 21, November: 3,
Dezember: 0.
Ihre Bruthöhlen liegen zu versteckt und
die Altvögel rufen nicht. Ab August aber
beginnt die
Strich- und Zugzeit
, die bis
Ende Oktober dauert. Die meisten wan-
dernden Tiere sind die Jungvögel und die
Weibchen.
Überwintern
(Nov.-Feb.) sollen
nur die Männchen, die ganzjährig in ihrem
Heimatgebiet bleiben. Der
Frühlingszug
(März) verläuft völlig unauffällig.
Zusammengefasst lässt sich für den Eis-
vogel in Osttirol sagen, dass er Stand-,
Strich- und Zugvogel ist. Die
Standvögel
sind alte Männchen, die im Brutgebiet ver-
bleiben. Da sie das ganze Jahr über da
sind, werden sie auch Jahresvögel genannt.
Die Strich- und Zugvögel sind die alten
Weibchen und die Jungvögel, die unter-
schiedlich weit wandernd ihr Heimatgebiet
verlassen. Vogelarten, die teilweise ziehen,
teilweise am Brut- und Geburtsort verblei-
ben, werden
Teilzieher
genannt.
Gefährdung
In Tirol ist der Eisvogel vomVerschwin-
den bedroht (L
ANDMANN
& L
ENTNER
2001). Gerade durch einen langen Kälte-
winter (2008/09) ist die Anzahl rückläufig.
Da Steilwände fehlen oder durch Verbau
an Lauen und Bächen verschwinden, ist
das Brutplatzangebot sehr gering. Die Be-
seitigung der großen Wasserflächen im
Talboden unterhalb Lienz, wo er Stand-
vogel war (M
AYR
1869), machte ein weite-
res Brüten unmöglich.
Die Lauen wurden nicht nur reguliert, in
ihrem Verlauf festgelegt (Böschungsver-
bau) und teilweise verrohrt, sondern auch
durch ein Wegenetz eingezwengt. An man-
chen Stellen verlaufen Wege (Asphalt,
Steinplatten) auf beiden Seiten einer Laue.
Der frühere Busch- und Baumbestand, der
Deckung und Windschutz bot, fehlt oft.
Unregelmäßige Wasserführung und zuneh-
mender Erholungsdruck durch den Men-
schen sind als Gefährdungen zu nennen.
Schutz
Die wenigen noch vorhandenen naturge-
mäßen Steilufer müssen erhalten werden,
um dort ein Brüten zu ermöglichen. Auch
an busch- und baumbestandenen Lauen
sind Steilufer und ihre Vegetation zu si-
chern. Bekanntlich werden günstige Nist-
röhren jahrelang genutzt. Auch dies ein
Grund, künstliche aus Menschenhand an-
zulegen (P
ETUTSCHNIG
& S
TREITMAIER
2001), selbst wenn mancher Versuch fehl-
schlug (L
ANDMANN
& L
ENTNER
2001).
Auch ein reiches Angebot an Kleinfischen
muss erhalten oder geschaffen werden.
Alle Renaturierungsmaßnahmen an
Fließgewässern fördern eine Vielzahl von
wassergebundenen Tierarten: Kleinkrebse,
unter den Insekten z. B. Libellen, Köcher-
und Steinfliegen, dazu Frosch- und
Schwanzlurche. Und nicht zuletzt den
Menschen. Er übt gleichzeitig zunehmen-
den Erholungs- und Freizeitdruck aus
(L
ANDMANN
& L
ENTNER
2001). Wenn die
Ansprüche des Eisvogels an seinem Biotop
erfüllt sind, dann brütet er sogar mitten in
Städten und an belebten Parkteichen
(G
LUTZ VON
B
LOTZHEIM
& B
AUER
1980).
Zu denken ist neben dem Tassenbacher
Speicher (mit 1.070 m große Seehöhe)
etwa an den Iselteich in Ainet (700 m NN).
An den Lauen im Talboden der Drau
unterhalb Lienz sollten ein bis zwei künst-
liche Niströhren errichtet werden (Öffent-
lichkeitsarbeit z. B. für Tourismus; nahe
Golf- und Campingplätze).
Ältere Angaben (vor 1996)
In seinem „Verzeichniss der bis jetzt
in Tyrol beobachteten Vögel“ nennt
A
LTHAMMER
(1857) ihn „Standvogel, aber
selten“. Und nur für den Bezirk Lienz sagt
M
AYR
(1869): „als Standvogel sehr spar-
sam vertreten in den wasserreichen Auen
bei Lengberg und Kapaun“. Er war also
Brutvogel, der meist im Herbst und Winter
an Flüssen und Bächen, also an Drau, Isel
und den Lauen beobachtet wurde (D
ALLA
T
ORRE
1890). Das gilt auch heute noch
(siehe Tabelle).
Brutvorkommen waren auch in den
Wasserflächen des Nikolsdorfer/Lavanter
Talbodens möglich.
In den 1950er-Jahren wurden
Brutnach-
weise
nie erbracht (K
ÜHTREIBER
1952). Es
liegen aber erste Hinweise vor (H
EINRI
-
CHER
1977, 1995, 2003):
1974: Juli 29 Fund eines Jungvogels in der
Lavanter Au (Horwath, Waschgler).
1983: seit diesem Jahr „als Brutvogel
nachgewiesen (Lavant)“.
1994: ohne Datum: „Brut wahrscheinlich.“
Allen drei Mitteilungen fehlen für den
Brutnachweis
einer so seltenen Art viele
erforderliche Informationen: Woran wurde
der Jungvogel erkannt? War ein Vogelken-
ner bei den Findern? Wurde eine beflogene
Nisthöhle gefunden oder eine Familie be-
obachtet? Was führte zu dem Brutverdacht
und dem Brutnachweis?
Literatur
A
LTHAMMER
, L. (1857): Verzeichniss der bis jetzt in
Tyrol beobachteten Vögel. Naumannia 7: 392 – 404.
D
ALLA
T
ORRE
, K. W.
VON
(1890): Ornithologisches aus
Tirol. 7. Die Vogelfauna des Tirolischen Draugebietes. Mitt.
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D
ALLA
T
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, K. W. & F. A
NZINGER
(1896/7): Die Vögel
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G
LUTZ VON
B
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, U. N. & K. M. B
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L
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Tirols. Bestand, Gefährdung, Schutz und Rote Liste. Ber.
Nat.-med. Verein Innsbruck, Suppl. 14: 1-182.
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, J. (1869): Vogelarten, welche im Bezirke Lienz
als beständige und regelmäßige Bewohner, oder als zeit-
weilige und durchziehende Gäste, auftreten. Volks- und
Schützenzeitung 24: 252, 258, 261-262, 266.
M
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ACHLER
(2001): Die Brutvögel Ost-
tirols. Ein kommentierter Verbreitungsatlas. Lienz, S. 1 – 277.
P
ETUTSCHNIG
, W. & D. S
TREITMAIER
(2001): Eisvogel –
Brutbestand 2001. Kärntner Naturschutzberichte 6: 117 –
118.
IMPRESSUM DER OHBL:
Redaktion: Univ.-Doz. Dr. Meinrad Pizzinini.
Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren
verantwortlich.
Anschrift der Autoren dieser Nummer:
Annemarie Bachler und Univ.-Doz. Dr. Dieter
Moritz, A-9900 Lienz, Kärntner Straße 7 –
Franz Unterwainig, A-9990 Nußdorf-Debant,
Pestalozzistraße 17.
Manuskripte für die „Osttiroler Heimatblät-
ter“ sind einzusenden an die Redaktion des
„Osttiroler Bote“ oder an Dr. Meinrad Pizzinini,
A-6176 Völs, Albertistraße 2 a.
Abbildung 2: Der Eisvogel in seinem Lebensraum.
Foto: Christian Ragger