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OSTTIROLER
NUMMER 10-11/2009
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HEIMATBLÄTTER
major Martin Teimer, gebürtig aus Schlanders
im Vinschgau, eine wichtige Rolle spielte.
Deportierung hoher
Persönlichkeiten
In dem nun befreiten Land wurde Inten-
dant Joseph Freiherr von Hormayr aktiv.
Alle höheren bayerischen Beamten wurden
sofort des Dienstes enthoben und zum größten
Teil nach Klagenfurt deportiert. Die Herren
Spechtenhauser, Rektor der Innsbrucker
Universität, Bertoldy, Professor und Leiter
der Bibliothek, sowie Schultes, ebenfalls
Professor, konnten immerhin mit der Post-
kutsche, wenn auch unter Bewachung, ab-
reisen, allerdings innerhalb eines sehr
kurzfristig gesetzten Zeitraums. Die unge-
wollte Fahrt begann in der Nacht vom 22.
auf 23. April 1809 und führte über den
Brenner, das Pustertal und weiter vorerst
nach Klagenfurt. Schultes verfasste über die
Reise und die Erlebnisse der „Abgeschobe-
nen“ einen für Tirol nicht sehr schmeichel-
haften Bericht und veröffentlichte ihn im
folgenden Jahr in München unter dem um-
ständlichen Titel: „Geschichte der Deporti-
rung der königlich baierischen Civilbeam-
ten nach Ungarn und Böhmen; nebst Be-
merkungen über die gleichzeitigen
Kriegsereignisse, und über die durchwan-
derten Länder“.
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Ausschnittweise werden
Textstellen zitiert, die sich auf die Fahrt
durch das östliche Pustertal beziehen.
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Für die Jahreszeit, Ende April, war es
äußerst kalt, und zwei Tage vor der Abreise
hatte es im Inntal noch stark geschneit. Im
Wipptal mit dem Brennerpass war es sehr
schwer weiterzukommen. Im Pustertal
waren die Straßenverhältnisse zunächst
besser, doch von Niederdorf über das
Toblacher Feld bis Sillian war der Postwagen
wiederum bis zur Achse in den Schnee ein-
getaucht. Immer wieder mussten sich die
Bayern böse Bemerkungen anhören, was
sie sehr ärgerte, wie z. B. auch in Sillian:
„Bey unserer Ankunft in Sillian peinigte
uns der Postmeister mit Erzählungen unge-
heuerer Siege des Erzherzogs Johann, die
wir anhören, und was noch ärger war, die
wir zu glauben scheinen mussten. Diese
Marter war indessen geringer als jene,
welche Nachts vorher die Vorgänger auf
unserem Leidenswege, die früher Depor-
tirten, hier zu dulden hatten.
Auf der folgenden Post zu Mittenwald
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stiegen wir, um nicht neue Siege hören zu
müssen, gar nicht aus der Kutsche, und eil-
ten nach Lienz, um so bald wie möglich
über die Gränze des Rebellen-Landes, und
unter Menschen zu kommen, bey welchen
man doch wenigstens seines Lebens und
seiner Habe sicher ist.“
Endlich gelangte man nach Lienz, das in
der Beschreibung der „Deportirten“ nicht
ganz schlecht abschneidet:
„Glücklich erreichten wir das Grenz-
städtchen Lienz, wo wir einige Linientrup-
pen trafen, und vor jeder weiteren Miß-
handlung sicher waren. Hier schickten wir
den bewaffneten Bürger, der uns auf un-
sere Kosten bis Klagenfurt hätte begleiten
sollen, zu seinen Spießgesellen nach Inns-
bruck zurück, und machten ihm begreiflich,
daß wir in Kärnthen, so wie in jedem
Lande, wo keine Banditen sind, durchaus
keine Sicherheitswache nöthig hätten. Die-
ser Philister, der uns begleitete, hatte vor 8
Tagen zu Innsbruck einige Pferde, Waffen,
und Geld von den Dragonern unseres Kö-
niges, die er mitmorden half, erbeutet, und
war jetzt unsere Sicherheitswache! Er
hatte die Unverschämtheit uns einige
Mahle zu zeigen, daß seine Flinte scharf
geladen sey; und wir bemerkten dagegen
nur, daß unsere Reisemesser sehr scharf
geschliffen sind, so daß man allenfalls eine
Feder damit schneiden könnte.
Ob Lienz das alte Leoncium ist; ob es
durch die neue Veränderung der Dinge;
durch die Wiedergeburt Tirols, wie sie der
Ortsbader nannte, der mit uns zu Tische
saß, so viel gewonnen hat, als der Stadt-
schreiber, der gleichfalls mit uns speiste,
behauptete, das wollen wir nicht entschei-
den. Es scheint allerdings einst ein ganz
nahrhafter
[!]
Ort gewesen zu seyn; in dem
Augenblicke aber, in welchem wir es sahen,
fanden wir weiter nichts an demselben, als
einen von einem armseligen Feinde erbeu-
teten offenen Ort, der als Sammelplatz für
die Traineurs und das Lumpengesindel der
Armee zu dienen bestimmt, und daher mit
einem pensionirten Officier als Stadtcom-
mandanten versehen war.
Die Gegend um Lienz ist sehr schön:
mahlerische Gruppen von Waldhügeln,
hohen Bergrücken, Felsenwänden und
ewig beschneyten Alpengipfeln bilden die
Thalbucht, in der es gelegen ist, und die
von hundert Schlangenwindungen der rau-
schenden Drau belebt wird. Schon der
Contrast dieser Lage mit dem Frostigen
und Baren des Toblacher Feldes, auf wel-
chem seiner hohen Lage wegen die Berge
Joseph Freiherr von Hormayr, 1809 in
Tirol als kaiserlicher Intendant zur Wieder-
einrichtung der österreichischen Verwal-
tung eingesetzt, zeitgenössische Radierung.
(TLMF, Historische Sammlungen)
Titelseite des ersten Bandes mit dem
Bericht über die Deportierung bayerisch-
gesinnter, hoher Persönlichkeiten von
Innsbruck nach Klagenfurt im April 1809.
(TLMF, Dip. 143)
Österreichischer Maler, Kaiser Franz I.
von Österreich, Öl auf Leinwand, um 1810.
(TLMF, Gem 1987)
Feldmarschallleutnant Johann Gabriel
Marquis von Chasteler, Punktierstich von
J. Neidl, 1805/10. (TLMF, W 4909)