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Zu Lebzeiten von Egger-Lienz waren
seine Werke nur zweimal in den Niederlan-
den ausgestellt: 1917 im Stedelijk Museum
in Amsterdam im Rahmen der Ausstellung
„Österreichische und ungarische Maler und
Bildhauer“, welche von der Wiener Seces-
sion und dem Künstlerhaus Wien gemein-
sam organisiert wurde, und 1920 in Scheve-
ningen in der Schau „Deutsch-österrei-
chische Malerei“. Nach Eggers Tod 1926
wurden seine Gemälde bereits 1928 in der
Ausstellung „Moderne österreichische
Kunst“ in Den Haag und dann 1931/32 in
Amsterdam und Den Haag in einer Wan-
derausstellung mit 30 Gemälden, acht
Zeichnungen, fünf Lithographien, zehn
Handkupferdrucken und zwei Farbdrucken,
welche in der ersten Station im Künstler-
haus Berlin 1931 gezeigt wurden, präsen-
tiert – interessant, dass keine der holländi-
schen Motive bei dieser ersten großen
Personale eingebunden waren.
Unter den ausgestellten Werken waren
Hauptwerke wie „Virgl“, „Der Mensch“,
„Den Namenlosen“, „Das Leben“, „Der
Krieg“, „Finale“, „Mütter“„Auferstehung“
und „Pieta“ zu sehen. Der Ausstellungs-
katalog schwelgte über die Bedeutung
Eggers in höchsten Tönen: „Wer Egger-
Lienz ist, braucht man der Welt heute nicht
mehr zu sagen; was der Maler heute der
Menschheit bedeutet, erhellt aus dem be-
geisterten Urteil des Kunsthistorikers Dr.
Nicodemi, der Egger-Lienz an die Seite
eines Signorelli, Michelangelo und Tinto-
retto stellt“ (Giorgio Nicodemi veröffent-
lichte 1925 in Brescia eine Monografie
über Egger-Lienz). So kann man sich
irren. Heute noch muss man bestrebt sein,
das Werk Eggers im europäischen Raum
zu positionieren. So kommt der Ausstel-
lung im Chabot Museum in Rotterdam das
Verdienst zu, das Werk von Egger-Lienz
dem holländischen Publikum als eine
„Neuentdeckung“ zuzuführen.
Eine Hommage an Wilfried Kirschl
Die Einladung zur Ausstellungseröffnung
konnte Professor Wilfried Kirschl in Inns-
bruck wohl noch in Empfang nehmen, eine
Teilnahme war ihm aufgrund seiner Krank-
heit nicht möglich. Er hätte sich sehr über
diese Präsentation gefreut. Am 28. Jänner
2010 verstarb Wilfried Kirschl in Innsbruck.
Nun darf diese Ausstellung wie eine Hom-
mage an den großen Egger-Lienz-Forscher
und Künstler Wilfried Kirschl gelten. Ihm
ist es zu verdanken, dass das Gesamtwerk
des Osttiroler Malers bis ins Detail erforscht
ist. 1977 dokumentierte er erstmals das
Gesamtwerk, 1996 folgte eine zweibändige
erweiterte Neuauflage. Seine Fachkenntnis
machte ihn zum Doyen der Egger-Lienz-
Forschung, sein Urteil war Orientierung für
Museen und Galerien, für den Kunsthandel
und die Sammler. Für die große Egger-
Lienz-Ausstellung 1976 in der Wiener
Secession stellte Wilfried Kirschl dem
Autor dieser Zeilen sein umfassendes
Wissen zur Verfügung und gab selbstlos
Einblick in seine Forschungsergebnisse. Er
begleitete die Personale 1996 im Tiroler
Landesmuseum Ferdinandeum in Innsbruck
und war von der Neupräsentation der Egger-
Lienz-Galerie im Museum Schloss Bruck in
Lienz beeindruckt, verfolgte auch die Son-
derausstellung „Begegnungen in Wien“ im
Museum Schloss Bruck, welche den Orien-
tierungen Eggers mit Werken europäischer
Künstler nachging. Und 2008 war er Ehren-
gast bei der wohl bisher größten Ausstel-
lung mit Werken von Egger-Lienz im Leo-
pold Museum in Wien, wobei gerade hier
die freundschaftliche Verbundenheit mit
Professor Dr. Rudolf Leopold zum Aus-
druck kam. Auch die Erarbeitung der Be-
standskataloge der Sammlungen des Landes
Tirol, des Vereins Tiroler Landesmuseum
Ferdinandeum und des Museums der Stadt
Lienz Schloss Bruck durch den Autor dieses
Berichtes konnte auf dem umfangreichen
Material von Wilfried Kirschl aufbauen.
Durch seine akribische Arbeit, seine kriti-
sche Analyse und sein nie enden wollendes
Recherchieren sind – auch aufgrund des
umfangreichen, von ihm zusammenge-
stellten Egger-Lienz-Archivs (als Leihgabe
des Landes Tirol im Tiroler Landesmuseum
Ferdinandeum verwahrt) – alle Facetten des
Lebens und des vielschichtigen Werkes von
Albin Egger-Lienz aufgeblättert. Aber nicht
nur diesem großen Maler aus Osttirol
widmete Kirschl seine Aufmerksamkeit. Er
war ein begnadeter Buchautor und Buchge-
stalter: Text und Layout wurden zu einer
Einheit und prägten diese Bände. Von Max
von Esterle über Carl Moser, Anton Tiefen-
thaler, Gerhild Diesner bis zu – leider nicht
mehr vollendet – Ludwig Penz reichen
seine Monografien. Schließlich legte er als
Ausstellungskurator seine Meisterschaft
dar: „Malerei und Graphik in Tirol 1900 bis
1940“ in Wien und Innsbruck, „Zeichnun-
gen von Albin Egger-Lienz“ in der Taxis-
Galerie in Innsbruck, die er mit Paul Flora,
Peter Weiermair und Magdalena Hörmann
begründete, „Kunst nach 1900“ aus dem
Museum Grenoble und die Retrospektive
„Carl Moser“ in Pont Aven zählen zu seinen
herausragenden Tätigkeiten, die er mit doku-
mentarischen Katalogen begleitete. Wilfried
Kirschl war aber in erster Linie Maler, ein
Meister der Farbe und des Lichtes. In seiner
Monografie in der Edition Tusch (Wien
1980) begegnet man Landschaften und
Denkmalen, die zu fixen Stationen in sei-
nem Leben und Werk geworden sind: Die
Straßenzüge von Paris, am Montmartre oder
in Saint-Denis, die Landschaften in Arles,
der Camargue und der Provence. Dann gerät
New York ins Blickfeld, bevor er seine
große Liebe zu Griechenland mit demWeiß
der Architektur und dem Rötlichbraun der
Erde auf Mykonos, Santorin oder auf ande-
ren Inseln entdeckte. In den frühen Werken
mit Motiven aus dem Rhoneland oder aus
Haarlem begegnet man Frauen bei ihrer
Arbeit, aber auch impressionistischen Land-
schaften. In den späten sechziger Jahren
werden stehende, liegende und hockende
Akte ins Bildfeld gerückt, nüchtern beob-
achtet zu tektonischen Gebilden wachsend.
Dann folgen intime Stillleben mit Blumen,
Vasen, Flaschen und Krügen, Metronom,
Pinselgläsern oder Dingen des Alltags. In
Wandnischen eingebettet werden die Dinge
wie zu Reliquien des Alltags, zelebriert in
einer feierlichen Stille, entrückt dem direk-
ten Zugriff des Fassbaren. Giorgio Morandi
zitiert er und fühlt sich ihm verbunden.
Auch die wenigen Porträts – Ludwig Eric
Tesar, Ludwig von Ficker, Selbstbildnis –
zählen zu reliquienähnlichen Besonderhei-
ten seines Schaffens. Seine sprachliche
Perfektion, sein Gefühl für Texte standen
parallel zu seiner sensiblen Malerei und
Grafik, in denen das Licht nie ausgeht, ge-
nauso wie die Erinnerung an den Menschen
Wilfried Kirschl nie erlöschen wird.
Das Chabot Museum
Das Chabot Museum im Museumspark
in Rotterdam befindet sich in einer 1938
vom Architekten G. W. Baas erbauten
Villa, die 1993 als Museum für den Maler
und Bildhauer Henk Chabot eingerichtet
wurde. Das „weiße“ Haus liegt gegenüber
dem berühmten Museum Boijmans Van
Beuningen. Die hellen Räumlichkeiten
atmen noch den Charakter eines Privathau-
ses, sind aber für Ausstellungen bestens
geeignet. Hier werden also bis 9. Mai 2010
23 Gemälde, Aquarelle und eine Litho-
graphie von Albin Egger-Lienz aus dem
Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck,
dem Leopold Museum Wien und dem
Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum
Innsbruck beherbergt.
Eine Hommage an Wilfried Kirschl
möchte man also die Rotterdamer Egger-
Lienz-Ausstellung nennen, wenngleich die
Direktorin des Chabot Museums, Jisca
Bijlsma, ursprünglich anderen Intentionen
bei der Vorbereitung dieser Schau nach-
ging. Denn das Chabot Museum in Rotter-
dam beherbergt das malerische und plasti-
sche Werk des expressionistischen Künst-
lers Henk (Hendrik) Chabot, der 1894 in
Sprang in der Provinz Nord-Brabant gebo-
OSTTIROLER
NUMMER 1-2/2010
2
HEIMATBLÄTTER
Professor Wilfried Kirschl 1930 bis 2010.
Albin Egger-Lienz, Selbstbildnis, 1923;
Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum
Innsbruck.