GZ_Doelsach_2020_02

Februar 2020 Dölsacher Dorfzeitung Seite 45 ren über Wochen an der Substanz und verlangen den Aspiranten doch einiges ab. Nachdem auch ein „erhol- samer (zusammenhängender) Schlaf“ über Wochen nicht mehr stattfinden konnte, summierte sich die Summe der Belastungen doch erheblich und wir waren froh als unser Bergführer endlich den bevorstehenden „Summit-Day“ ansprach. Nach Zusammenschau der beiden wichtigsten Faktoren (Akklimatisierungszustand und aktuelle Wetterprognose) und nach zweieinhalb- wöchiger Anpassungsphase war es dann endlich soweit. Wir hatten sowohl auf Sherpas als auch auf künstlichen Sauerstoff von vornherein verzichtet, wollten wir doch – so irgendwie möglich – eine ganz saubere Besteigung des Muztagh Ata schaffen! Nach einer schon gewohn- ten Nacht mit wenig Schlaf in Lager 2 (ca. 6.500 m) hatten wir in den frühen Morgenstunden begonnen uns in Gipfel-Adjustierung einzupacken, was aufgrund be- kannter Faktoren in dieser Höhe und in dem kleinen Zelt doch eine ziemliche Challenge war. Wir wählten neben spezieller Unterwäsche, Daunenbekleidung auch eine spezielle „3-Socken-Variante“ am Fuß (inklusive akkubetriebener, beheizbarer Socken). Nach mühsa- mem Schnee schmelzen für warme Getränke brachen wir bei ca. -20 °C (+Wind) zu den letzten 1.000 Höhen- metern dieses Tages auf. Die lange Tagesetappe in die- sen Höhen zehrte Stunde um Stunde an unseren kör- perlichen und mentalen Ressourcen, mussten wir doch bei ca. 20 bis 25 cm Neuschnee die Aufstiegsspur neu anlegen. Zusätzlich waren wir am Gipfeltag als einzige Expeditionsgruppe am Berg, alle anderen waren auf- grund der unsicherenWetterprognose ins Basislager ab- gefahren. Der Sauerstoff-Partialdruck nimmt mit jedem gewonnenen Höhenmeter ab und die Luft wird sprich- wörtlich immer dünner. Der menschliche Körper spürt das und reagiert darauf mit zahlreichen Symptomen. Der Berg mit seiner langen und gleichmäßigen Nei- gung flacht zum Gipfel hin extrem ab, den abgeflach- ten Gipfelaufbau erblickte man erst aus unmittelbarer Nähe. Ab ca. 7.000 m hatte der anfängliche Wind zum Sturm (mit Schneefall!) mutiert und die Sicht war gleich Null. Erst gegen 18.00 Uhr dieses Tages hatten wir es endlich gepackt, wir waren am Gipfel! Nach stürmischen, eiskalten und emotionalen Gipfel- minuten – in denen einige wenige Fotos entstanden – mussten wir uns beeilen, um schnellstens wieder in halbwegs sicheres Terrain abzufahren. Zu schnell hatte sich die wohl angekündigte Schlechtwetterfront nun ausgebreitet und den Berg vollkommen eingehüllt. Wir starteten ohne wirkliche Pause bzw. Regeneration eine Skiabfahrt aus gut 7.500 m in ein sogenanntes „White- out“. Ziemlich „fertig“ wieder in Lager 2 angekom- men, begannen wir sofort mit dem Abbau der Zelte, und nach kurzer Pause fuhren wir noch weiter ab. Einige von uns blieben am Gipfeltag noch in Lager 2 und übernachteten dort, andere wiederum übernachte- ten nochmals in Lager 1. Am Vormittag des nächsten Tages trafen dann alle „Gipfelsieger“ im Basislager ein und die chinesische Agentur organisierte amAbend im Messezelt eine kleine Siegesfeier. Nach einem Ruhetag im Basecamp mussten wir nun erneut ins Lager 1 auf- steigen, um dort – und auch beim Ski-Depot – das rest- liche Equipment zusammen zu packen und nach unten zu tragen. Nach erneuten Ruhetagen im Basislager hat- ten wir auch dort unsere Zelte abgebaut, die persön- liche Ausrüstung in Dufflebags verstaut und waren be- reit für die Rückkehr in die Zivilisation. Da wir aufgrund von ausgeklügelter Höhentaktik und echtem Wetterglück keinen der vorab eingeplanten Reservetage am Berg benötigt hatten, genossen wir die schon vorab diskutierte Variante eines zweitägigen Badeurlaubes am wunderschönen Issuk-Kul, dem zweitgrößten Bergsee der Welt. Der Grenzübertritt von China zurück nach Kirgisien gestaltete sich bei der Rückfahrt nicht weniger nervenaufreibend als bei der Hinfahrt. Nach einem unspektakulären Heimflug von Bishkek über Istanbul nach München trafen wir spät abends am selben Tag nach ca. einem Monat Ab- wesenheit alle wieder gesund, glücklich und zufrie- den bei unseren Lieben zu Hause ein. Wir haben bei einem gemütlichen Bier ein eventuelles nächstes Expeditionsziel andiskutiert … ich werde davon berichten, wenn es soweit ist bzw. wenn „er“ dann erledigt ist! P.S.: Wir bieten allen Interessierten am 14. März (Del- lach/Drau) und am 21. März (Dölsach) die Möglich- keit, an allen Emotionen unserer Expedition in Form eines Multimedia-Vortrags teilzuhaben! Ossi Klocker/MSC Dölsach

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