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OSTTIROLER
NUMMER 10-11/2009
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HEIMATBLÄTTER
nahm er eine Fahrt zur Besichtigung der
Chrysanthner Schanzen am Kärntner Tor
und zu der zwar auf kärntnerischem
Boden liegenden, aber für den Zugang nach
Tirol wichtigen Festung Sachsenburg im
Drautal und versuchte in einem Aufruf,
auch die Kärntner für eine Erhebung zu be-
geistern. Unter anderem heißt es darin:
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„Wohlan dan(n), Brüder und Nachbarn!
Stehet auf, ergreiffet die Waffen wider den
allgemeinen Feind Himmels und der
Erde. Zaudert nicht mehr, denn jeder Au-
genblik ist kostbar und entscheidend. Kei-
ner, dem eigenes und aller unßerer Nach-
kömlinge Wohl am Herzen liegt, bleibe
weg. Das einzige und lezte Looß von uns
allen seye: Für Gott und den Kaiser Franz
– Siegen oder Sterben. – Andere Hofer
obercomedant Vo(n) Passeyr“.
Die Tage, die Hofer in Lienz verbrachte,
waren ausgefüllt mit Beratungen, Regeln
von Organisationsfragen, dem Verfassen
von Aufrufen usw. In einem Haus in der
Schweizergasse soll er eine Kugelgießerei
haben einrichten lassen. Es ist eine Epi-
sode überliefert
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, dass die Kindsmagd des
Gerbers Höllensteiner die Gelegenheit be-
nützte, den berühmten Mann aus der Nähe
zu sehen und ihm, mit einem Kleinkind
am Arm, ins Haus folgte. Als das Kind zu
schreien anfing, soll sich der Sandwirt zu-
nächst zum Kind gewandt und dann zur
Magd gesagt haben: „O diese Vögel hört
man überall singen!“
Die Kämpfe an der Lienzer Klause
am 8. August 1809 und Georg Hauger
Oberkommandant Andreas Hofer verließ
am 31. Juli, spätestens am 1. August die
Stadt Lienz in Richtung Pustertal, noch
nicht ahnend, dass sich gegnerische Trup-
pen schon wieder auf dem Boden Tirols
befanden. Der Plan Napoleons war, durch
alle wichtigen Zugänge in Tirol einzufallen
und alle Widerstände zu brechen. Alle
militärischen Einheiten sollten sich dann in
der Hauptstadt des Landes vereinigen. –
General Jean Baptiste Rusca rückte mit
über 2.000 Mann und Geschützen von
Kärnten herauf gegen die Tiroler Grenze
und Lienz vor. Die Stadt, in der Ebene
liegend, war kaum zu verteidigen; daher
schickten die Lienzer eine Abordnung zum
General, um die Unterwerfung anzubieten.
Für den Fall des Widerstands drohte Rusca
mit Brandschatzung, Tod und Verderben.
Als es am nächsten Tag, 3. August, den-
noch Schießereien vor der Stadt gab,
schien es zur Katastrophe zu kommen, die
abzuwehren einzig dem im Amt behalte-
nen früheren bayerischen Landrichter
Moritz Bram zu verdanken war. Erbost
zog der General in Lienz ein.
Wenig später entstand insofern eine kri-
tische Situation, als der österreichische Ge-
neral Buol entsprechend der Verpflichtung
im Waffenstillstand von Znaim Tirol ver-
lassen musste und über das Pustertal in
Richtung Osten zog. Bei Lienz begegneten
sich die Heeresverbände, ohne dass es aber
zu Kampfhandlungen kam. Buol übergab
den Franzosen die mitgeführten Gefange-
nen sowie erbeutete Waffen und Geschütze
und zog am 6. August nach Kärnten weiter.
Am 8. August schickten sich die Franzo-
sen an, durch das Pustertal vorzurücken, in
der Brixner Gegend auf weitere aus dem
Süden kommende Truppen zu stoßen und
gemeinsam mit ihnen über
den Brenner nach Inns-
bruck zu marschieren. Das
Festungswerk der Lienzer
Klause am schluchtartigen
Eingang ins Pustertal
wurde von den Franzosen
zunächst wohl unter-
schätzt. Hier aber hatten
sich die Tiroler Landesver-
teidiger unter dem Puster-
taler
Kommandanten
Anton Steger verschanzt.
Ein Ausfall der Tiroler
hatte nicht den entspre-
chenden Erfolg erbracht;
die Situation schien äußerst
gefährlich, geradezu ver-
zweifelt. Nun trat der junge
17-jährige Georg Hauger
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,
Student aus Freiburg im
Breisgau, auf den Plan
und rettete die Situation.
Es drängt sich die Frage
auf, wie es dazu kam, dass
sich ein Student aus Frei-
burg in das Kampfgetüm-
mel der Tiroler Erhebung
stürzte. Freiburg war von 1368 bis 1805
unter der Herrschaft der Habsburger gestan-
den und war mit den übrigen sogenannten
Österreichischen Vorlanden die meiste
Zeit sogar von Innsbruck aus verwaltet
worden. Bevor Tirol um 1670 eine eigene
Universität erhielt, galt Freiburg sozusagen
als Tiroler Landesuniversität. Doch auch
nachher gab es einen regen Austausch unter
Professoren und Studenten.
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Es ist also
nicht verwunderlich, wenn sich Freiburger
Studenten am Freiheitskampf gegen Napo-
leon und den Rheinbund, dem auch Bayern
angehörte, beteiligten. Georg Hauger war
Student der Philosophie, und gehörte jener
Gruppe von acht Akademikern an, die nach
Ausbruch eines neuerlichen Kriegs zwi-
schen Österreich und Frankreich dem Ruf
Erzherzog Karls folgten und die die Expe-
dition nach Konstanz am 29. Juni 1809 mit-
gemacht haben. In einem vom Komman-
danten ausgestellten Zeugnis heißt es, dass
sich Hauger durch seinen Mut vorzüglich
ausgezeichnet habe.
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Er scheint überhaupt
der agilste und mutigste dieser Studenten-
gruppe gewesen zu sein. – Ein gewisser
Oberst Baron Luxheim, der im Pustertal
Andreas Hofers Aufruf an die benachbar-
ten Kärntner, ausgestellt in Lienz, 28. Juli
1809. (TLMF, FB 1650/162)
Die Lienzer Klause auf der nordseitigen Anhöhe am Eingang ins Pustertal und die Befestigung an der Talstraße, aquarellierte Feder-
zeichnung von Caspar von Pfaundler, 1799 (TLMF, W 11.162) bzw. Aquarell von J. A. Cornet, 1835. (TLMF, W 9296)