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OSTTIROLER
NUMMER 10-11/2009
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HEIMATBLÄTTER
umher alle klein und die Bäume sparsam
und halb verkrüppelt sind, und noch mehr
der Contrast mit dem Eintönigen des
Waldweges bis Mittenwald erhöht die
Schönheit der Umgebungen von Lienz, zu
welchen einige Partieen in der Schlucht,
durch die man von Mittenwald weg über
und zwischen Felsenwänden harmonisch
mit der Drau hinabrollt, einen wahrhaft in-
teressanten Eingang gewähren.
Das Klima um Lienz schien uns, der Nach-
barschaft der Glätscher und Eisgebürge un-
geachtet, viel milder, als jenes um Brixen.
Wir fanden hier die Bäume ausgeschlagen,
da wir gestern noch bey Brixen und Brunecken
kaum die Knospen geöffnet oder bis zur Oeff-
nung angeschwollen sahen.“
Bei der Mautstelle in Kapaun sollten die
Reisenden wider Willen einen namhaften
Betrag von 7 Gulden bezahlen. Dem Maut-
ner erzählten sie jedoch, dass sie im Auf-
trag Österreichs unterwegs seien und Inten-
dant Baron Hormayr die gesamte Reise be-
zahle, was der Mann glaubte und also nur
eine Meldung erstatten wollte. – Der
Schreiber freute sich über den gelungenen
Streich. Wenig später hatte man Kärntner
Boden erreicht und war froh, das „Rebel-
len-Land“ hinter sich gelassen zu haben.
Die zweite Befreiung Tirols
im Mai 1809
Mit der ersten Befreiung Tirols im April
waren die kriegerischen Zeiten aber noch
lange nicht vorbei! Napoleon konnte kein
habsburgisches Tirol dulden. Im Norden
grenzte es an das mit Frankreich verbündete
Königreich Bayern, im Süden an das von
Napoleon geschaffene Königreich Italien.
Von einem neuerlich österreichischen Tirol
aus hätte er Angriffe nach Norden und/oder
Süden befürchten müssen. Es war zu erwar-
ten, dass er Truppen zur neuerlichen Beset-
zung des Landes schicken würde. Unter der
Führung des französischen Marschalls
Pierre Francois Joseph Lefébvre drangen
die bayerischen Divisionen Deroy und
Wrede geradezu überfallsartig am 11./12.
Mai am Pass Strub und bei Kufstein ins
Nordtiroler Unterland ein. Das österreichi-
sche Militär unter Feldmarschallleutnant
von Chasteler stellte sich bei Söll und v. a.
in der Ebene von Wörgl – und verlor die
Kämpfe. Der Zug der Bayern durch das Un-
terinntal bis Innsbruck hinterließ grauen-
hafte Spuren der Gewalt. Für Lefébvre war
der Auftrag erfüllt, mit der Besetzung der
Hauptstadt schien ihm der Widerstand end-
gültig gebrochen und Tirol befriedet. Zu-
sammen mit der Division Wrede zog er sich
wieder zurück; die Truppen wurden ohnehin
an anderen Orten gebraucht. Der Marschall
kannte jedoch nicht die Eigenheiten eines
Volkskriegs. Das Tiroler Wehrwesen war
von je her auf ein verzweigtes System auf-
gebaut, in dem – gänzlich unabhängig von-
einander und ohne zentralen Befehl – in ein-
zelnen Tälern oder Regionen der Wehrwille
auflodern konnte. Daher war mit der Be-
setzung von Innsbruck der Widerstand der
Tiroler noch lange nicht gebrochen! Ein-
flussreiche Bauernführer aus dem nörd-
lichen Tirol suchten Kontakt zu Andreas
Hofer, der sich bei den April-Kämpfen im
Süden so sehr bewährt hatte, während FML
von Chasteler mit dem größten Teil seines
Korps abzog, worüber die Tiroler Landes-
verteidiger sehr enttäuscht waren. Es gelang
ihnen immerhin, General Buol mit rund
1.100 Infanteristen, einer Eskadron von 80
Reitern und 5 Geschützen zurückzuhalten.
Andreas Hofer, der in diesen Tagen zum
Oberkommandanten der Tiroler Landesver-
teidigung aufstieg, kam mit zahlreichen
Aufgeboten aus dem Süden dem nördlichen
Landesteil zu Hilfe. AmAbend des 24. Mai
begann der Abmarsch vom Brenner in Rich-
tung Innsbruck. Am Nachmittag des 25.
Mai brach der großangesagte Kampf am
Bergisel aus. Als militärische Führungstrias
profilierten sich bei diesen Kämpfen der
Sandwirt, Schützenmajor Josef Speckba-
cher und der Kapuziner Joachim Haspinger,
der als Feldpater bereits seit Anfang Mai
mitgemacht hatte. Die Gefechte endeten in
den Regengüssen der einbrechenden Nacht,
wiederholten sich aber einige Tage später,
am 29. Mai. Die Tiroler waren sich eines
Erfolgs nicht sicher, blieben jedoch durch
den unspektakulären Abzug der bayerischen
Truppen als Sieger übrig! Das Land war
also zum zweiten Mal befreit worden.
Am 29. Mai, am Tag der zweiten Berg-
isel-Schlacht, verließ der zunächst als
„Haudegen“ und „Kriegsheld“ gefeierte
Feldmarschallleutnant Marquis von Chaste-
ler durch das Kärntner Tor das Land, das er
hier am 9. April betreten hatte. Damals
hatte er den Tirolern seine militärische
Unterstützung zugesagt und die Versiche-
rung abgegeben: „Wir wollen mit Euch
leben, siegen oder sterben.“ Im Rahmen
der zweiten Befreiung des Landes Tirol ist
das Pustertal verhältnismäßig wenig in
Mitleidenschaft gezogen worden.
Der Oberkommandant Andreas
Hofer in Lienz
Für Österreich und Tirol schaute es zu-
nächst günstig aus. Napoleon hatte am
21./22. Mai die Schlacht von Aspern und
Eßling gegen die österreichischen Truppen
unter dem Generalissimus Erzherzog Karl
verloren. Die Schlacht von Wagram vom
5./6. Juli aber endete für Österreich mit
einer Niederlage, die auf Tirol Rückwir-
kungen zeitigen musste, was auch der
Waffenstillstand von Znaim vom 12. Juli
1809 deutlich ausdrückte.
Die Entscheidung der Tiroler, notfalls die
Kämpfe weiterzuführen, dürfte wohl auf
den Oberkommandanten zurückgegangen
sein. Ihr scheint die politische Überlegung
zugrunde gelegen zu sein, dass es allemal
besser sei, es mit einem mächtigen Feind
neuerlich aufzunehmen, wie ihm resignie-
rend das Land zu überlassen. Ein Waffen-
stillstand bedeute ja noch keine endgültige
Entscheidung, der Friedensvertrag müsse
erst ausgehandelt werden. Würden sich die
Tiroler ergeben, könnte das Land vom Geg-
ner rasch besetzt werden, wäre es jedoch
möglich, das Land vom fremden Militär
freizuhalten, dann müsste dieser Umstand
bei den Verhandlungen unbedingt berück-
sichtigt werden und Tirol wäre gerettet.
Der Sandwirt hielt sich vorerst haupt-
sächlich im Süden des Landes auf. Mit rund
600 Landesverteidigern unternahm er am
7. Juli 1809 zum berühmten Gnadenort San
Romedio am Nonsberg eine Wallfahrt. Spä-
ter wandte er sich ins Pustertal und traf am
19. Juli in Lienz ein, wo er im „Schwarzen
Adler“ wohnte. Nach einer Lagebespre-
chung mit dem im östlichen Pustertal sich
aufhaltenden österreichischen General-
major von Schmidt und dem Oberkomman-
danten im Pustertal, Anton Steger, unter-
Lienz gegen Osten, Aquarell, um 1800 (Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck).
Foto: Silvia Ebner
Andreas Hofer als Oberkommandant der
Landesverteidigung im Südlichen Tirol,
Radierung, zeitgenössisch koloriert.
(TLMF, Historische Sammlungen)