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SCHICKSAL
PUSTERTALER VOLLTREFFER
JÄNNER/FEBER 2012
8
Maria wuchs in Abfaltersbach
auf. Sie war das älteste von fünf
Geschwistern. Nach der Haupt-
schule Sillian besuchte sie das
Gymnasium „Damals hatte ich
Hofrat Magister Fritz Zollner in
Italienisch, und er gestaltete den
Unterricht so toll und lustig,
dass ich später auch Italienisch
unterrichten wollte“, lacht sie.
Schon als Volksschülerin be-
schloss sie, einmal Hauptschul-
lehrerin zu werden. Somit be-
suchte sie nach der Matura die
Pädagogische Akademie in Inns-
bruck (heute Pädagogische
Hochschule Tirol). Nach einem
Jahr an einer Nordtiroler Haupt-
schule wurde das Heimweh
nach Osttirol allerdings so uner-
träglich, dass sie an die Haupt-
schule nach Sillian wechselte.
Geliebtes Osttirol
Ihr Ehemann Jakob (56, ar-
beitet heute im Facility Ma-
nagement), aufgewachsen in
Strassen, begleitete sie zurück
in die Heimat. Doch es gelang
ihm nicht, beruflich in Osttirol
Fuß zu fassen. Er hatte Archi-
tektur studiert. Es blieb keine
andere Wahl, das Paar musste
wieder nach Nordtirol. „Schwe-
ren Herzens verließ ich mein
geliebtes Osttirol wieder“, er-
zählt Maria und unterrichtete an
einer Hauptschule in Wattens.
„Ich habe dort auch eine Volley-
ball-Schülerliga übernommen.
Trotz sehr, sehr großen Heim-
wehs war es eine schöne Zeit“,
erinnert sie sich. Dann wurde
sie mit Anina schwanger.
Am 1. November 1992 kam das
Baby zur Welt – zur großen
Freude aller. Doch Maria fühlte
sich psychisch gar nicht mehr
gut. Warum? „Eine genaue Di-
agnose gab es nicht.“ Allerdings
wurde viel Ruhe von der Ärztin
angeordnet. Das half.
Bekannte Gefühle
Dann brachte sie am 12. Mai
1995 Ines zur Welt. „Die Ärzte
passten auf mich auf, damit es
mir nicht wieder so schlecht er-
geht wie nach Aninas Geburt. Es
war dann auch alles bestens.“
Nach der Karenz arbeitete die
Abfaltersbacherin an der Haupt-
schule Rum, dann an jener in
Neustift, wo sie erstmals eine
volle Lehrverpflichtung hatte.
Eine Weile verging. Dann mach-
ten sich in Marias Innenleben
wieder sehr ungute Gefühle breit.
Extreme Stimmungsschwankun-
gen, die sie schon kannte – von
der Zeit nach Aninas Geburt her.
„Mein Zustand wurde immer
schlimmer.“ Ihr Gefühlsleben
„warf“ sie hinauf in den Himmel,
um sie kurze Zeit später in den
Keller zu „hinabzutreten“, und
sie dort schwerst niedergeschla-
gen und verzweifelt liegen zu
lassen. Und das in Phasen.
Der Arzt stellte bei Maria in
Folge fest, dass sie manisch-
depressiv geworden war. Eine
häufige Krankheit, die keine
Geisteskrankheit ist, sondern
eine, an der besonders kreative
und erfolgreiche Menschen lei-
den und diese nicht selten le-
bensbedrohlich sein kann. Und
Maria ist sehr kreativ mit ihrem
Intelligenzquotienten von 136.
Haus adé
Damals war gerade das heiß
ersehnte Haus in Oberperfuss,
das sie und ihr Ehemann Jakob
erbauten, zum Einzug fertig.
„Doch schon bei der Küchen-
planung hatte ich das Inte-
resse an dem Haus völlig
verloren“, gesteht Maria,
die sich – gebeutelt von
ihrer Krankheit – immer
weniger vorstellen konnte, in
dem Haus zu leben. „Ich wollte
heim nach Osttirol“, erzählt sie.
Sie packte die Kinder und ging.
Ohne Mann. Ohne ihm etwas zu
sagen. Anfang September vor
zehn Jahren. „Meine Krankheit
machte diese völlig unüberlegte
Aktion möglich“, weiß sie heute
genau. „Doch mein Mann ließ
mich ziehen. Er wusste, dass ich
gerade eine schwere Zeit durch-
machte. Und es war auch sehr
schwer für ihn.“
Erleichterung
Zwei Wochen lebte sie dann
mit den Kindern bei einem Ver-
wandten in Osttirol – bis sie eine
eigene Wohnung in der Villa
Waldluft in Lienz fand. Die Kin-
der gingen in Oberlienz in die
Schule. „Ich fühlte mich in Ost-
tirol anfangs sehr erleichtert.
Ging viel in die Berge, fuhr aber
jedes Wochenende zu meinem
Mann nach Nordtirol.“ Doch es
vergingen keine paar Monate, da
war der „Höhenflug“, wie Maria
„Ich kann endlich wieder g
Maria Mayr-Niedrist:
„Ich habe Heimweh
und Krankheit im
Griff“, strahlt sie.
Foto: Martina Holzer
Das Heimweh nach Osttirol
war so groß, dass sie sogar ihr
Snowboard über und über mit
Osttirol-Pickerln schmückte.
Maria Mayr-Niedrist
(51) hat ein „bewegtes“
Leben hinter sich. Die
Pustertalerin plagte
nicht nur unbändiges
Heimweh nach Osttirol,
sie musste auch einen
schweren Kampf gegen
eine heimtückische
Krankheit aufnehmen,
die manische Depres-
sion. Endlich kehrt nun
Ruhe in ihr Leben ein
und Maria kann wieder
glücklich sein.