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OSTTIROLER
NUMMER 1-2/2010
3
HEIMATBLÄTTER
ren wurde. Seit 1906 in Rotterdam lebend,
bildete er sich von 1908 bis 1919 in
Abendkursen der Rotterdamer Akademie
in der Radierung und im Naturstudium aus
und wirkte bis 1940 als Gemälderestaura-
tor. Seine Dominanz als Bildhauer, die
auch in der Ausstellung bewusst wird,
legte er vor allem von 1922 bis 1929 vor.
Ab 1922 pflegte er Kontakte mit Mitglie-
dern der Rotterdamer Künstlergruppe „De
Branding“ (1915 bis 1926). 1922 fand
seine erste Ausstellung statt, 1923 bereiste
er Berlin, Dresden und München. Ab 1930
malte er Stadt- und Hafenmotive, 1935/40
vor allem Motive aus dem Leben der
Marktgärtner, später sind ausdrucksstarke
und eindringliche Bilder entstanden, die
von den Kriegswirren geprägt sind.
1933 wurde er Mitglied der Künstler-
gruppe „R 33“. Bis 1940 (mit Ausnahme
von 1935) stellte er jährlich in der Galerie
van Lier in Amsterdam aus, wodurch er
auch seinen Ruf als Maler und Bildhauer
begründete. 1934 zog er nach Bergschen-
hoek am Fluss Rotte um, womit sich auch
seine Bildthemen änderten. In seinen frü-
hen Arbeiten hat Chabot einen starken Rea-
lismus verfolgt, wechselte dann zu einem
geometrischen, von Kubismus und de Stijl
geprägten Formenkanon, wie etwa das Ge-
mälde „Familie“ aus dem Jahre 1924 veran-
schaulicht: In blockhafter Strenge sind
Vater, Mutter und Kind ineinander ver-
schmolzen. Ende der zwanziger Jahre
wandte er sich dem Expressionismus zu.
Hier waren vor allem belgische Maler wie
etwa Constant Permeke richtungsweisend.
Henk Chabot zählt mit seinem mit Vehe-
menz geführten Pinselduktus und mit kräf-
tigem Kolorit formulierten Menschenbil-
dern und Landschaften sowie seinen ex-
pressiven kompakten Skulpturen zu den
bedeutenden holländischen expressionis-
tischen Künstlern. In der Betonung des
menschlichen Daseins in Existenzangst und
Zweifel scheint er Egger-Lienz wesensver-
wandt gewesen zu sein. Das spürt man vor
allem in den Gemälden der dreißiger Jahre,
die sich mit dem Bauernstand auseinander-
gesetzt haben. Natürlich verfolgte Chabot
in seinem malerisch nuancierten Stil eine
andere Richtung als Egger-Lienz zwanzig
Jahre früher, aber in der Schilderung der
inneren Werte der Bäuerin oder des Bauern
sind parallele Tendenzen evident. Die
Arbeit der „Kartoffelleserin“ 1935 ist groß-
flächig dem Bildfeld eingebunden – man
erinnert sich vielleicht an ähnliche Sujets
von Millet und van Gogh. Dann aber wird
der Lebensraum der Niederlande zu einem
gewaltigen Furioso von Landschaft und
Himmelsfeld, von sich auftürmenden Wol-
kenbänken und stürmischer See, Felder und
Äcker sind von bedrohlich wirkender
Atmosphäre eingehüllt. In den vierziger
Jahren traten der Mensch, die Mutter mit
Kind, die Flüchtenden, die Familie, in den
Mittelpunkt seiner Themen. Großformatige
Bildtafeln entstanden: Markante Köpfe und
feste Hände, sinnierende Augen – oft mas-
kenhaft – zeichnen die meist von Furcht ge-
leiteten Menschen aus. Eine bedrückende
Stille schwebt über diesen Sujets. In dunk-
lem Kolorit sind die Figuren und Gesichter
modelliert, erst später nach dem Kriegsende
lichtet sich die Farbpalette. Besonders präg-
nant sind seine Eichen- oder Teakholzskulp-
turen aus den dreißiger Jahren: Bauern oder
Akte, kompakt in ihremVolumen, stelenar-
tig notiert, an der Oberfläche weich mit vie-
len Dellen strukturiert. Hände und Beine
sind im Block gebunden, nicht ausladend
agierend, sondern am Körper ruhend. In
kantigen Köpfen mit einem fast archaischen
Gesichtsschnitt liegen weit geöffnete, aber
ins Leere blickende Augen. Hier geben sich
bedrückende Parallelen zu den „leeren“
Gesichtern der Kriegsfrauen von Albin
Egger-Lienz. Sprachlosigkeit ist hier wie
dort evident. Und formale expressive Ten-
denzen sind allgegenwärtig.
Diese von Chabot vorgegebene expres-
sionistische Thematik bestimmt nun eben
auch die Tradition des Ausstellungswesens
Das Chabot Museum in Rotterdam.
Foto: Gert Ammann
Henk Chabot, Mutter mit verwundetem
Kind, 1940; Chabot Museum, Rotterdam.
Henk Chabot, Die Familie, 1924; Museum
Boijmans Van Beuningen, Rotterdam.
Henk Chabot,
Bauer, 1933 – 35;
Sammlung Stadt-
houders-Chabot.
Henk Chabot,
Akt, 1933; Chabot
Museum,
Rotterdam.