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NUMMER 10-11/2009
77. JAHRGANG
OSTTIROLER
HEIMATBLÄTTER
H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “
Das Tiroler Gedenkjahr 1809-
2009 mit dem Motto „Geschichte
trifft Zukunft“ gibt Anlass, einen
Rückblick auf den Entwicklungs-
gang des Jahres 1809 im südöst-
lichen Tirol zu werfen. Abgesehen
von einem „roten Faden“ durch das
Geschehen dieses bewegten Jahres
im Allgemeinen werden Ereignisse
in den Monaten April, August und
Dezember speziell herausgegriffen.
Das Pustertal als
Durchzugsstrecke
Das Pustertal fungierte durch
Jahrhunderte als einzige inneröster-
reichische Verbindung – das Hoch-
stift Salzburg besaß unter den
Fürsterzbischöfen eine eigene Lan-
deshoheit – zwischen Wien und
dem Zentrum Tirols und den habs-
burgischen Besitzungen in der
Schweiz und am Oberrhein. Die
Durchzüge des Hofes und beson-
ders des Militärs stellten für die Be-
völkerung immer eine große Be-
lastung dar. Natürlich bereisten
auch viele prominente Personen das
Tal und machten vielfach in der
Stadt Lienz Aufenthalt.
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In der ge-
samten, viele Jahre währenden
Napoleonischen Ära waren die
Truppendurchmärsche von „Freund
und Feind“ besonders zahlreich. Erinnert
sei an den geradezu fluchtartigen Abzug
des französischen Militärs unter General
Barthélemy Joubert nach der Niederlage
von Spinges am 2. April 1797.
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Von den
Lienzern verlangte er die Verpflegung für
seine Truppen und 100.000 Gulden. Da
diese nicht beigeschafft werden konnten,
wurden Bürgermeister Johann Oberhueber,
der Stadtrichter und noch weitere Lienzer
Bürger nach Kärnten verschleppt.
Nachdem sich Österreich unter Kaiser
Franz I. im Sommer 1808 zu einem neuer-
lichen Kriegszug gegen Frankreich bzw.
Napoleon entschlossen hatte, kam es im
Jänner 1809 in Wien im Beisein des Sand-
wirts Andreas Hofer zu einer Vorbe-
sprechung über eine Erhebung bzw. einen
Volkskrieg in Tirol.
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Es war in erster Linie
Hofers Verdienst, wenn das Land in rund
zweieinhalb Monaten zumAufstand gegen
die ungeliebte bayerische Herrschaft ge-
rüstet war, der Anfang April losbrach.
In Oberdrauburg sammelte sich das kai-
serliche Militär unter der Führung des
Feldmarschallleutnants (FML) Johann
Gabriel Marquis von Chasteler und in den
frühen Morgenstunden des 9. April betra-
ten die Truppen beim Kärntner Tor
den Boden des Eisackkreises im
Königreich Bayern. Lienz war also
die erste befreite Stadt! Nach der
Beschreibung des Oberleutnants
Franz Karl von Veyder
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brachen die
Soldaten beim Überschreiten der
Grenze in einen Jubelruf aus, und
der Einzug in Lienz erfolgte unter
großer Begeisterung der Bevölke-
rung, die die Soldaten als ihre „Brü-
der und Erretter“ umarmten. Böller-
knall und Glockengeläute begrüßten
den wenig später einreitenden
Korpskommandanten Chasteler.
Im Gefolge des Militärs erschien
der als kaiserlicher Intendant zur
Wiedereinrichtung der österreichi-
schen Verwaltung bestellte Joseph
Freiherr von Hormayr, ein gebürti-
ger Tiroler. Seinem neuen Amt ent-
sprechend, wollte er in Lienz gleich
aktiv werden und erkundigte sich
nach demVerhalten der bayerischen
Beamten. Vermutlich war er über-
rascht zu hören, dass man den recht-
schaffenen Landrichter Moritz
Bram
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im Amt belassen sollte, was
auch geschah.
Noch bevor das österreichische
Militär durch das Pustertal durchmar-
schiert war, hatten die Tiroler Schüt-
zen- und Landsturmaufgebote das
Land befreit. An der Ladritscher Brücke un-
weit der Brixner Klause und bald darauf bei
Sterzing war es unter der Führung von
Andreas Hofer zu den ersten Kämpfen ge-
kommen. Die ersten Erfolge waren am 10.
und 11. April zu verzeichnen, wobei imVer-
gleich zu den Einsätzen in den früheren
Kriegsjahren ein wesentlicher Unterschied
darin bestand, dass die Tiroler Landesvertei-
diger nicht ausschließlich das Militär unter-
stützten, sondern nun selbstständig handelten
und dies mit Erfolg. Ungefähr zur selben
Zeit konnten die Tiroler in und bei Innsbruck
erfolgreich tätig sein, wobei hier Schützen-
Meinrad Pizzinini
Die letzten Kämpfe von
„Anno Neun“ in Tirol
Rückblick auf bedeutende Ereignisse des Jahres 1809 in Osttirol
Denkmal für den Einsatz und die Opfer der Tiroler Lan-
desverteidigung in den Jahren 1809 und 1813. Das
Denkmal am Platz vor dem Lienzer Dominikanerinnen-
kloster wurde 1910 enthüllt.
Foto: M. Pizzinini